Das Zusammenleben im Dorf ist nicht immer einfach. Wo es heute eher wegen Katzen Ärger gibt, die herumstreifen und in fremden Gärten Vögel jagen oder ihr Geschäft ausgerechnet im Gartenbeet verrichten, da hat man sich vor bald einem Jahrhundert noch über das liebe Federvieh echauffiert.
Hühner haben die Angewohnheit, alles aufzuscharren, um an Fressbares zu gelangen. Und sie lassen sich auch von Zäunen nur bedingt abhalten. Um über so eine (aus deren Sicht) lächerliche juristische Grenze wie einen Gartenzaun hinwegzuflattern, reichen die Flügel jedenfalls problemlos.
Das führt zu Reibereien unter Nachbarn. Einige davon landeten auf dem Tisch des Gemeinderats. Ende der 1920er-Jahre störte sich besonders der Weberliheiri daran, dass seine Nachbarn in der Chälen ihre Hühner frei herumlaufen liessen und diese sich ihre Nahrung dann auch auf seinem Grundstück suchten.
So beschloss der Gemeinderat am 7. Mai 1928 «auf das Beschwerdeschreiben des Heinrich Meier, Weber's betreffend Laufenlassen der Hühner des Jacob Baumgartner» hin, letzteren schriftlich darauf aufmerksam zu machen, dass er seine Hühner besser zu kontrollieren habe.
Bussgeld wie beim Falschparkieren
Am Müliweg griff der Rat am 27. August 1928 dann erstmals richtig durch: «Anzeige von Meier Jacob im Oberdorf gegen Liebert Luise wegen Unberechtigtem Laufenlassen von Hühnern auf fremdem Eigentum. Luise Liebert wurde mit 10 Frk. gebüsst.» Und ja, das war genau die Frau Liebert, die dem heutigen Ortsmuseum postum ihren Namen gegeben hat.
Dann hagelte es ab November Anzeigen. Eingereicht von Heinrich Meier «gegen Meier Jacob, Wegknecht wegen Uebertretung von Art. 16 der Polizeiverordnung (Laufenlassen von Hühnern)». Am 26. November 1928 wurde der vom Gemeinderat mit 5 Franken gebüsst.
Kurz darauf ging der Weberliheiri «gegen Rüdlinger Ernst und Meierhofer Albert, Wagner's» vor. Ebenfalls «wegen Laufen- und Weidenlassen von Hühnern auf seinem Eigentum.» Beide wurden am 3. Dezember 1928 vom Gemeinderat mit je 5 Franken gebüsst.
Und am 15. Dezember 1928 wurde ausserdem «Alb. Meierhofer, Fabrikarbeiter» für dieselbe Übertretung zu Lasten des Weberliheiri gebüsst. Ebenfalls mit 5 Franken. Weshalb Frau Liebert das Doppelte zahlen musste? Bleibt des Gemeinderats Geheimnis.
Fünf Franken von 1928 sind übrigens gemäss swistoval.ch auf heutige Geldwerte umgerechnet je nach Index zwischen 32 und 245 Franken. Vergleichbar ist so eine Busse heute am ehesten mit einer Strassenverkehrsübertretung im unteren Bereich:
- Konsumentenpreisindex (KPI) -- 32 CHF
- Historischer Lohnindex (HLI) -- 78 CHF
- BIP pro Kopf-Index -- 121 CHF
- BIP-Index -- 245 CHF
Einvernahme durch den Gemeinderat
Ernst Rüdlinger und später auch Albert Meierhofer waren nicht bereit, diese Busse einfach so zu bezahlen. Sie verlangten «gerichtliche Beurteilung» und wurden daher vom Gemeinderat einvernommen.
«Da der Verzeiger Heinrich Meier seine Verzeigung zurückzieht, wurde beschlossen die Busse aufzuheben und die Kosten wurden dem Verzeigten Ernst Rüdlinger auferlegt.», notierte der Gemeinderatsschreiber unter dem 22. Dezember 1928.
Bei Albert Meierhofer war Heinrich Meier jedoch nicht bereit, seine Anzeige zurückzuziehen, weshalb der Gemeinderat am 29. Dezember 1928 beschloss, «die Akten zur Beurteilung ans Bezirksgericht weiterzuleiten.» Gemeindegutsverwalter Griesser musste die beiden Streithähne nach Dielsdorf begleiten.
Von der Bezirksgerichtskanzlei kam Ende Januar der Bescheid «die vom Gemeinderat Weiach dem Albert Meierhofer, Wagner's auferlegte Polizeibusse wegen Uebertretung von Art. 16 der Polizeiverordnung» sei «aufgehoben worden.» (Protokolleintrag vom 26. Januar 1929)
Nun reichte es dem Gemeinderat mit diesen Federvieh-Streitereien. Am 27. April 1929 beschloss er, «das Verbot betr. Laufenlassen der Hühner wieder zu puplizieren». Von da an sind im Protokollband keine solchen Anzeigen mehr verzeichnet.
Quelle und Literatur
- Protokoll des Gemeinderates 1928-1934. Archiv der Politischen Gemeinde Weiach; Signatur: IV.B.02.11
- Brandenberger, U.: Staubplage, Hahnenzins und freilaufende Hühner. Womit sich der Gemeinderat vor acht Jahrzehnten herumschlagen musste. Weiacher Geschichte(n) Nr. 110. Erstmals publiziert in: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Januar 2009 - S. 18-25 (hier: S. 25, Gesamtausgabe S. 447).
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