Der vor einigen Monaten verstorbene Hans Rutschmann (1928-2022) war an der Alten Poststrasse 4 wohnhaft. Im Brotberuf hat er während Jahrzehnten in Bülach als Briefträger die Post ausgetragen. Seine Ehefrau Hanni Griesser (*1928) stammt aus der Familie der «Beckgriessers», die mit älterem und nicht mehr so bekannten Zunamen auch «Postgriessers» genannt wurden (vgl. Schmid 2008, S. 52-53). Dieser Zuname stammt noch aus der Zeit vor der ersten Postablage (ab 1842) und der Postkutsche (1852-1876), ist also schon fast zwei Jahrhunderte alt.
Die «Postgriessers» waren mithin von der Gemeinde beauftragte Zürichboten, fuhren bzw. gingen also regelmässig in die Hauptstadt (vgl. WeiachBlog Nr. 1011). Sie bilden damit so etwas wie eine zeitliche Klammer um die Periode 1842 bis 2009 herum, als es in Weiach amtlich bestellte Posthalter gab, die über eine örtlich fixierte Poststelle wachten.
Rund um den ehemaligen Wohnsitz Rutschmanns finden sich auch die drei ältesten Standorte der Post im Dorf. Jawoll, rundherum, denn die Postablage der Zürcher Kantonalpost (bevor mit der Etablierung der Institutionen des Bundesstaats ab 1849 die eidgenössische Postverwaltung das Regiment übernahm) war noch an der Oberdorfstrasse domiziliert. Aber wo genau? Dazu sagt Walter Zollinger in seiner ortsgeschichtlichen Monografie (1. Aufl. 1972, S. 66) nichts.
Viele Hinweise, die sich zu einem Bild verdichten
Aus den Materialien und Entwürfen zu den Weiacher Geschichte(n) hat der WeiachBlog-Autor die folgende Notiz ausgegraben: «Die erste Postablage soll sich in dem Maurer Griesser gehörenden vis-à-vis des Waschhauses gelegenen Hause, das von der Familie Selimi bewohnt wird, befunden haben.» Dummerweise habe ich damals auf jede Angabe verzichtet, von wem diese Information stammt und zu welchem Zeitpunkt sie notiert wurde (es muss irgendwann zwischen 2003 und 2006 gewesen sein). Schlecht.
Aber wenigstens deuten sämtliche mir damals noch nicht bekannten Quellen in dieselbe Richtung. Sie werden in diesem Beitrag vorgestellt.
Die älteste Quelle ist der im August 1844 fertiggestellte Plan der projektierten Kunststrasse, die in der Verlängerung der Kaiserstuhlerstrasse (ab 1876 zwischenzeitlich Bahnhofstrasse genannt) auf dem Reissbrett in Richtung Raat gezogen wurde (StAZH PLAN S 385), die heutige Stadlerstrasse (auf dem Plan in dunkelrosa dargestellt):
Die hellgrün überlagerten Flächen bezeichnen die fünf Standorte der Weiacher Poststelle bis heute. Damals existierte nur eines der Gebäude in seiner heutigen Grundrissform: die Liegenschaft Oberdorfstr. 17, die wie die Gebäude Bergstr. 8 und Stadlerstr. 2 (Gasthof Sternen) durch eine Art Sanduhrzeichen als Gebäude mit einer öffentlichen Funktion bezeichnet wurden.
Diese älteste Poststelle stand also nicht direkt an der Landstrasse von Kaiserstuhl nach Zürich (rot gestrichelt eingezeichnet), die bis zur Eröffnung der heutigen Stadlerstrasse durchs Bühl, das untere Oberdorf und anschliessend über die Bergstrasse verlief.
Poststellenchronik im PTT-Archiv
Die zweite Quelle, eine undatierte Handskizze, befindet sich in der Poststellenchronik der Kreispostdirektion (KPD). Sie zeigt die beiden Standorte bis 31. Mai 1852 und nach der Eröffnung der Postkutschenverbindung von Kaiserstuhl nach Zürich (ab 1. Juni 1852):
4. Das Haus des sogenannten Pariserschneiders, das an der Verzweigung Winkelstrasse/Oberdorfstrasse westseitig und parallel zum unter Punkt 3 erwähnten Dreiparteienhaus stand, wurde nach 1952 abgebrochen. Als Ersatzbau steht auf derselben Parzelle seit 1954 die bereits erwähnte Liegenschaft Kipfer (Stadlerstr. 17). Die Kellergewölbe der abgebrochenen Baute sind erhalten geblieben.
Die auf derselben Seite der Chronik in gleicher Handschrift und ähnlicher Tinte eingetragenen Jahresentschädigungen für Diensträume, Heizung und Beleuchtung, datiert auf das Ende des Jahres 1922 (samt Nachtrag bzgl. Nachzahlung mit anderer Tinte), sowie die darüber eingeklebte Karte des Gemeindegebiets (aus der 1880er-Siegfriedkarte ausgeschnitten) deuten auf eine Entstehung zwischen 1922 und 1928 hin.
Fünf Standorte über 180 Jahre – Kurzübersicht
Mittlerweile ist noch ein weiterer Standort hinzugekommen, der aktuelle, für den es nun keinen Posthalter mehr gibt, jedenfalls nicht eine/n, der oder die als physischer Ansprechpartner vor Ort in Erscheinung tritt. [Nachtrag v. 3.2.2023: Laut tel. Auskunft der Medienstelle Post hat der organisatorische Umbau dazu geführt, dass es die Funktion eines Posthalters heute nicht mehr gibt.]
- Nr. 1 – Oberdorfstrasse 17 – spätestens 2.11.1842 bis 31.5.1852 – Postablage der Kantonalpost. Der älteste Eintrag im Speditionsregister datiert auf den 2. November 1842.
- Nr. 2 – Alte Post-Strasse 2 – 1.6.1852 bis 10.10.1954 – Eidgenössische Post, ab Eröffnung bis Ende Juli 1876 Haltestelle der Postkutsche. Daten nach Poststellenchronik KPD – Volkstümlich «Alte Post» genannt.
- Nr. 3 – Stadlerstrasse 17 – 11.10.1954 bis 15.1.1995 – Daten nach Poststellenchronik KPD.
- Nr. 4 – Bachweg 2 – 16.1.1995 bis 7.3.2009 – Daten nach Poststellenchronik KPD und Sammlung Erne.
- Nr. 5 – Stadlerstrasse 4 – 9.3.2009 bis heute – Postagentur (Ymago) im VOLG-Laden. Datum nach Sammlung Erne.
Quellen und Literatur
- Speditionsregister der Poststelle Weiach: Verzeichnis der Postgegenstände mit Datum, Herkunft, Wert, Porto etc., 1849-1852. [recte: ab 1842] – MfK, PTT-Archiv, Signatur: P-08 A_PAA 00443
- Poststellenchronik Weiach der Kreispostdirektion (KPD). – MfK, PTT-Archiv. Signatur: Post-199 A 0008_Weiach. [Von Ernst Schmid ausgiebig verwendete Quelle]
- Poststellenchronik 8187 Weiach der Sammlung Erne. – MfK, PTT-Archiv, Signatur: Post-498 D 8187_Weiach
- Brandenberger, U.: Dreimal Post Weiach. WeiachBlog Nr. 178 v. 1. Mai 2006.
- Schmid, E.: Postgeschichte Bezirk Dielsdorf. Philatelie und Heimatkunde. Windlach 2008 – S. 51-59, hier insbesondere S. 56.
- Brandenberger, U.: Unser Postbüro ist bereits geschlossen. WeiachBlog Nr. 666 v. 7. April 2009.
- Brandenberger, U.: Werbung für den Weyacher Postboten, Februar 1762. WeiachBlog Nr. 1011 v. 22. Juni 2011.
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