Samstag, 30. September 2006

Warum die Kirche doch in ihre Zeit passt

Nach dem Zürcher Unterländer (vgl. WeiachBlog-Artikel von gestern) bringt heute auch das Neue Bülacher Tagblatt eine Vorschau auf das 300-Jahr-Jubiläum der Weiacher Kirche.

NBT-Korrespondent Lukas Fehr betitelte seinen Artikel mit dem Zitat: «Diese Kirche passt nicht in ihre Zeit». Dieser Titel ist richtig und falsch zugleich.

Richtig, weil Wehrkirchen ein Konzept aus dem Mittelalter sind, jedoch unsere Kirche samt Ummauerung des Kirchhofes im Zeitalter der Aufklärung gebaut wurde.

Falsch, weil das Kirchengebäude an sich (ohne die Friedhofmauern und den restlichen Komplex mit Pfarrhaus, Pfarrscheune und altem Gemeindehaus) durchaus ein Bau im Stil seiner Zeit ist - etwas konservativ zwar, aber nicht veraltet.

Die Weiacher Kirche passt also doch in ihre Zeit. Denn sie bildet eine zeitgenössisch-protestantische Form des Übergangs von der chorbetonten Kirche des Mittelalters zur reinen Saalkirche mit geradem (statt polygonalem) Abschluss auf der Stirnseite. Sie wurde in Anlehnung an alte Traditionen nach bewährtem Bauplan erstellt. Das wird im Artikel mit dem Zitat: «Man liess sich auf keine Experimente ein» verdeutlicht.

Befestigter Platz - auch ein Bedürfnis der lokalen Bevölkerung?

Zurück zum Wehrcharakter. Die Legende zum Bild trifft den Nagel auf den Kopf: «Ein Teil von Zürichs Kriegsvorbereitungen: Die Mauern der Kirche Weiach erzählen 300 Jahre Geschichte». Gute Zusammenfassung ohne Überinterpretation.

Inwieweit dieser befestigte Platz einem Bedürfnis der lokalen Bevölkerung entsprach und ob Bauweise und Wahl des Bauplatzes militärische und/oder ganz einfach demonstrativ-repräsentative Funktionen bedienen sollten, ist nicht geklärt.

A priori ausschliessen kann man keine dieser Möglichkeiten. Dass auch die Einheimischen an einem ummauerten Platz mit Schiessscharten Interesse gehabt haben könnten, wird klar, wenn man sich die Aufregung vor Augen führt, welche 1703 in Weiach ihren Ausgang nahm (sog. «Blinder Lärmen», vgl. Weiacher Geschichte(n) 56). Übergriffe von fremden Soldaten, die an den Auseinandersetzungen des Spanischen Erbfolgekriegs (1701-1714) beteiligt waren, lagen damals durchaus im Bereich des Möglichen.

Keine Information über den Zweiten Koalitionskrieg 1799

Ob die Weiacher allerdings beim Heranrücken fremder Heere tatsächlich den Kirchhof als Verteidigungspunkt genutzt hätten (und nicht in die umliegenden Waldhöhen geflüchtet wären) kann nicht überprüft werden. Denn dieser Verteidigungsfall trat seit dem Bau nie ein.

1712 wurde die Anlage anlässlich des 2. Villmergerkriegs (protestantische Kantone gegen katholische) zwar mit zürcherischer Artillerie belegt. Aus der Zeit der Koalitionskriege des Jahre 1799 (Franzosen gegen Österreicher und Russen) ist jedoch bisher über die Verwendung des Kirchhofes als befestigten Stützpunkt noch nichts bekannt. Die Fronten bewegten sich damals mehrmals über Weiach hinweg. Kämpfe scheint es in Weiach selber nicht gegeben zu haben.

Quelle

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