Hätten Sie gedacht, dass sich die Kommission das Weiacher Gemeindewappen durchaus auch in den Farben «rot/silber» statt «blau/silber» hätte vorstellen können? Mit einem achtzackigen Stern, nicht mit einem fünfzackigen wie in der Sowjetwelt, aber immerhin. Auch die Farbe Rot wäre aus heraldischer Sicht begründbar gewesen.
Farben des Niedergerichtsherrn verwenden?
Am 31. März 1931 notierte Heinrich Hedinger, der Beaufragte der Kommission für den Bezirk Dielsdorf, folgende Zeilen auf ein Begleitkärtchen:
«Bei Weiach bin ich nicht mehr sicher ob Rot (Konstanzerfarbe) oder Blau bestimmt wurden. Sollte Rot sein, so müsste im Text der Hinweis auf Konstanz noch beigefügt werden (1295 erwarb Domstift Konstanz niedere Gerichtsbarkeit v. Wyach, auch Kirchensatz)». Die Angabe zum Kirchensatz ist gestrichen und die Änderung mit dem Vermerk «vergl. Nüscheler II 15 und Wirz, Etat» versehen.
Dieses im Archivdossier enthaltene, handschriftliche Begleitschreiben an ein Kommissionsmitglied (oder den beauftragten Grafiker?) ist eine der Trouvaillen aus den Nachforschungen zur Geschichte unseres Gemeindewappens. Denn es gibt einen deutlichen Hinweis auf Diskussionen in der Kommission.
Man hat also ernsthaft in Erwägung gezogen, statt der Farben der Hohen Obrigkeit diejenigen des Niedergerichtsherrn zu verwenden! Der Zeichner erstellte denn auch eine Version des heute vertrauten Wappenschildes in Rot-Weiss, statt Blau-Weiss:
In diesem kleinen Intermezzo sind die beiden jahrhundertelangen Konkurrenten um die Macht in Weyach sozusagen symbolisch ein letztes Mal gegeneinander angetreten: der Stadtstaat Zürich als Inhaber der Hohen Gerichtsbarkeit (seit 1424) und das Fürstbistum Konstanz als Inhaber der Niederen Gerichtsbarkeit (seit 1295).
Noch im Jahre 1925 lagen die zürcherische Herrschaft (1424-2006) und die konstanzische (1295-1798) punkto Dauerhaftigkeit gleichauf. Mittlerweile ist die Wahl der Farben Blau und Silber die einzig logische - auch wenn es nur nach Jahren der Herrschaftsausübung geht.
Nimmt man allerdings die realpolitischen Verhältnisse zum Massstab, so war das mächtige Zürich gegenüber dem etwas schwächlichen Fürstbistum spätestens seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts klar im Vorteil - und setzte folglich auch seinen Machtanspruch in Weiach klar durch. Ein Umstand, den das heute geltende Wappen mit der Übernahme der Farben Blau und Silber/Weiss widerspiegelt.
Quellen
- Archivdossiers der Wappenkommission der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, 1925-1936. Depot im Staatsarchiv des Kantons Zürich. Signaturen: N 1219.1 [Allgemeines]; N 1219.7 [Weiach et al.].
- Nüscheler, A.: Die Gotteshäuser der Schweiz. Historisch-antiquarische Forschungen. Zweites Heft: Bisthum Constanz. Erste Abtheilung: Archidiakonate Breisgau, Klettgau, vor dem Schwarzwald und Thurgau. Zürich, 1867. [Bisthum Constanz in Heft 2-3, Zürich 1864–1873. Fortsetzung in: Der Geschichtsfreund 39–48 (1884–1893)].
- Wirz, K.: Etat des Zürcher Ministeriums von der Reformation bis zur Gegenwart. Aus gedruckten und ungedruckten Quellen zusammengestellt und nach Kirchgemeinden geordnet. Zürich, 1890.
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