Sonntag, 12. November 2006

Kirchenbauboom dank städtischem Wohlstand

Der Zürcher Kirchenbote brachte in Ausgabe 21 vom 1. November einen Artikel über die auffällige Häufung von Kirchenneubauten des Jahres 1706. Damals wurde nämlich nicht nur die Weiacher Kirche errichtet.

«Gleich vier Kirchen im Kanton Zürich feiern dieses Jahr ihr 300-jähriges Bestehen», schreibt Redaktor Matthias Herren im Lead seines Artikels und fragt: «Was steckt hinter dem Kirchenbau-Boom am Anfang des 18. Jahrhunderts?». Die Antwort steht im Titel:

«Städtischer Wohlstand machte es möglich».

Der Betreuer des WeiachBlog gehörte selbst zu den im Verlauf der Recherche Angefragten. Herzlichen Dank an M. Herren für die Erlaubnis, diesen interessanten Beitrag nachfolgend im vollen Wortlaut wiedergeben zu dürfen:

«Landauf, stadtab feiern Kirchgemeinden im Kanton Zürich das 300-jährige Bestehen ihrer Gotteshäuser. Ob in Sternenberg zuhinterst im Tösstal, in Weiach an der Grenze zu Deutschland, in Schöfflisdorf im Wehntal oder im Zürcher St. Peter – diese Kirchen wurden 1706 eingeweiht.

Warum ein Bauboom?

Steckt hinter dem Kirchenbau-Boom vom Anfang des 18. Jahrhunderts ein besonderes geschichtliches Ereignis? Auf Anfrage des «Kirchenboten» konnten Kirchengeschichtler und Historiker keine Gründe nennen, weshalb vor 300 Jahren an verschiedenen Orten neue oder grössere Kirchen gebaut wurden. Die Erweckungsbewegung setzte mit dem Pietismus erst einige Jahrzehnte später ein, und die damals gesetzliche Verpflichtung, den Gottesdienst zu besuchen, war schon seit einiger Zeit in Kraft.

Auffallend ist, dass die neuen Kirchenbauten in den Landgemeinden damit begründet wurden, dass die bestehenden Gotteshäuser zu klein waren. In Schöfflisdorf wurde es in der Kapelle zu eng für die damals 556 Mitglieder der Kirchgemeinde, zu der auch die Dörfer Oberweningen und Schleinikon gehören. Auch Weiach verzeichnete Ende des 17. Jahrhunderts ein Bevölkerungswachstum. Und in Sternenberg lebten damals auf den weit verstreuten Höfen etwa 1300 Menschen, die vor dem Kirchenneubau den Gottesdienst in Wila oder Bauma besuchen mussten.

Tatsächlich begann im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts die Bevölkerung des Kantons Zürichs wieder zu wachsen. Wegen Hungersnöten und vier Pestzügen hatten rund 40 Prozent der Einwohner im Kanton Zürich das Leben verloren. Das Bevölkerungswachstum machte die Neubauten zwar nötig – möglich wurden sie aber, weil die Stadtzürcher Bevölkerung dank der erfolgreichen Zünfte zu Wohlstand gekommen war. Dieser schlug sich auch in der Staatskasse nieder.

So unterstützte der Staat die Kirchenneubauten in Weiach und Sternenberg mit je 300 Talern. In Sternenberg stiftete der Zürcher Bürgermeister gar persönlich eine Glocke. Und die Weiacher durften im ganzen Kanton eine Kollekte erheben. Allein aus eigener Kraft hätten die armen Landgemeinden ihre neuen Gotteshäuser nicht errichten können.

Stuckaturen im St.Peter

Anders als bei den schlichten Landkirchen fand der gestiegene Wohlstand in der Stadt bei der Kirche St. Peter seinen sichtbaren Ausdruck. Dem romanischen Turm und Chor wurde 1705/06 eine barocke Kirche mit roten Marmorsäulen und Stuckaturen angefügt. Erst als der Wohlstand auf dem Land gestiegen war, entstanden auch dort repräsentative Kirchenbauten. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden unter anderem in Wald, Stäfa, Hombrechtikon, Richterswil oder Wädenswil Kirchen in städtisch-elegantem Stil errichtet.
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Kirchenbote - die Eckdaten

Der Kirchenbote für den Kanton Zürich erscheint alle 14 Tage. Die Auflage beträgt nach Angaben auf der Website 254'250 Exemplare. Zur Trägerschaft wird vermerkt: «Seit seiner Gründung am Bettag 1915 wird der Kirchenbote vom reformierten Pfarrverein des Kanton Zürich herausgegeben. Er ist dadurch in die Verantwortung der reformierten Kirche eingebunden, aber frei von Beeinflussung durch Organe der Landeskirche.»

Quelle

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