Montag, 15. März 2010

Verschuldungskrise im Unterland

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts wurde die ökonomische und soziale Lage im Zürcher Unterland zusehends prekärer.

Wie der von Caspar Scheuchzer verfassten «Abhandlung über den Zustand der Landwirthschaft, wie selbiger A° 1764 in den 13 Gemeinden der Herrschaft Regensberg beschaffen gewesen» zu entnehmen ist, belief sich der Gesamtwert aller Wiesen, Äcker und Reben in der Landvogtei Regensberg auf 1.3 bis 1.4 Millionen Gulden (fl.), wobei auf diesen Grundstücken «bis 800'000 fl. Schulden hafften». Und das war wohlverstanden nur eine Schätzung. In der benachbarten Obervogtei Neuamt, zu der Weiach gehörte, wird die Situation nicht wesentlich anders gewesen sein.

Auf diesen Schulden wurden natürlich entsprechende Zinssätze verlangt, was sich vor allem in den unteren Schichten verheerend auswirkte: «So wird der Schulden Last vor die kleinen Bauren und Thauner so gross, dass bey dem geringsten Misswachs (...) einen grossen Theil fast unmöglich fällt, die benöthigte Zins aufzubringen», schrieb Scheuchzer (zitiert nach Meier, S. 239). Mit anderen Worten: eine Missernte genügte und der Kleinbauer war zahlungsunfähig.

Hohe Landpreise

Grundbesitz war die ökonomische Hauptbasis der ländlichen Gesellschaft im Unterland - von Gewerbe und Heimarbeit allein konnte kaum einer überleben. Wegen zunehmender Bevölkerungszahl wurde das nicht vermehrbare Gut Boden dadurch immer knapper und teurer. Noch 1764 rechnete Scheuchzer mit Preisen von rund 80 Gulden auf die Jucharte (rund 3600 Quadratmeter, aber unterschiedlich gross je nach Kultur und Gegend).

Meist aber waren landwirtschaftliche Flächen weit teurer: Für ein Mannwerk Wiese (also das was man in einem Tag allein mähen konnte), was im 18. Jahrhundert einer Juchart entsprach, zahlte man selten unter 150 Gulden, für Rebland noch viel mehr.

Das waren für arme Leute unerschwingliche Preise - denn ein kleines Haus kostete auch ein paar hundert Gulden. Und 30 Gulden Jahreslohn waren für ländliche Handwerker schon ein ganz anständiger Verdienst.

Hungerkrise: Verkaufswelle von 1772 bis 1775

Da man mit dem Verlust des Grundbesitzes auch weitere Rechte im Dorf, z.B. auf Holz und Weide verlieren konnte, hielten die Leute eisern an ihrem Land fest und belasteten es auch über den Realwert hinaus, nur um es nicht verkaufen zu müssen:

«Aus den sogenannten Kauf-Gerichtsprotokollen der Gemeinde Weiach, die zur Gerichtsherrschaft Röteln gehörte, ist ersichtlich, wann und wieviel Land verkauft wurde und wann sogenannte "Einsatzungen", also Darlehen, gewährt wurden. In den von der grossen Hungerkrise eingeleiteten 70er Jahren registrierten die Protokolle 355 Landverkäufe im knapp über 100 Haushalte zählenden Dorf. Davon entfielen allein auf die Jahre 1772-1775 über 200 Verkäufe. Insgesamt wurden in diesem Jahrzehnt zwei- bis dreimal mehr Verkäufe getätigt als in den vorhergehenden. Umgekehrt aber wurden relativ wenige Darlehen gewährt, nämlich nur 34, was im Vergleich zu früheren Jahrzehnten eher wenig ist (in den 50er Jahren waren es immerhin noch 56 gewesen!). Die Geldgeber waren also nur bei entsprechend guten Aussichten bereit, Darlehen zu gewähren».

Trotzdem nahm die Bevölkerungszahl von 1759 bis 1790 nur unwesentlich ab: von 573 auf 530.

Quelle
  • Meier, Th.: Handwerk, Hauswerk, Heimarbeit: nichtagrarische Tätigkeiten und Erwerbsformen in einem traditionellen Ackerbaugebiet des 18. Jahrhunderts (Zürcher Unterland). Zürich, 1986 - S. 239-240.

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