Dienstag, 30. März 2010

Bahnhof Raat

Auch wenn es diesen Bahnhof als solchen nie gegeben hat: die Existenz des Begriffs ist dennoch belegt.

Wer in den letzten paar Jahren mit dem Bus von Stadel herkommend über Windlach und Raat nach Weiach gefahren ist, der kam unweigerlich an einem unscheinbaren Holzunterstand vorbei. Er stand an der Abzweigung nach Windlach kurz vor Raat und zeichnete sich durch eine Tafel aus, die ihn ebenso scherzhaft wie stolz als «Bahnhof Raat» bezeichnete.

Die Postautos hielten zwar nur an, wenn zufälligerweise jemand dort stand oder der Bus an diesem Punkt wendete und über Schüpfheim zurück ins Depot beim Neuwies-Huus fuhr. Die reguläre Haltestelle von Raat befand sich dort, wo sie noch heute ist, nämlich mitten im Weiler an der Hauptstrasse zwischen Ober- und Unterraat.

Wallisellen-Weiach-Waldshut

Was das nun mit Weiach zu tun hat, mögen Sie sich fragen. Nun, es gab vor vielen Jahren tatsächlich einmal den Plan für eine Eisenbahnlinie von Wallisellen über Weiach nach Waldshut. Sie «war bereits 1857 projektiert worden, kam aber leider nicht zustande», wie Walter Zollinger in seiner Monographie über Weiach schrieb (erste Auflage publiziert 1972, nach dem Rückentitel «Chronik» genannt).

Als der Verfasser des WeiachBlog erst den eben zitierten Hinweis von Zollinger kannte, da nahm er noch an, es sei eine Streckenführung über den «Chistenpass» geplant gewesen, also über die Anhöhe zwischen Stadel und Weiach, auf der das Dörfchen Raat liegt. Und er machte sich Gedanken, wo denn dann die Kunstbauten in die Landschaft südlich des Dorfes Weiach hineingelegt worden wären. Die Steigung nach Raat kann man auf der Schiene nämlich kaum in gerader Strecke bewältigen.

Den Weg der geringsten Kosten nehmen

Bei einem konsequent ingenieurmässigen Denkansatz und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Bahnunternehmen immer knapp bei Kasse sind (das war auch vor über 150 Jahren nicht anders), hätte er sich aber denken können, dass diese Streckenführung schlicht illusorisch sein muss:


Wie man obigem Kartenausschnitt aus einer Variantenstudie entnehmen kann, favorisierten die Promotoren der «Glattthaleisenbahn» eine Streckenführung über Neerach und an Stadel und Windlach vorbei Richtung Rhein. Bei Zweidlen hätte man einen Bahnhof Glattfelden gebaut. Anschliessend sollte die Linie eine scharfe Linkskurve nehmen und dann durch das Weiacher Hard nach Kaiserstuhl führen. Weiach, Stadel, Windlach und Raat wären also punkto Bahnstation völlig leer ausgegangen.

Auch eine Linie über Dielsdorf und das Wehntal nach Niederweningen und von dort durch das Surbtal nach Koblenz stand zur Debatte.

Die Nordostbahn lässt Stadel links liegen

Wegen dem österreichisch-sardinischen Krieg in Norditalien (u.a. mit der Schlacht bei Solferino) kam 1859 alles anders und beide Projektvarianten mussten schliesslich beerdigt werden.

Dank dem etwa 15 Jahre später begonnenen Bau der Nordostbahn-Linie von Koblenz nach Winterthur hat Weiach 1876 dann doch noch einen Bahnhof erhalten - wenn auch nur zusammen mit Kaiserstuhl. Aber immerhin. Denn Neerach, Stadel, Windlach und Raat guckten auch diesmal in die Röhre.

Lassen wir den Raatern also ihren «Bahnhof». Selbst wenn es nur eine ehemalige Bushaltestelle ist.

Quelle

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