Donnerstag, 31. Mai 2018

Die Urkunde von 1287: Ortszuweisung richtiggestellt

Das älteste erhaltene Schriftstück, in dem der Ortsname «Wiach» erscheint, stammt vom Jahreswechsel 1166/1167: eine Urkunde aus den Archiven des Klosters Allerheiligen in Schaffhausen (vgl. WeiachBlog Nr. 586). Bei diesem «Wiach» handelt es sich um das heutige «Wiechs um Randen», nicht um Weiach. Das war aber nicht der einzige Zweifelsfall.

Ein Weiach mit Fragezeichen

Im Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich (UBZH) findet man als Nr. 1999 in Bd. 5 ein Dokument, das bis vor kurzem mit folgenden Eckdaten im Online-Katalog des Staatsarchivs des Kantons Zürich verzeichnet war:

Signatur: C I, Nr. 2808
Titel: Der Edle Rudolf von Wädenswil und seine Töchter verkaufen dem Johanniterhaus Bubikon die Burg Wädenswil und die dazu gehörigen Besitzungen und Rechte in Wädenswil und Richterswil.
Entstehungszeitraum: 17.07.1287
Entstehungszeitraum, Streudaten: 03.09.1287 - 05.09.1287
Anzahl Bestelleinheiten: 1
Archivalienart: Urkunde/Urkundenabschrift
Dokumentspezifische Merkmale
Ausstellungsort: Burg Wädenswil / Weiach (?) / Hünenberg
Kollation: Original, Pergament, Latein. Alle 8 Siegel hängen.

Weiach? Mit Fragezeichen? Diese Wädenswiler Urkunde würde zwar nicht die älteste, aber doch immerhin die fünftälteste Nennung des Ortsnamens enthalten - nach der ersten erhaltenen Erwähnung von 1271.

Für die geprüften Fundstellen vor dem Beginn des 14. Jahrhunderts (Zählung nach Elementa Toponomastica Wiachiana): 1271 (ETW 1); 1276 (ETW 2); 1279 (ETW 3); 1281 (ETW 4); 1295 (ETW 5) und 1298 (ETW 6).

Kopfregest passt nicht zu den Kommentaren

Im Kopfregest (UBZH V, 339; herausgegeben 1900/01) haben die Bearbeiter als einen der  Ausstellungsorte tatsächlich «Weiach (?)» notiert. Im Text selber (Kopie des Originals gleich darunter) findet man Weiach jedoch nicht.



Der einzige Hinweis in der Urkunde, der zu diesem ominösen «Weiach (?)» passt, findet sich im UBZH auf Seite 342. Die zur Datumsangabe gehörende Nennung zum 3. September 1287 wurde von den damaligen Bearbeitern selber als «apud Wike»  transkribiert und in der dazugehörigen Fussnote auch gleich als «Die Burg Wikon, Pf. Rieden, Ct. Luzern...» erklärt.

Die für mich plausibelste Hypothese wäre, dass der im elektronischen Archivkatalog gelandete Eintrag als irrtümlich für die Druckausgabe nicht korrigiertes Relikt einer unklaren Lesung der später als «apud Wike» aufgenommenen Passage zu verstehen ist.

Wädenswil-Connection?

Martin Leonhard vom Staatsarchiv des Kantons Zürich hat sich diese Passage freundlicherweise ebenfalls angesehen und überprüft, ob auch im Original «apud Wike» steht. Wenn das nämlich nicht der Fall wäre (und man die Ortsbezeichnung als «Wich», «Wiach» o.ä. lesen müsste), dann würde es aus Sicht der Weiacher Ortsgeschichte spannend. Man müsste sich dann nämlich fragen, was die Edlen von Wädenswil mit Weiach zu tun hatten. Leonhard antwortete am 25. April 2018:

«Zu Ihrer Frage betr. UBZH 5.342: Die Verzeichnung im Archivkatalog geht auf die (widersprüchlichen) Angaben im Urkundenbuch zurück: "Weiach (?)" im Kopfregest vs. "Die Burg Wikon, Pfr. Rieden [heute: Reiden], Ct. Luzern" im Kommentar. Die Orts- und Flurnamen des Bezirks Willisau, in dem Wikon liegt, sind in der Reihe der Luzerner Namenbücher noch nicht bearbeitet. Das Lexikon der Schweizerischen Gemeindenamen führt den Beleg nicht auf (Wikon ist auch eine Gemeinde), die dortigen Belege zu Wikon einerseits, und zu Weiach anderseits schliessen Weiach aber wohl aus (vgl. vorläufig https://search.ortsnamen.ch/, zukünftig dann http://www.ds.uzh.ch/zuerchersiedlungsnamen/)»

Entsprechend hat Leonhard im Archivkatalog den Vermerk «Weiach (?)» durch «Wikon (?)» ersetzt.

Wike: der Beweis im Original

Ist also die Annahme plausibel, dass es sich beim Eintrag «Weiach (?)» im Kopfregest lediglich um ein redaktionelles Versehen der Bearbeiter gehandelt hat? Ja, sagt Leonhard: «Die Lesung «a predicta Elisabeth apud Wike» scheint mir hier sehr plausibel»:


Und fügt hinzu: «In den Urkundenbüchern sind im Gegensatz zu den Lesungen noch verschiedene Ortszuweisungen etwas seltsam, weswegen jeweils Vorsicht geboten ist.» (e-mail vom 2. Mai 2018).

Daraus lässt sich schliessen, dass die Bearbeiter der Kopfregeste und die Erarbeiter der Kommentare ihre Arbeiten nicht genügend abgeglichen haben. 118 Jahre später ist nun zumindest dieser Punkt bereinigt.

[Veröffentlicht am 2. Juni 2019 um 12:17 MESZ]

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