Wir blättern diese Woche ja im autobiographischen Werk der aus Weiach stammenden amerikanischen Autorin Louise Griesser Patteson (1853-1922). Darin wird ein ganzer Strauss von Begebenheiten geschildert, die sich zu einem grossen Teil in Weiach zugetragen haben.
Im ersten Kapitel findet sich eine Beschreibung des Weiacher Armenhauses und seiner Bewohner. In den Jahren, um die es in Pattesons Werk geht, wurden Armengenössige in einer der Gemeinde gehörenden Liegenschaft einquartiert, die direkt am Friedhof lag, nämlich dort, wo sich seit 1857 das Alte Gemeindehaus befindet. Und um diese Bewohner geht es im Folgenden:
«There was in our village a poor-house. In it on the ground floor lived an old couple known as the Christofels. They had a goat, for in Switzerland the goat is the poor man’s cow. Every so often there were baby goats. We called them "gitzeli", and they were very lively little playmates. I do not remember where the mother-goat stayed nights, but the gitzeli had their bed under a bench in the living-room, and in daytime they were all about the house.»
Allein schon bei dieser Schilderung der Lebenssituation dieses alten Paares würden heutige Sozialarbeiter die Krise bekommen. Nutztiere, die mit den Menschen in der Stube leben? Die dort natürlich auch ihre Böhnlein und ihren Urin hinterlassen? Geht schon einmal gar nicht. Doch lesen wir weiter:
«Frau Christofel always served whatever they had at a meal in a big brown dish. From a leather strap tacked to the wall in loops, each took a spoon and both ate from the same dish. They never invited me to eat with them, but that was, I suppose, because they had only those two spoons.
Up-stairs in the same house lived a family with children. The house was so very old it had to be torn down, but those people just wouldn’t move. I was in their room one morning when they were eating breakfast and one side of the building was already gone, so that I could look right out into the churchyard. But finally they did go, and then the village built a fire-engine house on the spot, with some rooms up-stairs where the band used to play.»
Nun, ganz so alt wie die Autorin es darstellt, war das Haus dann doch nicht. Es wurde 1802 als Ersatz für das 1799 abgebrannte Mehrzweckgebäude (Gemeindehaus und Schulhaus in einem) errichtet. Und war krisenbedingt wohl nicht gerade von allzu bester Qualität. So könnte sich der baufällige Zustand nach rund 50 Jahren erklären. Eine weitere Erklärung läge darin, dass die Gemeinde nach dem Bau des Alten Schulhauses und dessen Eröffnung im November 1836 wohl nicht mehr allzu viel in das Gebäude an der Friedhofmauer investiert hat. Spätestens ab 1851 war nämlich die Armengemeinde Weiach Besitzerin der Liegenschaft.
Und dann kam Ende 1856 der Entscheid der Politischen Gemeinde, ein neues Gemeinde- und Spritzenhaus zu bauen, der 1857 auch umgesetzt wurde. Die von der Autorin Luisa Griesser erlebte drastische Massnahme, die friedhofseitige Mauer schon abzureissen, bevor die Bewohner ausgezogen waren, belegt eindeutig, dass es sich bei diesem Armenhaus um den Vorgängerbau des Alten Gemeindehauses gehandelt haben muss. Denn sonst konnte und kann man von nirgendwoher direkt in den Friedhof schauen.
Auch dass die Autorin das neu erstellte Gebäude als Feuerspritzenhaus bezeichnet, ist ein weiterer Beweis für ebendiesen Standort. Interessant der Umstand, dass es damals eine Dorfmusik gab, die im Gemeinderatszimmer im Obergeschoss ihr Übungslokal hatte.
Quelle und Literatur
- S. Louise Patteson: When I Was a Girl In Switzerland. Lothrop, Lee & Shepard Co., Boston, October 1921 [Elektronische Fassung auf archive.org; PDF, 11 MB] – S. 20-21.
- Brandenberger, U.: Dreissig Tannen, vierzig Eichen und eine neue Feuerspritze. Warum vor 150 Jahren das Alte Gemeindehaus erbaut wurde. Weiacher Geschichte(n) Nr. 98; In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Januar 2008 – S. 12-17.
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