Sie finden, die Grünen in Deutschland seien Extremisten, wenn sie fordern, den Warenverkehr auf Lastenfahrräder umzustellen? Da liegen Sie falsch: das sind alles blosse Epigonen.
Denn schon exakt heute vor einem halben Jahrhundert gab es Journalisten, die nicht etwa geschrieben haben, man müsse den Lastwagen den Kampf ansagen, oder eine Spezialmilitäroperation in die Wege leiten.
Halter und Lenker ins Visier genommen
Nein, nein. Ein richtiger Krieg musste es für die 1935 von Gottlieb Duttweiler gegründete Zeitung Die Tat und deren Redaktor mit dem Kürzel «srt» dann schon sein. Er führt denn auch gleich Beispiele aus drei verschiedenen Landesgegenden an, wie die Gegenmassnahmen ausgesehen haben:
«Rigoros vorgehen will die Basler Polizei künftig gegen all jene Fahrzeughalter und -lenker, deren Vehikel falsch oder zu stark beladen sind. Auf diese Weise soll, wie aus einer Mitteilung des Polizeidepartements Basel-Stadt hervorgeht, verhindert werden, dass Material wie Kies, Kehricht oder Industrieabfälle verloren wird, die Strassen beschmutzt und darüber hinaus andere Strassenbenützer gefährdet. Die hohen Kosten der nach Verschmutzungen notwendigen Strassenreinigungen sollen auf die Verschmutzer abgewälzt werden.
Da sich in jüngster Zeit auch im Kanton Zürich eine vermehrte Opposition gegen die stetig zunehmenden Lastwagenimmissionen bemerkbar gemacht hat, erkundigten wir uns bei verschiedenen Polizeidienststellen des Kantons nach deren Massnahmen gegen die das Strassenverkehrsgesetz missachtenden Lastwagenchauffeure und -halter. Die Polizeiposten der Ortschaften Dielsdorf, Rümlang, Oberglatt und Bülach, alles Gemeinden, deren Einwohner unter dem starken Lastwagenverkehr im Zusammenhang mit der Kiesgrube Weiach zu leiden haben, erklärten sich jedoch ausnahmslos für inkompetent, da Verkehrskontrollen Sache der zentral in Zürich geleiteten Verkehrsabteilung seien. Tatsächlich führt die Verkehrsabteilung der zürcherischen Kantonspolizei seit längerer Zeit gezielte Verkehrskontrollen durch, die u. a. auch zur Erfassung von Strassenbenützern führen sollen, deren Lastwagen entweder überladen sind oder sonstige technische Mängel aufweisen. Die Resultate seien, wie ein Sprecher betonte, überaus schlecht. Trotz der Erhöhung der Gewichtslimiten würden die Fahrzeuge regelmässig überladen. Offenbar nehmen verantwortungslose Transportunternehmer die zu gewärtigenden Bussen in Kauf, da der aus dem Ueberladen erzeugte Profit diese übersteigen. Die Leitung der Verkehrsabteilung hat inzwischen auch die Verkehrspatrouillen angewiesen, ein spezielles Augenmerk auf die Lastwagen zu richten.»
Interessant, wie damals das Wort «inkompetent» (in der Bedeutung «unzuständig») noch nicht als abwertend empfunden wurde. Doch weiter im Text:
«Auch die St. Galler Gemeinde Uznach kennt das Problem der Lastwagenimmission. Die zwischen dem Kieswerk Gommiswald und der Kieswäscherei am See gelegene Ortschaft erlebt täglich etwa 6600 Lastwagendurchfahrten. Eine Umfahrungsstrasse ist geplant, doch nicht von heute auf morgen zu realisieren. Der Gemeinde gelang es nun nach Auskunft der Polizei nach einer Aussprache mit dem Unternehmer, die Chauffeure zu einem tolerierbaren Fahrverhalten zu bewegen. Die Lastwagen durchfahren den Kern des Dorfes mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h. Auch die Fälle von überladenen Fahrzeugen sind selten geworden. Immerhin leiden die Dorfbewohner nach wie vor stark unter den Immissionen. Von den 1969 anlässlich der 500-Jahr-Feier Uznachs vorgenommenen Häuserrenovationen ist nichts mehr zu sehen. Auf einer Strassenlänge von 15 Metern kann abends jeweils eine Schaufel von Lastwagen stammendem Schmutz weggetragen werden ... srt»
Vor 50 Jahren waren also die sogenannten «Kiesbomber» (bspw. der Kipper Hanomag-Henschel F 221) offensichtlich gleich in mehrfacher Hinsicht ein Problem. Durch Belästigung mit Lärm und verlorenem Ladegut. Generell aufgrund von Sicherheitsrisiken infolge Überlast und Defekten. Oder aufgrund des Akkordsystems und der dadurch bedingten riskanten Fahrweise. Fahren wie im Wilden Westen sozusagen, vgl. WeiachBlog Nr. 332.
Kanton Zürich setzte für Autobahnbau schon früh auf Kieszüge
Das Einzugsgebiet der Kiestransporter war (und ist) aus Kostengründen auf einen relativ kleinen Umkreis um den Abbauperimeter der Weiacher Kies AG verteilt. Für grössere Strecken und Mengen setzte die Mutterfirma Haniel konsequent auf den Bahntransport. Die ockerfarbenen Schüttgüterwagen waren ab der Betriebsaufnahme ein schlagendes Verkaufsargument.
So zum Beispiel für den Kanton Zürich, der die Anlieferung des Kieses zum Bau der Autobahn A3 ab Zürich-Brunau über den Seerücken Richtung March-Gaster, Glarnerland und Walensee bereits 1963 (!) über das Schienennetz zu Umladepunkten im Sihltal und von dort mittels Förderbändern in die Nähe der Trasse bewerkstelligen liess. Erst von diesen Endpunkten aus fuhren dann wieder Lastwagen.
Quelle und Literatur
- Polizei sagt Lastwagen den Krieg an. In: Die Tat, 8. November 1972 - S. 20
- Abenteuer mit einem Kiesbomber. WeiachBlog Nr. 332 v. 2. Dezember 2006.
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