Montag, 8. Januar 2024

Taufsteinteppich und Chorfenster. Ein Korrigendum zur Fachliteratur

Zum neuen Kunstdenkmälerband (vgl. WeiachBlog Nr. 2021) habe ich bereits im alten Jahr erwähnt, dass für mich bei der Lektüre des Weiacher Abschnitts einige «Wow»-Momente drin waren. Aber auch «Oje»-Vorfälle. «Oje!», weil vermeidbare Fehler nun in gedruckter Form für Jahrzehnte in Bibliotheken in aller Welt gestellt werden. Zeit für Korrekturvermerke. 

Einen der ärgerlicheren Fälle findet man im Abschnitt über die Weiacher Kirche:

«Die Glasmalereien der Chorfenster und der Teppich im Chor von Ruth von Fischer wurden 1981 von der Genossenschaft Kaiserstuhl-Fisibach gestiftet.» (Kerstan 2023, S. 487)

Leider sind das gleich zwei Fehler in einem Satz. Ja, Ruth von Fischer (1911-2009) war – auch nach ihren eigenen Angaben – an diesen beiden Kunstobjekten im Innern der Weiacher Kirche beteiligt. Aber: Der Teppich ist älter und die Stifterin der Fenster heisst nicht so wie angegeben.

Die Genossenschaft ist eine Kirchgenossenschaft

Ob es noch andere Genossenschaften gab bzw. gibt, die in unserem Westen gemeindeübergreifende Tätigkeit entfaltet haben, ist mir nicht bekannt. Der korrekte Name der über Jahrzehnte mit der Kirchgemeinde Weiach eng verbundenen Genossenschaft lautet jedenfalls: Evang.-ref. Kirchgenossenschaft Kaiserstuhl-Fisibach (vgl. u.a. WeiachBlog Nr. 396 v. 23. Februar 2007).

Foto: Archiv Ruth v. Fischer. (U. Brandenberger, 2019)

Richtig ist, dass die farbigen Chorfenster von der Kirchgenossenschaft finanziert worden sind. Ob auch der Teppich, der den Taufstein einfasst, von ihr gestiftet wurde, muss noch abgeklärt werden.

Teppich rund ein Jahrzehnt älter

Über sein Alter liegen uns hingegen sachdienliche Informationen vor. Dass der Teppich nicht ebenfalls aus dem Jahre 1981 stammt, kann man bereits seit mehr als vier Jahren in WeiachBlog Nr. 1446 nachlesen:

«Im Spätsommer 1981 wurden die farbenfrohen Fenster im Chor der evangelisch-reformierten Kirche Weiach eingeweiht. Sie sind gestiftet von der damals noch über einen Pastorationsvertrag mit Weiach verbundenen Kirchgenossenschaft Kaiserstuhl-Fisibach (vgl. WeiachBlog Nr. 396). Gestaltet wurden sie durch Ruth von Fischer, die bereits den Teppich entworfen hat, der seit 1970 den Taufstein umgibt.»

Wie der Fehler zustande gekommen ist, lässt sich erahnen, wenn man die Broschüre zum 300-jährigen Jubiläum des Kirchenbaus konsultiert, wo es heisst

«Auf ihrem «Objektblatt Kirche Weiach» notierte die Kantonale Denkmalpflege 1981: «In dem chorartig um drei Stufen erhöhten Polygon steht der Taufstein in der Form eines Kelches, datiert 1706. Der von Frau Fischer, Zürich, gewobene Teppich unter dem Taufstein setzt einen erwünschten Farbakzent.» Gemeint ist: Ruth von Fischer.» (Brandenberger 2007, S. 32)

Diese Inventarisierung erfolgte im Februar 1981, die farbigen Fenster wurden hingegen frühestens in der zweiten Julihälfte eingebaut (vgl. WeiachBlog Nr. 1448).

Textilkunstwerk mit zwei Müttern

Mathilde Ruth von Fischer (1911-2009), laut SIKART-Lexikon «Zeichenlehrerin und Malerin. Textilkunst, Wandteppich, Linolschnitt, Zeichnung und Collage» (Personeneintrag 587), war die Designerin des Teppichs. Die eigentliche Umsetzung in handfestes Material hingegen besorgte Regula Frieda Hahn (1926-2011), nach SIKART «Textilkünstlerin und Malerin, Linolschnitt und Zeichnung» (Personeneintrag 687).

Die aktuelle Neidhart&Lhôte-Orgel auf der Empore wurde bereits am 26. Oktober 1969 eingeweiht (vgl. WeiachBlog Nr. 1414). Im Jahr darauf ist dann auch der Taufsteinteppich hinzugekommen.

Zur Feierstunde am Sonntag, den 31. Mai 1970, 16.15 Uhr traten «André Luy, Organist der Kathedrale Lausanne und die Orchesterschule der Zürcher Kammermusiker unter der Leitung von Brenton Langbein» auf, wie die Einladungskarte verrät, die Ruth von Fischer im Faszikel Weiach archiviert hat (vgl. Bild unten). Sie spielten französische Musik für Orgel und Streicher.

Ein handschriftlicher Bleistift-Vermerk durch Ruth von Fischer erklärt auch den Grund für die Aufnahme der Einladung in ihre Werkdossiers: «Teppich unter Taufstein von R v Fischer entworfen  ausgeführt von Regula Hahn».

Textentwürfe für die Publikation zum Kirchenbezirk

Die ursprünglich auf den Abschluss der Renovationsarbeiten des Jahres 2020 geplante Broschüre zum Kirchenbezirk ist bekanntlich bis auf Weiteres auf Eis gelegt. Im Entwurf stehen aktuell folgende Einträge zur Chronologie: 

«1970: Der von Regula Hahn gewebte Teppich in Form eines konzentrischen Quadratrahmens (Gestaltung: Ruth von Fischer) wird um den Taufstein ausgelegt.»

«1981: Von der evangelisch-reformierten Kirchgenossenschaft Kaiserstuhl-Fisibach gestiftete farbige Chorfenster werden installiert. Für die Gestaltung verantwortlich war Ruth von Fischer, für die Herstellung Albert Rajsek in Boswil (Freiamt, Kt. Aargau).»

Quellen und Literatur

  • Archiv Ruth von Fischer; Faszikel Weiach. In: Gosteli-Stiftung. Archiv zur Geschichte der Schweizer Frauenbewegung. Signatur: AGoF 605.11
  • Kantonale Denkmalpflege, Zürich: Dossier Weiach. Objektblatt Kirche Weiach. Inventarisiert Februar 1981, mit Nachtrag Januar 1990.
  • Brandenberger, U.: «ein nöüer Kirchenbauw allhier zu Weyach». 300 Jahre Kirche Weiach, 1706–2006. Herausgegeben von der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Weiach und der Ortsmuseumskommission Weiach. 68 S. – 1. Aufl., Weiach 2006; 2., korrigierte und ergänzte Aufl., Weiach 2007.
  • Brandenberger, U.: Die Einweihung unserer Neidhart&Lhôte-OrgelWeiachBlog Nr. 1414, 26. Oktober 2019
  • Brandenberger, U.: Die Sprossenteilung schützt gegen das «Auslaufen» des Raumes. WeiachBlog Nr. 1446, 20. Dezember 2019.
  • Brandenberger, U.: Ruth von Fischer zur Entstehung der Weiacher Chorfenster. WeiachBlog Nr. 1447, 21. Dezember 2019.
  • Brandenberger, U.: Die profanen Hintergründe eines KunstwerksWeiachBlog Nr. 1448, 22. Dezember 2019.
  • Kerstan, A.: Kirchenbezirk: ref. Kirche, Pfarrhaus und Pfarrscheune, Büelstrasse 15, 17, 19. In: Crottet, R.; Kerstan, A.; Zwyssig, Ph.:  Der Bezirk Dielsdorf. Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Neue Ausgabe VII. (zugl.: Die Kunstdenkmäler der Schweiz (KdS), Bd. 146.) Bern 2023 – S. 485-489.

Keine Kommentare: