«Der Erlös des Weychtreffs wird zugunsten des Grillplatzes Stocki verwendet». So wurde es vom organisierenden Familienverein Weiach angekündigt. Und laut Mitteilungsblatt Juli 2024, S. 4, sollen dort nun auch – durch die Gemeinde selber mit dem Fünffachen des Erlöses bezuschusst – insgesamt 12000 Franken investiert werden.
Man kann dort oben natürlich auch bräteln gehen, ohne zu wissen, was hinter dem Flurnamen Stocki steckt. Hier sei ihm aber trotzdem einmal auf den Grund gegangen.
Das ist – dem auf den diesjährigen Bächtelistag auch in gedruckter Form publizierten Zürcher Siedlungsnamenbuch sei Dank – nicht allzu schwierig. Dessen Inhalte sind nämlich auf der Website ortsnamen.ch in einer Datenbank abgelegt. Zusammen mit vielen weiteren Daten aus unserem und anderen Kantonen. Die Sammlung ist zwar noch längst nicht vollständig, die Toponomastik (Ortsnamenforschung) ist ja auch ein über viele Generationen laufendes Projekt. Aber man kann sich doch schon einen recht guten Überblick verschaffen.
In Glattfelden ein Quartier...
Die Ortsbezeichnung «Stocki» (seltener «Stöcki») findet man recht häufig. In der Nachbargemeinde Glattfelden war das sogar eine Häusergruppe südlich des alten Dorfkerns (heute mitten im überbauten Gebiet). Zu dieser Örtlichkeit gibt die Datenbank folgende Deutung:
«Dem SN [Siedlungsnamen] liegt eine Flurbezeichnung zum Subst. schwzdt. m. Stock ‹Baumstamm, Baumstrunk, Wurzelstock› (s. ausführlich Gerenstöck, Gde. Oetwil am See) mit dem Diminutivsuffix schwzdt. n. -i zugrunde, womit urspr. ein ‹kleines, durch Niederbrennen und Ausstocken der Bäume gerodetes Gebiet› benannt wurde. Das Toponym ist in der Deutschschweiz häufig.» (ortsnamen.ch; Eintrag 7020277)
«Seine Grundbedeutung ist ‹Baumstrunk, Holzpflock, (Spazier-)Stock› u.ä. [...] Ausgehend von der Grundbedeutung ‹Baumstrunk› werden stock-Namen meist zu den Rodungsnamen gezählt (vgl. BLNB; SZNB; TGNB). Beim sog. Ausstocken, einer bestimmten Rodungsart, wurden Baumstrünke zunächst noch im Boden gelassen (vgl. Keinath). [...]» (ortsnamen.ch; Eintrag 7042048)
... in Weiach eine aufgegebene landwirtschaftliche Fläche?
Bei uns liegt die Flur Stocki am Nordabhang des Sanzenbergs, auf dem heute weitgehend Hochwald stockt. Das war nicht immer so, wie man, abgeleitet von obigen Deutungen, annehmen muss.
Unser unterhalb der Brunnhalde gelegene Stockiwald war entweder ein immer wieder auf den Stock gesetztes (und für Weidezwecke genutztes) Waldstück oder eben doch, wie von den Sprachgelehrten vermutet, ein eigentlich für rein landwirtschaftliche Zwecke gerodetes Gebiet, in dem (zumindest anfangs, als der Flurname geprägt wurde) die Baumstümpfe und Wurzelstöcke noch sichtbar waren.
Aus dem gerodeten Gebiet kann dann auch wieder Wald werden, wie heute. Dass dem schon vor 175 Jahren nachweislich so war, zeigt der entsprechende Ausschnitt der Wildkarte (Aufnahme zw. 1845 und 1848):
Der Flurname «Stockihau», der in der Schreibweise «Stocki Hau» schon auf dem Forstplan vom Mai 1820 prominent verzeichnet ist, nämlich über die ganze Fläche des heutigen Stocki hinweg (vgl. StAZH PLAN P 687.1, s. Bildausschnitt unten), verweist darauf, dass der Flurname Stocki noch viel älter ist. Der Zusatz «Hau» belegt nämlich gleich zwei Kahlschlagphasen.
Belege in den Hexenprozess-Protokollen
Den ältesten auf Weiach bezogenen Beleg für den Flurnamen, nämlich «Stocky», verdanken wir dem Protokollführer in den Hexenprozessen von 1539, die in Todesurteilen für drei Weiacherinnen endeten:
«Jtem me hett sy veriechen, wie sy mit dem vech uß dem Stocky syge gfaren um den mitten tag, do lege ein haß in studen.» (SSRQ ZH NF II/1; Rechtsquellen Neuamt, Nr. 176, S. 392, Z. 19-20)
Mit «sy» ist Elsa Keller, genannt Schlotter Elsi, gemeint, die hier einen weiteren Geständnispunkt abgelegt hat (nämlich, dass sie den Teufel in Hasengestalt gesehen hatte, vgl. WeiachBlog Nr. 454).
Diese Frau, wie auch alle weiteren als Hexen angeschwärzten Weiacherinnen, war wirtschaftlich alles andere als auf Rosen gebettet. Sie dürfte daher an besagtem Tag mit ihrem Vieh aus einer dem Gemeinwesen gehörenden Weidefläche mittags wieder nach Hause «gefahren» sein (wie man das damals nannte).
Der Stockiwald als Tatort für Hagelverbrechen
Im Hexenprozess gegen Verena Meyer von 1589 wurde der Stockiwald gar zum Tatort für eine Wettermanipulation:
«Sodann bei [vor] zwei Jahren ungefähr [d.h. ca. 1587] sei abermals der böse Geist in obgemeldeter Gestalt [eines Mannes] in dem Holz, Stocke genannt, zu ihr gekommen und habe sie angereist, mit einem ehernen Hafen, darin allerlei Zeugs gewesen sei, in seinem, des Bösen, Namen etwas vorzunehmen. Das habe sie getan und sei darauf zur Stunde ein [Un]wetter mit Regen und Hagel über das Wehntal gegangen.» (Zitat nach den Transkripten von Otto Sigg. Vgl. StAZH B VI 264 (fol. 45 v - 47 r). Hexenprozess des Malefizrats gegen Verena Meyer von Weiach mit Todesurteil und Hinrichtung)
Hier wird der «Stocke» als Wald bezeichnet. Es dürfte sich aber auch in diesem Fall um die Nutzung als Waldweide gehandelt haben.
Exakt dasselbe Tatmuster findet sich auch in einem weiteren Prozess, der im Jahre 1616 gegen die in Kaiserstuhl verheiratete und dort wohnhafte Barbara Baltsin (auch: Balthasin) von Weiach geführt wurde. Laut Protokoll hat sie u.a. gestanden:
«Zum andern habe selbiger angezogene ihr Buhl – so sich Fifel genannt – sie in dem Holzwald, Stocki genannt, behende ihr einen Hafen zugestellt und was darin, dass sie sollte einen Hagel machen.» (Zitat nach den Transkripten von Otto Sigg; s. Quellen und Literatur)
Auch dieses Geständnis der Teufelsbuhlschaft verbunden mit einem durch die Hexe als inkarnierter Person bewirkten Schadenzauber endete mit einem Todesurteil. Aber wenigstens nicht mit Verbrennung bei lebendigem Leib. Das Urteil des Landgerichts Baden im Aargau lautete auf Tod durch das Feuer, wobei Baltsin danach zu Enthauptung mit anschliessender Verbrennung begnadigt wurde.
Diese drei Passagen illustrieren sehr eindrücklich, wie ein Gebiet genannt «Stocky» in der Frühen Neuzeit als Waldweide diente. Und die Annahme, es handle sich um unseren heutigen Stockiwald liegt nahe. Denn dieses Gebiet ist seit alters her im Gemeineigentum. Und den Namen eines solchen Allmendgebiets kannte über Generationen jeder Einwohner der Gemeinde. Der Flurname Stocki könnte also mehr als ein halbes Jahrtausend alt sein.
Heisst es «der Stocki», «die Stocki» oder «das Stocki»?
Bleibt noch die Frage nach dem richtigen Pronomen. Ist ja in unserer hyperwoken Zeit enorm wichtig, nicht wahr?
Ein Beleg aus dem Urbar des Amtes Oetenbach von 1560 (StAZH F II a 318, fol. 249v) bezeichnet ein zinspflichtiges Grundstück mit dem Flurnamen «Im Stockj wäg», womit der Weg hinauf in den Stockiwald gemeint sein könnte.
Ein Eintrag im Glattfelder Kirchenbuch vom 12. Dezember 1724 nennt als Wohnort des Bräutigams: «In der Stocki» (StAZH E III 43.2, EDB 274). Für die Verortung siehe Ausschnitt aus der Wildkarte oben. Die Glattfelder gingen also von einem Maskulinum aus, obwohl dort seit Jahrhunderten kein Wald mehr ist.
Gemäss Zürcher Siedlungsnamenbuch lautet der Hofname des Höbrig (gemäss Wildkarte: «Höhberg b. Stocki») «Höhberg bei Stocki», die Siegfriedkarte schreibt explizit: «Höhberg bei Stocki». Es heisst also: «bei der Stocki», nicht «beim Stocki».
Lehrer Adolf Pfister hat zwischen 1936 und 1942 den folgenden Beleg notiert: «Stocki, di hinder St., di vorder St.» (Quelle: Ortsgeschichte-Ordner Zollinger/Pfister). Der Stockiwald wird hier also vom Dorf aus gesehen räumlich unterteilt. Ob man das als Femininum werten soll?
Laut ortsnamen.ch (nach dem Zürcher Siedlungsnamenbuch) ist die von Prof. Boesch 1958 erfasste Mundartform dann aber eindeutig: «Im Stocki». Man könnte das jetzt als Neutrum verstehen. Oder eben als Beleg für ein verstecktes Maskulinum, wobei «Stockiwald» zu «Stocki» verkürzt wurde. Wenn ein Wald zu lange ein Wald ist und nichts anderes, dann hat das in den Köpfen Folgen.
Quellen und Literatur
- Keinath, Walther: Orts- und Flurnamen in Württemberg. Hrsg. vom Schwäbischen Albverein e.V. Stuttgart 1951.
- Sigg, Otto: Hexenverfolgung der alten Eidgenossen in der Grafschaft Baden (hauptsächlich Bezirke Baden und Bad Zurzach im Kanton Aargau sowie Bezirk Dietikon im Kanton Zürich). 1. Aufl. Winterthur, Januar 2021, S. 125-129
- Siegfried-Schupp, Inga: Von Angst und Not bis Zumpernaul. Siedlungsnamen im Kanton Zürich. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich (MAGZ), Bd. 91, Zürich 2024.
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