Montag, 1. Januar 2007

Lukratives Wohnen

Die Marketingsprache ist ein seltsames Instrument der Sprachschöpfung. Geboren aus dem Zwang, beim potentiellen Kunden genau die richtigen Knöpfe zu drücken, die bei ihm Interesse oder gar den Kaufentscheid auslösen, werden da frischfröhlich sprachliche Neukompositionen auf den Schild gehoben und ins Kampfgetümmel geworfen.

Die zum Titel dieses Neujahrsbeitrags erkorene Kombination habe ich auf Immohit.ch gefunden. Da wird sogar noch eins draufgesetzt. Gleich zwei Reizwörter rüsten auf zur Killerapplikation:

«Lukratives Wohnen im sehr steuergünstigen Weiach (Zürich Unterland)»

Wenn es darum geht, den Antisteuern-Reflex im Menschen auszulösen, dann ist eine solche Schlagzeile natürlich unschlagbar. Aber wahrscheinlich ist das auch nötig, wenn man eine grad jüngst neu erstellte 4½-Zimmer-Wohnung (115 m2) an der Stockistrasse 2a (d.h. im Ortsteil Chälen und damit nicht am Sonnenhang) für 2'130 Franken im Monat vermieten will.

Etwas weniger marktschreierisch aber immer noch klar auf die monetäre Karte setzend, die Headline «Steuergünstig Wohnen» für eine 5-Zimmer-Wohnung an der Bergstr. 6 (120 m2 für 2'211 Franken pro Monat).

Werben mit der Steuergunst ist wirklich sehr beliebt. «Gemütliche Dachwohnung im steuergünstigen Weiach» ist schon das dritte Beispiel auf immohit.ch - hier für eine Dach-Wohnung an der Stadlerstrasse 17 (dem mittleren Post-Gebäude, vgl. WeiachBlog vom 1. Mai 2006). Nur 3 Zimmer, aber 115 m2. Zum Spotpreis von 1'600 Franken. Ok, die Wohnung liegt an der Kantonsstrasse mitten durchs Dorf. Günstig ist das dennoch nicht.

«Wohnen wird sich für Sie lohnen...»

Der Preis für die sprachliche Kür im privaten Steueroptimierungswettbewerb geht aber klar an eine Wohnung an der Winkelstrasse, die zum Kauf steht: 4½ Zimmer, 103 m2, Fr. 337'000.-

Irgendwie muss man schliesslich aus der NZZ-Schlagzeile «Die Weiacher haben deutlich mehr vom Lohn» etwas herauszuholen versuchen. Die zahlungskräftigen Zeitgenossen sollen schliesslich nicht alle in den Kanton Zug oder noch weiter weg in die Zentralschweiz abhauen.

Scheele Blicke aus dem Zurzibiet

Dass solche Marktschreierei nichts Neues ist, konnte man schon vor etwas über zwei Jahren in der Aargauer Zeitung lesen. Die liess sich über das Marketing des Bezirks Zurzach und einiger Weiacher wie folgt aus:

«Die Zurzibieter sind sich der Schönheiten ihrer Gegend bewusst und wissen diese mittlerweile auch zu vermarkten. Standortmarketing heisst das Zauberwort. Ensprechend wird im Bezirk geweibelt, organisiert, über die Bezirksgrenzen hinaus lobbyiert. Mit dem Ziel, hoffnungsvolle und erfolgreiche Unternehmen, Arbeitsplätze und damit auch neue Steuerzahler in den Bezirk zu holen. Man hat erkannt, dass Stillstand Rückschritt bedeutet. Allerdings wäre es manchmal besser, wenn der Hebel auch in den eigenen Gemeinden angesetzt würde.

Denn im gemeinsamen Gemeinde-Mitteilungsblatt von Fisibach und Kaiserstuhl ist ein rund halbseitiges Inserat erschienen, das nicht unbedingt den Standortmarketing-Bemühungen im Zurzibiet entspricht. «Wohneigentum in der Steueroase Weiach», lautet der Titel. Angeboten werden Eigentumswohnungen in einer «ästhetisch ansprechenden Überbauung mit vier Mehrfamilienhäusern in klassischer Architektur».

Die Vorzüge Weiachs werden mit den wohlklingendsten Adjektiven angepriesen. Wie zum Beispiel «Autobahnanschluss in nur 2 Kilometer Entfernung». Immerhin gibts dann doch noch einen positiven Bezug zum Zurzbiet: «Direkte Busverbindung zum Nachbarort Kaiserstuhl», heisst es. Das liesse auch den Umkehrschluss zu, dass die Weiacher ebenso gut ins aargauische Städtlein ziehen könnten und weiterhin eine gute Verbindung in ihre Gemeinde hätten.
»

Mittlerweile hat das Zurzibiet mit einer eigenen Image-Kampagne samt Website reagiert. Und der WeiachBlogger ist gespannt, was die künftigen Jahre an Marketingsprüchen noch bringen werden. Besonders interessant wird es dann, wenn mit der Erschöpfung der abbaubaren Kiesreserven die Zeit der tiefen Steuerfüsse unwiederbringlich zu Ende geht.

Quellen
  • Am Wochenende des grossen Weinfestes Wasser gepredigt. In: Aargauer Zeitung, 9. Oktober 2004.
  • Die Weiacher haben deutlich mehr vom Lohn. Wo das Leben im Grossraum Zürich wie teuer ist. In: Neue Zürcher Zeitung, 27. Juli 2006.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie pendelt sich von Weiach nach Zürich? Ich glaube in Erinnerung zu haben, dass Du auch schon geschrieben hast, dass es komfortabler sein könnte?

Wiachiana-Verlag hat gesagt…

Komfortabel genug ist es meines Erachtens bereits. Ausser man schleppe kiloweise Einkäufe o.ä. mit sich.

Mein Ärger bezog sich mehr auf einige Taktlücken, in die hineinfällt, wer den Fahrplan nicht genau liest.

Ansonsten ist das Pendeln nach Zürich für mich höchstens eom Problem der Zeitökonomie und der Energieressourcenverschwendung.

Lippel kwg hat gesagt…

Schöner Bericht. Und ganz schön krasse Preise bei euch.... Aber als Schweizer verdient man ja mehr. Etwas Frust muss man ja auch mal rauslassen. Gerade bei Wohnungen und anderen Immobilien macht das auch Sinn (habe z.B. das hier auch gefunden über die KWG Hausverwaltung