Samstag, 7. April 2012

«Zementbarone und Trusthalunken»

Im Artikel vom 31. März wurde rekapituliert, warum es um die Weiacher Kies AG vor 50 Jahren zu einer heftigen politischen Auseinandersetzung kam.

Mit Redner Nummer 17 der Kantonsratsdebatte zur Frage der «Beteiligung des Kantons Zürich an einer Aktiengesellschaft zur Ausbeutung von Kies in Weiach» kam es am 16. Oktober 1961 zum offenen Angriff der Ratslinken auf den LdU (Landesring der Unabhängigen, die Partei von Migros-Gründer Duttweiler, gegründet 1936, aufgelöst 1999). Mit markigen Worten wurde deren «Fahnenflucht» an den Pranger gestellt; sogar der Protokollführer notierte sie sich:

«P. Ackermann-Zürich wendet sich an den Landesring der sonst gegen Trust und Kartelle kämpft, heute aber erstaunlicherweise in Reih und Glied hinter den «Zementbaronen und Trusthalunken» marschiert. Was wird wohl Altmeister Gottlieb Duttweiler dazu sagen? Nachdem Regierungsrat Dr. P. Meierhans den Rat über die Monopolabsichten der Holderbank AG aufgeklärt hat, ist es unverständlich, dass die Landesring-Fraktion weiterhin deren Tendenzen unterstützt.»

LdU-Übervater Duttweiler starb im Juni 1962, lebte zum Zeitpunkt dieser Debatte also noch. Der Sukkurs für den sozialdemokratischen Regierungsrat Meierhans und seine Beteiligungspläne kam ganz eindeutig aus der linken Ratsecke.

Interessanterweise lief der Grosskonzern Haniel aus Deutschland für Kantonsrat Ackermann nicht unter dem Kampfbegriff «Zementbarone und Trusthalunken». Diese Bezeichnung war für die in der Schweiz dominante Holderbank und namentlich deren Besitzer, die Familie Schmidheiny reserviert (vgl. den WeiachBlog-Artikel vom 10. Juli 2011).

Quelle
  • Kantonsratsprotokoll 1961, S. 1803. Signatur: StAZH III AAg 1 37 LS
Jubiläum 50 Jahre Weiacher Kies AG
[Veröffentlicht am 10. April 2012]

Ein Duttweilerscher Begriff. Nachtrag vom 11. April 2012

Der Begriff «Trusthalunken» wurde von Gottlieb Duttweiler selber verwendet, wie man im deutschen Magazin Der Spiegel vom 17. November 1954, S. 36 nachlesen kann:

Er habe, heisst es da, neben seinen vielfältigen Aktivitäten noch «Zeit genug, hier einen Konzerndirektor öffentlich "verbrecherischen Trusthalunken" zu schimpfen (500 Franken Strafe) oder dort von einem leitenden Trustangestellten zu behaupten, er habe sich seinen Oberstengrad in der Schweizer Armee damit erkauft, daß er seinen militärischen Vorgesetzten Verwaltungssitze in der Konzernfirma zugeschustert habe (5000 Franken Buße, zehn Tage Gefängnis).»

Die zehnseitige Titelgeschichte des Spiegel 47/1954 mit dem Aufmacher «Die verkürzte Handelskette», aus der dieses Zitat stammt, ist es auch sonst wert gelesen zu werden. Die Wurzeln des Phänomens Migros werden dadurch wesentlich greifbarer.

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