Um eine Ziegelei wirtschaftlich betreiben zu können, sollten sich Rohstoffe, Brennstoffe und Abnehmer der produzierten Waren möglichst nahe bei der Produktionsstätte befinden. Das trifft insbesondere dann zu, wenn der Transport über weite Strecken mangels Verkehrsnetz zum Scheitern verurteilt ist.
Für das in der Mitte des 13. Jahrhunderts von einem hochadeligen Konsortium gegründete Städtchen Kaiserstuhl und sein Einzugsgebiet trifft das in fast schon idealer Weise zu. Den Lehm gibt es auf Fisibacher Gebiet (im Gebiet Leigrueb unterhalb des Tschudiwaldes, gleich ennet der Kantonsgrenze), In Weiach gibt es Kalkrippen, die oberhalb des gewachsenen Bodens anstehen, dazu viel Wald. Und in Kaiserstuhl ist Bedarf für Ziegel und Kalk vorhanden.
In Fisibach erst spät erwähnt...
Man darf annehmen, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt der Stadtgründung erste Ziegeleien errichtet worden sind. Denn wer eine Stadt baut, wo vorher keine war, der braucht Ziegel. Viele Ziegel. Unbekannt ist bislang der Standort dieser Ziegelhütten.
Für Fisibach, wo heute eine (verglichen mit der Grösse des Dorfes gigantische) Produktionsanlage der FBB Unternehmensgruppe aus Bauma steht, liegen dem Autor dieser Zeilen lediglich schriftliche Hinweise vor, die auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurückgehen. 1890 betrieb der Einheimische Rudolf Bucher gleich vier Gewerbe: eine Getreidemühle, eine Gypsmühle, eine Bäckerei und eine Ziegelei. Die Firmenzentrale befand sich in der sog. Bauernmühle, die damals noch an der Hauptstrasse Koblenz-Winterthur lag (vgl. SHAB Band 8 (1890), Heft 184, S. 884).
... in Weiach sehr früh
Für Weiach hingegen ist die Existenz einer Ziegelhütte bereits für das Spätmittelalter schriftlich bezeugt. Im Stadtarchiv Kaiserstuhl liegt die Pergament-Urkunde StAK Urk 43, die mit dem heutigen Datum exakt 600 Jahre alt wird.
Ausgestellt wurde sie gemäss Paul Kläui am 5. Oktober 1421, dem Sonntag nach St. Michael (Tag des Erzengels Michael, der in der Diözese Konstanz am 29. September gefeiert wurde). Nachstehend das Regest in vollem Wortlaut (Originalpassagen in Anführungszeichen, restlicher Text von Kläui):
Vor «Hans Glatt, zuo disen ziten sesshaft ze Keiserstuol», der «an statt des gnädigen herren hern Albrechtz Blarers in vogtz wise ze Kaiserstuol vor dem obern tor am Kugelhoff offenlich an gewonlicher richtstatt ze gerichte sazz», kauft «Haini Kessler von Siglistorff» von «Bärschy Friess» die «ziegelhütten ze Wyach im dorff gelegen mit aller zuogehört», mit der Verpflichtung, sie in Ehren zu halten und sie ohne Willen des Herrn von Konstanz und von Schultheiß und Rat von Kaiserstuhl nicht wieder zu verkaufen. Er übernimmt die Verpflichtung, «das er minem hern von Costentz und der statt Keiserstuol geben sölt ain tusend ziegel umb 36 schilling und ain fuoder kalchs umb 10 schilling haller.» Fertigung und Urkundenausstellung nach dem «gericht und gewonhait der vogty der vesty Wasserstellzen» auf Verlangen des Schultheißen von Kaiserstuhl, «Úelrich Öschli». Siegler: der Urkunder. - Orig. Perg. StAK Urk. 43. S. abgef. (AU XIII, Nr. 57, S. 34)
Notariat unter freiem Himmel
Hans Glatt war also der Amtsträger, der im Namen des Stadtherrn, Fürstbischof Albrecht Blarer, die Funktion des Richters wahrnahm und hier unter freiem Himmel, am Gerichtssitz vor dem oberen Stadttor, einen Pachtvertrag besiegelte. Der Kugelhof, der auch in der Weiacher Marchenbeschreibung von 1558 erwähnt ist (und beim blinden Lärmen 1703 in der Schreibweise «Gugelhof»), muss sich etwa dort befunden haben, wo heute das herrschaftliche Anwesen zur Linde steht, also gleich neben dem grossen Kaiserstuhler Turm.
Standort im Bühl zu Weiach
Bärschy Friess war der bisherige Ziegelei-Unternehmer, Haini Kessler aus Siglistorf der neue. Und es ist offensichtlich, dass diese Ziegelei nicht erst seit gestern in Weiach mitten im Dorf ihre Produktionsanlage betrieben hat. Als Standort ist der Hügel des Bühl anzunehmen, genauer: das Areal des Näpferhüsli in unmittelbarer Nähe zur heutigen Dorfkirche (vgl. WeiachBlog Nr. 944). Denn es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass man einen einmal gewählten Standort verschoben hätte, zumal nicht innerhalb eines Dorfetters, wo der Platz begrenzt ist.
Nutzniesser und Eigentümer der Ziegelhütte
Klar wird auch, wer die Nutzniesser sind: nämlich der Fürstbischof von Konstanz mit seinem Schloss Rötteln am nördlichen Brückenkopf, wo die Verwaltung ihren Sitz hatte, sowie die Stadt Kaiserstuhl am südlichen Brückenkopf, vertreten durch ihren Bürgermeister und den Stadtrat. Ihnen musste der jeweilige Ziegler nämlich regelmässig festgelegte Mengen an Ziegeln und Kalk zu einem festen Preis liefern.
Der eigentliche Eigentümer war der Fürstbischof von Konstanz, wie man 1806 sehen kann, wo die Domänenverwaltung des Grossherzogtums Baden (die Rechtsnachfolgerin des Fürstbistums nach dem Reichsdeputationshauptschluss), die Weiacher Ziegelhütte verkaufte (vgl. WeiachTweet Nr. 1159). Es ist auch gut möglich, dass die Errichtung der Produktionsanlagen auf dessen Initiative zurückging. Denn im Vertrag zwischen dem Hochadeligen Jakob von Wart und dem Fürstbischof Heinrich II. von Klingenberg vom 8. Februar 1295 ist keine Rede von einer Ziegelei (vgl. StAZH C II 6, Nr. 466; UBZH N° 2323, Bd. VI, S. 289).
Quelle und Literatur
- Kläui, P. (Bearb.): Die Urkunden des Stadtarchivs Kaiserstuhl. Aargauer Urkunden Bd. XIII. Aarau 1955 – S. 34.
- Brandenberger, U.: «Blinder Lärmen». Wie die Weiacherinnen 1703 gegen die Franzosen kämpfen wollten. Weiacher Geschichte(n) Nr. 56. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Juli 2004 – S. 11-16.
- Brandenberger, U.: Bannumgang mit Trommeln und Pfeifen. Was die «Offnung zue Wyach» vom Juni 1558 den Weyachern bedeutete. Weiacher Geschichte(n) Nr. 103. In: Mitteilungen für die Gemeinde Weiach, Juni 2008 – S. 10-17.
- Brandenberger, U.: Wo der «Sternen» und die Ziegelhütte standen. WeiachBlog Nr. 944 vom 29. Oktober 2010.
- Brandenberger, U.: WeiachTweet Nr. 1159 vom 14. Januar 2018, 20:29 MEZ.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen