Freitag, 13. Mai 2022

Wilder Westen in den Weiacher Wäldern, 1929

Roaring Twenties? In den Wirtschaftszentren sicher. Für die nicht ganz so urbanen Weiacher war diese Zeit zwar auch wild. Aber in einer ganz anderen Art und Weise. Denn vielen ging es wirtschaftlich eher schlecht als recht. Auch vor dem grossen Crash von 1929. Einige wussten sich da auf ungesetzliche Art und Weise zu helfen.

In einem waldreichen Gebiet, wie es der Gemeindebann von Weiach nun einmal ist, war es deshalb ziemlich riskant, Förster oder Wildhüter zu sein. Wie riskant, das zeigt die nachstehende Meldung, die im Mai 1929 in der benachbarten Republik Österreich unter der Rubrik «Wilderergeschichten» abgedruckt wurde:

«Vor dem Züricher Obergericht hatten sich Vater und Sohn einer Wildererfamilie von Weiach im Bezirk Dielsdorf zu verantworten, die vom Bezirksgericht verurteilt worden waren, und zwar der Vater wegen Widersetzung zu zwei Tagen, der Sohn wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu drei Wochen Gefängnis bedingt erlassen, weil sie sich der Verhaftung durch den Polizisten und den Förster widersetzt und den Polizisten derart geschlagen hatten, daß er erheblich verletzt worden war. Auf Grund der Appellation der Staatsanwaltschaft büßte das Obergericht den 62jährigen Vater mit einer Woche, den 20jährigen Sohn mit drei Wochen Gefängnis unter Ablehnung der bedingten Verurteilung. Der Gerichtsreferent hob hervor, es handle sich um eine Wildererfamilie, der auf die Spur zu kommen Polizist und Förster sich alle Mühe gegeben hätten, trotzdem das bei der großen Zahl der Jagdfrevler und ihrer Angriffslust keineswegs eine risikolose Sache gewesen sei. Es rechtfertigt sich deshalb eine exemplarische Bestrafung.» 

Erschienen sind diese Zeilen in Bregenz am Bodensee:


Es ist wohl diesem Vorfall zuzuschreiben, dass sich die Weiacher Gemeinderäte einige Wochen vor diesem Obergerichtsurteil quasi gezwungen sahen, ihrem heldenhaften Förster das gleiche Recht zuzubilligen, wie es der Kanton bei seinen Polizeisoldaten (darunter dem in Weiach stationierten) qua Dienstbefehl standardmässig machte (und bis heute so praktiziert):

«Dem Gesuche des Robert Siegenthaler, Förster, um Bewilligung zum Tragen einer Faustfeuerwaffe bei seinen dienstlichen Ausübungen als Förster wurde entsprochen. Dem Statthalteramt soll davon Mitteilung gemacht werden.» (Gemeinderatsbeschluss vom 2. März 1929)

Quellennachweis

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