Sonntag, 25. Dezember 2022

Machtwechsel! Ab Weihnachten regierte der Natalrat

In der Stadt Zürich, die mit der pfandweisen Übernahme der habsburgischen Grafschaft Kyburg im Februar 1424 die Hochgerichtsbarkeit über Weiach erlangt hatte, war bekanntlich seit 1336 die sogenannte Brun'sche Zunftverfassung in Kraft. 

Rudolf Brun hatte sich damals an die Spitze der Handwerker gestellt, die in einem Staatsstreich die immer uneingeschränkter regierenden Patrizier entmachteten und sie zwangen, in ein neues System einzuwilligen.

Nach diesem Putsch im Juni 1336 wurde der Erste Geschworene Brief aufgesetzt, der den Einfluss der Zünfte auf die Regierungsgeschäfte sicherte.

Gemäss dieser neuen Verfassung setzte sich der Kleine Rat aus 26 Mitgliedern zusammen: 13 stellten die Konstaffel, welche die Ritter und die Grosskaufleute umfasste; davon mussten sieben Ritter sein. Die 13 anderen Räte waren die Zunftmeister der jeweiligen Handwerkerzünfte. Das war checks & balances Züri Style.

Natalrat und Baptistalrat

Im oben erwähnten Dokument ist auch ein danach über Jahrhunderte beibehaltenes Turnussystem festgehalten. Jeweils am Weihnachtstag, dem 25. Dezember, und am Tage Johannes des Täufers, dem 24. Juni, d.h. den antiken Daten der Sonnenwende, wurden die Amtsgeschäfte übergeben.

Der Rat organisierte sich somit in zwei Ratsgruppen: den «Natalrat» (Weihnachtsrat) und den «Baptistalrat» (nach Johannes dem Täufer). Die 26 Natalräte regierten ab 25. Dezember in der ersten Jahreshälfte, die 26 Baptistalräte ab 24. Juni in der zweiten Jahreshälfte.

Es gab also immer zwei Bürgermeister: einen, der gerade regierte und einen, der gerade pausierte. Beispiel: Heinrich Escher vom Glas (1626-1710), vgl. Bild aus dem Jahre 1700, war von 1678 bis zu seinem Tod Bürgermeister des Natalrats.

Bild: Schweizerisches Nationalmuseum, DEP-3203

Im 15. Jahrhundert wurde dieser «Kleine Rat» aus zwei Halbjahresräten mit je zwölf Zunftmeistern (die Zünfte wurden auf 12 reduziert) und zwölf Constafflern sowie zwei Räten aus freier Wahl und den zwei sich abwechselnden Bürgermeistern gebildet. 

Der «Kleine Rat» war gleichzeitig Regierung, Parlament sowie oberste Gerichtsinstanz. Dadurch, dass die Ratsherren gleichzeitig regierten und richteten, besassen sie eine enorme Machtfülle. Keine Spur von Gewaltenteilung, wie wir sie heute kennen.

Weiterführende Literatur

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