Dienstag, 21. November 2023

Leiacher. Einmal Verschlimmbesserung und zurück.

Was da im Dezember 2015 genau passiert ist? Eine versehentliche Löschung bei der Modernisierung der Zollinger'schen Flurbezeichnungen, die er seinem blauen Büchlein als letztes Kapitel zwischen Ausklang und Anhang beigegeben hat, war's wohl nicht. Eher eine Fehlinterpretation, ohne einen Blick auf die Flurnamenkarte von Boesch (vgl. WeiachBlog Nr. 86) geworfen zu haben.

Jedenfalls wurde beim Eintrag Leiacher, Im (Zollinger verwendete noch -ai-) aus der Erklärung «Wiese am Weg von der Sägestrasse zur Buhalde» (mit bereits an den heutigen Sprachgebrauch angepasster Bauhalde; vgl. Version November 2015) der Text «frühere Bezeichnung; Wiese am Weg von der Säge zur Buhalde». Damit wird impliziert, die Flur im Leiacher sei früher um einiges südwestlicher zu finden gewesen, als es die heutigen Bezeichnungen nahelegen.

Die Sägestrasse ist nicht die Säge

Zwischen einem eher punktförmigen Objekt wie der ehemaligen Säge (Bachserstrasse 20) und einem linearen Objekt wie der «Sägestrasse» ist jedoch ein grosser Unterschied.

Mit der «Sägestrasse» kann Zollinger nur die heutige Bachserstrasse gemeint haben, denn der heute Gartenweg genannte Fussweg qualifiziert nicht als Strasse. Dieser Weg von der Sägestrasse zur Buhalde kann also nicht der heutige Panoramaweg sein, der erst nach der Säge links von der Bachserstrasse abzweigt. Wohl aber einer der beiden Bewirtschaftungswege, die Richtung Südosten von ihr abgehen. Der dem Dorfzentrum nähere (Parzelle 892) trägt heute (aus mir unerfindlichen Gründen) den Namen Bachtelweg, der der Säge nähere (Parzelle 896) ist unbenannt geblieben.

Diese Verschlimmbesserung ist jetzt nach fast acht Jahren in der neuesten Ausgabe der 6. Auflage korrigiert worden.


Wo sind die Leiächer?

Folgt man der von Prof. Bruno Boesch 1958 erstellten Karte, dann beginnt die Flur Leiacher (bei Swisstopo in der Pluralform Leiächer) – abweichend von Zollinger – erst etwa 70 Meter nordöstlich des Bachtelwegs, erstreckt sich jedoch über den heutigen Leiacherweg (einen ungeteerten Feldweg) hinweg auf den grössten Teil des heute mehrheitlich überbauten Gebiets Obstgartenstrasse bis an die alte Bebauungslinie Schulweg–Lindenweg–ehem. Haus Bergstr. 2 (jetzt: Ersatzbau Obstgartenstrasse 1).

Diese Interpretation der Situierung im Raum wurde auf den Karten der Landestopographie (Swisstopo) übernommen, wie man beim entsprechenden Eintrag auf ortsnamen.ch sehen kann.

Neben Leiacher und Leiächer findet man dort auch die von Boesch notierte Mundartform Läiächere (phonetisch: læiæχərə)

Wo war der Leimacher?

Im selben Eintrag auf ortsnamen.ch wird die Flurbezeichnung «am Leimacher» aus der Mitte des 16. Jahrhunderts aufgeführt und damit mit dem Leiacher direkt verknüpft.

Diese historische Fundstelle ist dem sog. Kelleramtsurbar des Fraumünsters (StAZH G I 142) entnommen. Das Kelleramt war eine Verwaltungseinheit, die 1548 (also kurz nach der Reformation) aufgelöst und ins Obmann- bzw. Almosenamt überführt wurde, wo weitere Weiacher Grundstücke steuerpflichtig waren.

Ohne genaue Analyse des wirtschaftlichen Zusammenhangs dieses Flurstücks (insbesondere die Angabe, in welcher Zelge es gelegen war) kann nicht entschieden werden, ob diese faktische Gleichsetzung zulässig ist oder nicht, zumal es auch noch an anderen Orten auf Gemeindegebiet Flächen mit lehmigem Boden gibt, die diese und ähnliche Bezeichnungen getragen haben. 

Zu nennen sind folgende in Urkunden im Kaiserstuhler Stadtarchiv erwähnte Flurnamen, alle ebenfalls aus dem 16. Jahrhundert: Leimgrůb (AU XIII, Nr. 282), Letten vorm Stein (AU XIII, Nr. 132), Letten, Lätten (AU XIII Nr. 270 u. 282), Lätten vor dem Stein (AU XIII, Nr. 282); Lättenwisli (AU XIII, Nr. 282), Lettenacker (AU XIII, Nr. 227) sowie Lettenwiß im Berg (AU XIII, Nr. 282). 

Ob letztere beiden identisch mit den späteren Läiächere sein können? Immerhin befindet sich die sog. Zelg am Berg (vgl. auch den Flurnamen oben auf Boeschs Karte) in exakt dieser Geländekammer (und nicht Richtung Kaiserstuhl bzw. Hardwald wie die beiden anderen Zelgen).

Lett und Lei sind zweierlei

Aber auch hier muss man genau unterscheiden zwischen Lei und Lett. Denn das ist durchaus nicht dasselbe, wie man dem Idiotikon, dem Schweizerdeutschen Wörterbuch, entnehmen kann (vgl. Id. 3, 1448): Letten, heisst es da, bezeichne eine «fette (blaue) Tonerde, tonartiger Mergel» oder auch «gemeiner Ton, der für Töpferarbeit untauglich ist, Lehm, wie er aus der Erde gegraben wird», bzw. «breiartiger Strassenkot, Schlamm, mergelartiger Sand», im Gegensatz zum «Leim» oder «Lei»«dem zur Töpferarbeit zubereiteten Ton». 

Quellen und Literatur
  • Kläui, P.: Die Urkunden des Stadtarchivs Kaiserstuhl. Aargauer Urkunden Bd. 13 (AU XIII), Verlag Sauerländer, Aarau 1955.
  • Brandenberger, U.: Flurnamenkarte 1958 quo vadis? WeiachBlog Nr. 86 v. 29. Januar 2006.
  • Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes, 5. Aufl., Ausgabe Nov. bzw. Dez. 2015.
  • Eintrag Leiächer (Weiach ZH). In: ortsnamen.ch - Das Portal der schweizerischen Ortsnamenforschung.
[Neuer letzter Abschnitt hinzugefügt am 22. November 2023 um 10:05 MEZ]

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