Dienstag, 14. November 2023

Il Piccolo di Trieste. Weiacher Stimmen zum Alitalia-Absturz

«Il Piccolo» ist die wichtigste Tageszeitung der bis 1918 habsburgisch-österreichischen Hafenstadt Triest an der Adria. Das 1881 gegründete Blatt erreicht eine Auflage von rund 40'000. 

Am 16. November 1990 war das Flugzeugunglück am Weiacher Haggenberg in dieser Zeitung mit ganz grossen Lettern auf der Titelseite (abrufbar bei archive.org):


Bereits am Tag nach der Katastrophe galt in der Redaktion des «Piccolo» als wahrscheinlichste Hypothese: Diese DC-9 ist zu tief angeflogen. Das sieht man an der Schlagzeile und ihren Untertiteln. Ebenfalls fett wird die Betroffenheit der eigenen Region herausgestrichen, denn: der zweite Pilot (d.h. Copilot Massimo Defraia; oft «De Fraia» geschrieben) stammte aus der Region Triest (vgl. dazu den letzten Abschnitt).

Augenzeugin Ryffel

Am 15. November muss sich ein Korrespondent des «Piccolo» in Weiach mit hier Ansässigen unterhalten haben. Er hat Aussagen eingefangen, die ich so in anderen Zeitungen bisher nicht gefunden habe:

Che qualcosa non funzionasse in quell’atterraggio risulta anche dalle testimonianze degli abitanti dei paesi vicini al luogo della sciagura: «Il mio bambino era alla finestra. Ha visto l'aereo e si è impaurito; "Mamma, mamma! C’è un aereo che casca sulla casa!”». Ursula Riffel, custode della scuola elementare di Weiach è subito corsa alla finestra. «L'aereo è passato a pochi metri sopra di noi — racconta la donna — abbiamo visto distintamente tutte le sue luci. Poi è scomparso dietro un costone. Ma qualche secondo più tardi c'è stato un grande scoppio e una luce rossastra si è diffusa sulla collina».

Übersetzung (mit maschineller Unterstützung durch Google Translate und DeepL): Dass bei dieser Landung etwas nicht funktioniert hat, zeigen auch die Aussagen der Bewohner der Dörfer in der Nähe des Unglücksortes: «Mein Kind stand am Fenster. Es sah das Flugzeug und bekam Angst; "Mama, Mama! Da stürzt ein Flugzeug auf das Haus!"». Ursula Riffel, Hauswartin der Volksschule Weiach, rannte sofort zum Fenster. «Das Flugzeug flog ein paar Meter über uns vorbei», erzählt die Frau, «Wir sahen deutlich alle seine Lichter. Dann verschwand es hinter einer Kuppe. Doch ein paar Sekunden später gab es einen grossen Knall und ein rötliches Licht breitete sich über den Hügel aus.»

Das Ehepaar Ursula und Paul Ryffel waren die Schulhausabwarte und wohnten in der Abwartswohnung im Südwestteil des Mehrzweckgebäudes Hofwies (Schulweg 4, heutige Büroräume der Verwaltung der Schule Weiach).

Augenzeuge Mederle

Anche Enrico Mederle, 42 anni, originario di Bolzano, ma in Svizzera da 25 anni, abita a Weiach: «Qui ogni due minuti ci passa un aereo sulla testa. Li riconosciamo dagli orari e dal rumore che fanno, ieri sera mi sono subito accorto che qualcosa non andava in quel volo. Quel-l'aereo sembrava troppo silenzioso ma a tratti faceva invece un rumore gracchiante, inconsueto. Pochi secondi dopo averlo visto passare, ho sentito la scoppio, poi lo schianto».

Übersetzung (mit maschineller Unterstützung durch Google Translate und DeepL): Enrico Mederle, 42, ursprünglich aus Bozen, aber seit 25 Jahren in der Schweiz, wohnt ebenfalls in Weiach: «Hier fliegt alle zwei Minuten ein Flugzeug über unsere Köpfe hinweg. Wir erkennen sie am Flugplan und dem Lärm, den sie machen, und gestern Abend habe ich sofort gemerkt, dass mit diesem Flug etwas nicht stimmt. Das Flugzeug schien zu leise zu sein, aber zeitweise gab es stattdessen ein ungewöhnlich [wörtlich:] krächzendes Geräusch von sich. Sekunden nachdem ich es vorbeifliegen sah, habe ich die Explosion gehört und dann den Absturz

Mederle wohnte im Chalet Stockistrasse 8, gleich unterhalb der Einmündung der Weinbergstrasse. Von diesem Standort aus ist es sehr gut möglich, dass das Flugzeug – da es viel zu tief angeflogen ist – zuerst zu leise war (weil von dort aus gesehen hinter dem Wingert) und dann ungewöhnlichen Lärm gemacht hat. In diesem Moment versuchte Copilot Massimo Defraia laut dem Untersuchungsbericht nämlich noch, ein Durchstartmanöver einzuleiten, was die Triebwerke aufheulen liess (vgl. WeiachBlog Nr. 1610).

Angst vor dem Flughafen Zürich

Der Titel des Kastens über den Copiloten rückt allerdings nicht den Anflugpfad in den Mittelpunkt: «Diese Piste war schlecht für ihn», heisst es da im Piccolo di Trieste (s. Bild unten). Zu diesem Zeitpunkt wusste man noch nicht, was die eigentliche Unglücksursache war, nämlich die Fehlfunktion der Höhenmesser. In der Erinnerung seiner Angehörigen zählt etwas anderes: Massimo habe vor dem Flughafen Zürich Angst gehabt, weil der Anflug besonders schwierig sei.

Diese Angst scheint bei Raffaele Liberti, laut der Zeitung La Repubblica der Kommandant auf dem Flug Alitalia 404, eher zu wenig ausgeprägt gewesen zu sein. Zu selbstsicher wirkt er, wenn man sich die Transkripte der Cockpit-Kommunikation durchliest. 

Und hätte Liberti das Durchstartmanöver (Go around) seines Copiloten nicht abgebrochen, dann, wer weiss, wäre es vielleicht nicht zum Aufprall am Haggenberg gekommen. Nicht umsonst gilt in der Pilotenausbildung: Ein Go Around wird durchgezogen. Er darf nicht abgebrochen werden.

Quelle und Literatur

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