Mittwoch, 21. Februar 2024

Geschäftsidee der Sternenwirtin: Jeunes filles de Neuchâtel

Am 10. August 1904 entschied sich der Regierungsrat des Kantons Aargau, die Einrichtung einer Bezirksschule in Kaiserstuhl zu genehmigen. 

Dieser Erlass hat die Weiacher ziemlich elektrisiert. Da entstand – direkt vor ihrer Haustüre (und viel besser als über den Kistenpass und Schüpfheim zu erreichen) – eine neue Sekundarschule.

Ausserdem war auch die personelle Dotierung besser. In Kaiserstuhl sollten zwei Klassen entstehen, nicht nur eine wie in Stadel. Dort war die Klassengrösse ausserdem bereits jenseits dessen, was noch halbwegs vernünftiges Erreichen der Ausbildungsziele garantiert. Deshalb wollte man sich vom Sekundarschulkreis Stadel abspalten und den Aargauern anschliessen.

Neue Schule, neue Verdienstmöglichkeit

Geschäftstüchtige Zeitgenossen sahen in dieser Neuerung eine Marktlücke. Dies belegt ein unscheinbares Inserat, das am 25. März 1905 im Feuille d'Avis de Neuchâtel erschienen ist: 


«Dans un village au bord du Rhin, on prendrait en pension, à partir du 1er mai, quelques jeunes filles désirant apprendre la langue allemande. Facilité de suivre une bonne école secondaire. Bons soins. Prix modéré. Mme Maier, Zum Sternen, Weyach, Zurich. Pour renseignements: Mme Weber, Oratoire 1, Neuchâtel.»

Rue de l'oratoire 1 ist heute noch eine Adresse in der Neuenburger Altstadt. 

Man sieht: Die kulturelle Immersion junger Menschen in den Sprachraum der compatriotes gibt (gab?) es nicht nur als Welschlandjahr, sondern auch in umgekehrter Richtung, sonst wäre die Wirtin des Weiacher Gasthofs «Zum Sternen» nicht auf die Idee gekommen, im Kanton Neuenburg Interesse für ihr Angebot zu wecken.

Ein Modell aus dem Ancien Regime. Im 20. Jahrhundert im Einsatz.

Interessant ist dieses Druckerzeugnis, weil dort ein Modell überlebt hat, das u.a. die Donnstags-Nachrichten in Zürich im 18. Jahrhundert pflegten: Die Inserate wurden auf den vorderen Seiten platziert! Die sonstigen Nachrichten, was in der Welt so passiert, kamen, wenn überhaupt, weiter hinten. Anfangs des 20. Jahrhunderts hat sich das in Zürich längst umgekehrt. Nicht so in Neuchâtel.

Letztlich ist aber auch FAN-L'Express, wie die Zeitung später genannt wurde, dem Konzentrationsprozess zum Opfer gefallen:

«L'Express wurde 1738 unter dem Titel Feuille d'Avis (ab 1766 Feuille d'Avis de Neuchâtel, FAN) gegründet. Sie erschien zunächst einmal wöchentlich, dann zwei- und dreimal wöchentlich von 1855 bis 1884, als sie zu einer Tageszeitung wurde. 1964 fusionierte die FAN mit der 1891 gegründeten L'Express, der zweiten Tageszeitung der Stadt Neuenburg, deren Titel sie 1988 übernahm. 1996 wurde eine enge redaktionelle Zusammenarbeit mit der Tageszeitung L' Impartial aus La Chaux-de-Fonds begründet. Die beiden Zeitungen fusionierten im Jahr 2018 zu ArcInfo.» (Beschreibung aus e-npa.ch)

Quellen

  • Entscheid des Regierungsrates des Kantons Aargau über die Einrichtung einer Bezirksschule in Kaiserstuhl. Signatur: StAAG RRB/1904/01, Artikel 1347
  • Feuille d'Avis de Neuchâtel, 25. März 1905, S. 2.

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