Freitag, 16. Oktober 2020

Wie gross war eine Weiacher Jucharte im Jahre 1821?

«Bei der Juchart handelt es sich um ein Schätzmass, das einem Tagewerk des Pflügers entspricht und je nach Gelände variiert: In Ebenen waren Jucharten am grössten (41-62 a), im Korngebiet des Mittellands lagen sie zwischen 27 und 36 a und in hügelig-bergigem Gelände umfassten sie besonders kleine Einheiten [...]», schreibt Anne-Marie Dubler, die Expertin für historische Masse und Gewichte in der Schweiz (vgl. e-HLS-Beitrag Juchart, s. unten Quellen und Literatur). Im Gebirge konnte ein Juchart auch einmal nur 1-8 Aren umfassen. Mehr Variabilität geht kaum. Denn es galt das lokale menschliche Mass (vgl. Niederhauser 2018).

Masse nach Gewohnheit

Im Zürcher Gebiet wurde ein Juchart in vier Vierlinge unterteilt. Aus den Bemerkungen zu den Flächenmassen in den amtlichen «Tafeln zur Vergleichung der bisher gebräuchlichen Maße und Gewichte des Kantons Zürich mit den Neuen Schweizerischen Maßen und Gewichten» von 1837 (S. 37) geht hervor:

«Die verschiedenen Jucharten, altes Maß, wurden bisher gewöhnlich auf folgende Weise gebraucht:
Die Juchart von 28000 Quadratfuß, bisweilen für Reben
Die Juchart von 32000 Quadratfuß, für Reben und Wiesen
Die Juchart von 36000 Quadratfuß, für Aecker
Die Juchart von 40000 Quadratfuß, für Waldungen und Rieder.»

Mit Schätzungen und Formulierungen wie «bisher gewöhnlich» ist allerdings schlecht rechnen und vergleichen, selbst innerhalb des Kantons. International gilt das erst recht. Traditionalisten und Modernisten stritten sich jahrelang, bis schliesslich ein guteidgenössischer Kompromiss gefunden war: Die althergebrachten Masse sollten beibehalten, jedoch fix an das französische Metermass angebunden werden. Der Fuss beispielsweise wurde auf exakt drei Zehntel eines Meters (30 cm) festgelegt.

Am 17. August 1835 wurde die oben angedeutete Neuerung durch das Konkordat über eine gemeinsame schweizerische Mass- und Gewichtsordnung vereinbart. Sie galt zwar nur für die im Mittelland gelegenen, mehrheitlich deutschsprachigen Kantone Zürich, Bern, Luzern, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Schaffhausen, St. Gallen, Aargau und Thurgau (damals nur durch den Bundesvertrag von 1815 zusammengehaltene, sonst unabhängige Staaten). Aber immerhin. Danach mass eine Jucharte in den Konkordatsstaaten ab 1. Januar 1838 einheitlich 36 Aren à 100 Quadratmeter (in Glarus erst ab 1839).  

Vor 1838 wird es kompliziert

Doch wie gross war eine Weiacher Jucharte vor 1835? Es gibt ja bei uns bekanntlich sowohl hügelige Gebiete wie auch flache Felder. Einen kleinen Versuch, etwas Licht in diese Angelegenheit zu bringen, hat WeiachBlog bereits am 28. Februar 2006 gemacht, vgl. WeiachBlog Nr. 116, wo die Kaiserstuhler Jucharte erwähnt ist. Entsprach die Weiacher Jucharte derjenigen von Kaiserstuhl (zufälligerweise fast exakt so gross wie die Konkordatsjucharte)?

Nachstehend soll nun anhand der von Rudolf Diezinger erstellten Karte der Pfrundgüter in Weiach aus dem Jahre 1821 (vgl. WeiachBlog Nr. 1520) versucht werden, die Grösse des von ihm verwendeten Flächenmasses zu ermitteln. Ein Flächenmass wie es die Obrigkeit zu Zürich verwendet hat (nicht unbedingt die Weiacher selber). Nachstehend die Vignette mit den Massangaben:



«Quadrat-Inhalt

A. Haus, Scheuer, Waschhaus und Hofstatt     0 Juch. 0 Vrlg. 7895 Qu.Schuh
B. Der Garten, Samt dem kleinen Baumgärtlein     0 Juch. 0 Vrlg. 8634 Qu.Schuh
C. Der Baumgarten     0 Juch. 2 Vrlg. 2967 Qu.Schuh
D. Die Hofwies     0 Juch. 3 Vrlg. 4400 Qu.Schuh

Summa     1 Juch. 3 Vrlg. 5896 Qu.Schuh»

Rechnet man die Vierlinge und Quadratschuh der vier Flächen A bis D zusammen, so ergeben sich 5 Vrlg. 23'896 Qu.Schuh. Um auf die von Diezinger angegebene Summe zu kommen, müssen somit 18'000 Qu.Schuh 2 Vrlg. entsprechen. Verwendet wurde hier also die Ackerjucharte.

Nach den Tafeln von 1837 war ein Quadratschuh (amtlich Quadratfuss genannt) im alten wie im neuen Mass fast gleich gross: «1 Quadratfuß, altes Maß gleich 1,009213 Quadratfuß, neues Maß.» (S. 40). 

Bei den Vierlingen und Jucharten wird es allerdings schon komplizierter. Da muss man natürlich erst einmal wissen, welche alte Jucharte gemeint ist: «1 Juchart von 32000 Quadratfuß, altes Maß, giebt 0,807371 Jucharten, neues Maß. 1 Juchart von 32000 Quadratfuß, altes Maß, giebt 2906,534 Quadratmeter.» (S. 46)

Die Jucharte à 36'000 Qu.Fuss altes Mass entspricht demnach 3269.851 Quadratmeter. Mit dem Konkordat war also eine Vergrösserung der Jucharte um 10 Prozent (auf 3600 Quadratmeter) verbunden. Umrechnungstabellen wurden zu unumgänglichen Hilfsmitteln. Die Umstellung dürfte dennoch viele verwirrt haben.

Vergleich mit Daten der Amtl. Vermessung

Die Parzelle Weiach-256 (Friedhof Fuori le mure) umfasst 1265 Quadratmeter. Die Parzelle Weiach-258 (Gebäudeflächen, Hofstatt und Pfarrgarten) misst aktuell 1921 Quadratmeter. Vor 1947, als ein Verkauf an den Wagnermeister Albert Erb durch den Regierungsrat genehmigt wurde (RRB 1947/3771), mass diese Parzelle noch rund 100 m2 mehr, also ca. 2020 m2. Insgesamt umfasste das Pfrundgut ohne die Hofwiese also 3285 m2.

Da der zum Pfarrpfrundgut gehörende Teil der Hofwiese nicht mehr exakt lokalisiert und mit aktuellen Daten abgeglichen werden kann, lassen wir diese Fläche für den Vergleich weg.

Für die Fläche A+B+C ergeben sich nach Diezinger 2 Vrlg. 19496 Qu.Schuh, entsprechend 1 Jucharte und 1496 Quadratfuss oder 1.04156 Zürcher Ackerjucharten. Das ergibt rund 3405 Quadratmeter.

Die Differenz kann man mit verschiedenen Änderungen erklären, die um das Jahre 1838/39 zwischen dem Kirchengrundstück (mit dem alten Friedhof) und der Pfarrhausparzelle erfolgten. Das Waschhaus stand bis dahin auf der Kirchenseite, wurde dort abgebrochen und danach auf der Pfarrhausseite der Mauer, die diese beiden Bereiche voneinander trennt, ein neues Waschhaus errichtet. Zudem ist die nördliche Ecke des heutigen Friedhofsgrundstücks nicht identisch mit der von Diezinger aufgenommenen.

Fürs Holz nur die Spesen

Bleibt nur noch die Diezinger'sche Bemerkung: «Bezieht von der Gemeind Holz genug, wovon der Herr Pfarrer die Unkosten bezahlen muss.» Sie steht hier scheinbar etwas quer im Raum, erklärt sich jedoch daraus, dass in anderen Fällen noch Waldgrundstücke zum Pfrundgut gehörten, aus deren Ertrag das Brennholz für das Pfarrhaus kam. Nicht so in Weiach. Da gab es genug Gemeindewald. Der Pfarrer musste die Kosten für Fällen, Rüsten, Spalten und den Transport übernehmen. Das Holz selber erhielt er gratis.

Quellen und Literatur
  • Diezinger, R.: Grundriss des Pfarrpfrundguts Weÿach. [Weiach: Pfrundgüter Garten und Baumgarten bei Kirche und Pfarrhaus und Hofwies; Grundrisse (Nr. 1); 1821]. Signatur: StAZH PLAN R 1189
  • Tafeln zur Vergleichung der bisher gebräuchlichen Maße und Gewichte des Kantons Zürich mit den Neuen Schweizerischen Maßen und Gewichten. Amtliche Ausgabe. Zürich 1837 – S. 7ff. [Google Books]
  • Regierungsrat des Kantons Zürich: Pfarrhaus Weiach, Landabtretung. Beschluss Nr. 3771 vom 20. November 1947. Signatur: StAZH MM 3.75 RRB 1947/3771.
  • Brandenberger, U.: Wie gross ist ein Juchart? (Mass und Gewicht 3), WeiachBlog Nr. 116 v. 28. Februar 2006.
  • Dubler, A.-M.: Juchart. In: Historisches Lexikon der Schweiz (e-HLS), Version vom 20.05.2010.
  • Niederhauser, J.: Vom lokalen Menschenmass zum weltweiten Einheitensystem. In: METinfo, Vol. 25, No. 2/2018 – S. 29-33.
  • Brandenberger, U.: Wie sich der Kirchenbezirk Weiach seit 1821 verändert hat. WeiachBlog Nr. 1520 v. 5. Juni 2020.

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