Unerwünschte Abfallprodukte der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit will man nicht vor der eigenen Haustüre. Dafür ist dann das Unterland als Mistkübel der Metropole am Zürichseebecken (Goldküste inklusive) gerade gut genug.
Sei es beim Lärm (In welche Richtungen sollen die Pisten des Flughafens nun gerade verlängert werden? Vgl. das vom Kantonsrat gestern Montag durchgewunkene Vorhaben...) oder eben bei Rückständen aus Kehrichtverbrennungsanlagen, es ist das klassische St. Florians-Prinzip (oder amerikanisch formuliert: NIMBY, not in my backyard). Wo diese Hinterhöfe des Kantons liegen sollen, das hat ein Sozialist aus der Stadt Zürich unmissverständlich klargemacht:
«-ir. Gemeinderat Ernst Hauser (soz.) weist in einer Schriftlichen Anfrage an den Stadtrat daraufhin, dass die immer grösser werdenden Schlackenhalden der Kehrichtverbrennung wegen des Fehlens einer Schlackenaufbereitungsanlage zu einem immer dringenderen Problem werden. Hauser fragt den Stadtrat an, ob die Schlacken nicht als Auffüllmaterial in den ehemaligen Kiesgruben von Hüntwangen, Weiach oder Rafz deponiert werden könnten?»
So zu lesen in der NZZ vom 7. September 1979.
Der Schutz der Trinkwasseranreicherungsfunktion geht vor!
Von der Stadtzürcher Verwaltung wurde diesem Parlamentarier-Ansinnen aber gleich die rote Karte gezeigt:
«Der Antwort des Stadtrates ist zu entnehmen: «Eine Ablagerung von Kehrichtschlacken in den Kiesgruben des Rafzerfeldes oder bei Weiach kommt aus Gründen des Gewässerschutzes nicht in Frage. In den dortigen Schottergebieten finden sich die letzten grossen Trinkwasserreserven des Kantons Zürich.»»
Denn den Experten der Stadt war klar, dass man sich bei der Kantonsverwaltung schon länger Gedanken um die langfristige Sicherung der Lebensgrundlagen gemacht hat.
Wenn man sich den in den letzten fünf Jahrzehnten erfolgten exorbitanten Bevölkerungszuwachs des Kantons ansieht, die sich seither akkumuliert haben (1970: 1.11 Mio.; 2020: 1.55 Mio.), dann war das die einzig richtige Antwort (vgl. auch den aktuell gültigen Kantonalen Richtplan):
Bei aller Polemik (wie oben durchexerziert) ist natürlich zu konzedieren, dass es sich bei dem Problem bereits um eine Folge der Volumenreduktionspolitik handelt, ohne die es noch viel grösser gewesen wäre. Denn schon die Kehrichtverbrennungsanlagen sind u.a. aus der Not geboren worden, auf dem dicht besiedelten Gebiet nicht genügend Deponieplätze zu haben. Die Frage, wo man mit den Schlackenbergen hin sollte, war (und ist!) also eine berechtigte.
Einbau von Schlacken in den Strassenkörper?
Und so sahen die damaligen Lösungsversuche laut der (in der NZZ zitierten) Antwort der Stadt auf die Schriftliche Anfrage im Stadtparlament aus:
««Seit Jahren bemüht sich das Gesundheits- und Wirtschaftsamt bisher ohne Erfolg um Deponien für die Schlackenhalden. 1977 schien ein geeigneter Standort für eine Schlackenaufbereitungsanlage im Industriegebiet von Bassersdorf gefunden zu sein. Ein positiver Vorentscheid des Gemeinderates lag vor. Das Baugesuch wurde jedoch abgelehnt. Um das akute Problem der wachsenden Schlackenhalden bei der Kehrichtverbrennungsanlage 2 Hagenholz zu entschärfen, hat die kantonale Baudirektion die Zusage erteilt, noch im Laufe des Sommers 1979 mit dem Abbau zur Verwendung im Nationalstrassenbau zu beginnen. Ausserdem hat der Kanton seine guten Dienste bei der Suche nach einem neuen Standort für eine Deponie angeboten.»»
Schlacken in den Strassenkörper einzubauen stellt natürlich auch nur eine weitere Verlagerung des Problems dar. Statt einer Konzentration (in einer Deponie) wird eine Verdünnung erzielt. Aus diesen Strassen können dann nach und nach Schadstoffe ausgeschwemmt werden, was diese Art der Verwertung besonders in Grundwasserschutzgebieten alles andere als angeraten sein lässt.
Ein altes Problem auf der Suche nach Lösungen
Wie man einem 15-seitigen Artikel von Dr.-Ing. Markus Franz aus dem Jahre 2016 entnehmen kann (vgl. Link in den Quellen), begleitet das Schlackenproblem die Abfallwirtschaft in der Schweiz seit mindestens 120 Jahren. Spätestens mit der Eröffnung der KVA Josefstrasse mitten im Zürcher Industriequartier fielen auch diese Schlacken an.
Den aktuellen Stand findet man u.a. beim Internetauftritt des AWEL zum Thema Kehrichtverwertungsanlagen. Die Schlacke ist – wen wundert's – immer noch eine Knacknuss, allein schon aufgrund der anfallenden Mengen: «Durch die thermische Verwertung von Abfällen wird die Masse des angelieferten Abfalls um rund 80 Prozent reduziert. Es fallen jährlich rund 150'000 Tonnen Rohschlacke und 19'000 Tonnen Rauchgasreinigungsrückstände an, die weiter behandelt und entsorgt werden.»
Zu den heutigen Strategien gehören die Optimierung der Metallrückgewinnung aus KVA-Schlacke sowie die Minimierung des Totalen Organischen Kohlenstoffs (TOC) in der KVA-Schlacke.
Die 2010 gegründete Stiftung «Zentrum für nachhaltige Abfall- und Ressourcennutzung» (www.zar-ch.ch), mit einem Standort bei der KEZO in Hinwil (schon anfangs der 80er-Jahre bei der Schlackenverwertung führend) arbeitet an zukunftsweisenden Lösungen.
Quellen
- Wohin mit den Schlacken der Kehrichtverbrennung? In: Neue Zürcher Zeitung, Nummer 207, 7. September 1979, S. 51.
- Meyer, B.: Zementstabilisierte Kehrichtschlacke im Strassenbau. In: Schweizer Ingenieur und Architekt, Bd. 101 (1983) - S. 879-880.
- Franz, M.: KVA-Schlackenaufbereitung in der Schweiz. Von den Anfängen bis heute. 2016. Website der Schaffhauser Abfallbewirtschaftung [PDF, 886 KB].
- Materialarchiv.ch. Artikel Schlacke. [Eingesehen am 29. August 2023]
- Kanton Zürich (Hrsg.): Kehrichtverwertungsanlagen, Abschnitt Ausgewählte Kennzahlen und Fakten. [Eingesehen am 29. August 2023]
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