Wirklich? Kennen Sie diesen Herrn in Kurzarmhemd und Krawatte? Das Porträt ist in der Duttweiler-Zeitung «Die Tat» vom 23. Januar 1971 erschienen. Versehen mit dem Untertitel «Originale unserer Stadt» folgt darunter die Würdigung eines Mannes, der in nächster Nähe des Migros-Genossenschafts-Bund-Hochhauses am Limmatplatz geschäftlich tätig war. Aber auch weit darüber hinaus Wirkung erzielte: August Schmid-Härri (1917-1974).
«Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als in der Schweiz die sieben Bundesräte zusammen etwa so populär und bekannt waren wie ein einziger erfolgreicher Radrennfahrer? An die Zeiten, als wir trotz Regenwetter oder Gluthitze stundenlang dichtgedrängt am Strassenrand ausharrten, um unsere Idole Hans Knecht, Hugo Koblet oder Ferdy Kübler vorbeiflitzen zu sehen? Das waren die Glanzzeiten von Gusti Schmid, dem aktivsten grössten «Velofritzen» Zürichs. Gusti trug nie ein Siegertrikot – seine Siege errang er auf idellem [sic!] und auf organisatorischem Gebiet. Sein Leben war und ist ein Leben für den Radsport!
Gusti Schmid ist 54 Jahre alt, und – obwohl Bürger von Weiach ZH – ein waschechter Industriequartierler. In jungen Jahren entschied er sich für eine Laufbahn als Dekorateur und Verkäufer. Die Wahl war nicht schlecht – er ist seinem Beruf bis heute treu geblieben. Als 21jähriger eröffnete er in unmittelbarer Nähe der damals noch neuen Kornhausbrücke ein Herrenmodegeschäft – er hat's heute noch.»
In einem späteren Artikel in Die Tat (1. März 1974) wird es als Damen- und Herrenmodegeschäft an der Adresse Kornhausbrücke 2 bezeichnet, d.h. direkt am Limmatplatz.
«Der Verkauf von Hemden, Schuhen, Schlipsen und Manschettenknöpfen füllte Gusti und seine humorvolle, charmante Gattin nie völlig aus. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges fand Gusti, dass es um den Quartiergeist im Kreis 5 schlecht stehe und organisierte, mit tatkräftiger Unterstützung aller politischen Gruppierungen und Vereine, das heute noch alljährlich durchgeführte Volksfest auf der Josefswiese. Für die Aufgabe, Vereinsfunktionäre und politisch Tätige aller Schattierungen für ein gemeinsames Vorhaben «unter einen Hut» zu bringen, war Gusti schon damals geeignet. Er wäre sicherlich auch ein guter Diplomat geworden!
Gustis Hauptinteresse jedoch galt dem Sport. Als Jüngling versuchte er sich als Schlittschuhläufer und als Skifahrer. Grossen Gefallen fand er am VeIofahren – Anno 1936 trat er dem Veloclub «Industrie» bei. Er ist einer der Väter der seit 1941 regelmässig stattfindenden Vierkantone-Rundfahrt, er war es auch, der die für die Schweizer Fahrer so erfolgreichen Amateur-Steherrennen anregte und durchsetzte, dass sich unsere Nachwuchsfahrer an der «Tour der Jugend» beteiligen konnten. Natürlich verzichteten auch die Organisatoren der «Tour de Suisse» nicht auf die tatkräftige Mithilfe des Velofanatikers Schmid. Im Laufe der Jahre bekleidete Gusti beinahe alle organisatorischen und administrativen Posten – vom «Bürogummi» über den Bürochef bis zum Rennleiter! Heute ist er TdS-Chefkommissär... Ein Nachlassen seiner Aktivität ist nicht abzusehen, obwohl in seinen Anzügen gut und gerne zweieinhalb Leistungssportler bequem Platz fänden. «Ich wür hüt na um de See fahre – und zwar mit em Velo!» [..]»
Ein langes Leben war Gusti nicht vergönnt. In der Ausgabe vom 1. März 1974 berichtete Die Tat, an seiner Abdankungsfeier hätten mehrere hundert Personen teilgenommen, und schliesst mit den Worten:
«Unter der Trauergemeinde bemerkte man zahlreiche Persönlichkeiten aus dem Kreis 5, Fahnen-Delegationen von Vereinen und Verbänden, ferner aus dem Radsportleben: die ex-Weltmeister Oskar Plattner und Hans Knecht, den Chef des Organisationskomitees der Tour-de-Suisse, Sepp Vögeli, Direktor Heinrich Hächler von der Hallenstadion AG.»
An Sepp Vögeli (1922-1992), der übrigens die Tour de Suisse von 1967 bis 1980 ebenfalls im Nebenamt organisiert hat (vgl. Artikel im Historischen Lexikon der Schweiz) kann sich selbst der wenig radsportaffine WeiachBlog-Redaktor erinnern.
- Ihn kennt man doch... In: Die Tat, 23. Januar 1971 – S. 7.
- Abschied von Gusti Schmid. In: Die Tat, 1. März 1974 – S. 5.
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