Freitag, 10. Mai 2024

«Im Chrieg». Zu den Ursprüngen eines Weiacher Siedlungsnamens

Thema des gestrigen WeiachBlog-Artikels Nr. 2096 war die Verschreibung von «Chrieg» zu «Chrueg». Heute wollen wir aus gegebenem Anlass (einer der Belege wird exakt 250 Jahre alt) den Spuren des Flurnamens in den Quellen nachgehen.

Der zentrale Startpunkt heutiger Ortsnamenkundler ist die Datenbank ortsnamen.ch, die den Vorteil hat, dass sie die kantonalen Orts- und Flurnamenbücher in digitaler Form aufbereitet und mit Kartendaten verknüpft jedermann zur Verfügung stellt.

«Im Chrieg» wird dort (Record 7063657) zwar als Weiacher Flurname gehandelt, ist jedoch – wie man dem Datenbankeintrag entnehmen kann (vgl. Bild unten) – zugleich auch ein Siedlungsname. Zwar nur für ein paar wenige Häuser, aber immerhin. Beim Höbrig, beim Ofen und beim Felsenhof ist das ja auch nicht anders: ein sog. «benanntes Gebiet». Hier allerdings eines, das bereits in früheren Jahrhunderten optisch praktisch nahtlos an die Gebäude des Ortsteils Chälen anschliesst.


Ein Familienname wird zum Hofnamen

Wo genau der Siedlungsname seinen Ursprung hat, ist nicht gesichert. Die Bearbeiter des Urkundenbuchs der Stadt und Landschaft Zürich (UBZH), aber auch heutige Namenkundler, sind der Auffassung, es könnte sich um den Zunamen der Eigentümerfamilie handeln. Diese Familie hätte dann also Chrieg oder Krieg bzw. Krieger geheissen.

In diesem Sinne äusserte sich 2017 beispielsweise Beatrice Hofmann-Wiggenhauser in ihrer Flurnamenkolumne in der Zeitung Schweizer Bauer (vgl. Quellen u. Literatur).

Gefolgsleute der Habsburger?

Laut dem UBZH wurde am 30. Dezember 1298 der Verkauf eines Landgutes in Niederhasli besiegelt. Da übertrug Chuonrat Chrieg, Mitglied des Zürcher Rats, dem Zisterzienserinnenkloster Selnau seinen Eigentumstitel. (Vgl. Bd. VII, S. 68; Nr. 2470: «Aebtissin Elisabeth von Zürich verleiht der Aebtissin von Selnau ein von Konrad Krieg an diese verkauftes Gut zu Niederhasli.»)

Und es ist nicht abwegig, die Vermutung zu äussern, dass die Chrieg auch den Chrieghof in Wiach besassen. Die Bearbeiter des Urkundenbuchs schreiben dazu in Fussnote 2 zu dieser Urkunde Nr. 2470: «Immerhin mag das [Niederhasler] Gut Kriegs von den Habsburgern herrühren, da die Familie Krieg viele Pfandschaften von Habsburg besass».

Die Übertragung von Pfandschaften war ein beliebtes Instrument der Entschädigung eigener Gefolgsleute. Diese erhielten Grundbesitz, der regelmässige Einkünfte abwarf. Sie durften diese für sich nutzen, mussten aber natürlich für Inkasso und Bestandesschutz selber besorgt sein. Formal blieb das Grundeigentum zwar ein Lehen, allerdings eines, das frei vererbt werden konnte. Lediglich die notarielle Fertigung vor dem Lehensherrn (oder einer von ihm begünstigten Institution) zeigt noch diese alten Verhältnisse an.

Analogie zu einem Hang an der Grenze Wollishofen/Kilchberg

Auch im Zusammenhang mit Grundeigentum im Gebiet Erdbrust an der Südgrenze der heutigen Stadt Zürich verweisen die Bearbeiter des Zürcher Urkundenbuchs (Bd. X, S. 145, Fussnote 2) auf einen vermuteten Eigentümer-Zusammenhang: 

«Erdbrust, Pf. Wollishofen; im Krieg könnte hier auch ein Flurname sein, der auch 1319 in Erdbrust vorkam, wie anderseits z.B. in Weiach (vgl. oben 3626), auch schon in Besitz des Joh. Brandes. Doch könnte er möglicherweise von einer dortigen Besitzung der Zürcher Familie Krieg herkommen; letzteres wird bestätigt durch eine Urkunde von 1314, worin "der Kriegin zem Adelar gueter" in Erdbrust vorkommen; vgl. IX nr. 3298.»

Im Datenbankeintrag entsprechen dem die folgenden Fundstellen:

1314: ze Ertprust zwischen … guͤtern (Orig ZUB IX; 3298; 162)
1319: ir beider guͤter ze Ertprust (Orig ZUB X; 3608; 25)
1321: ein wingarten, lit ze Ertprust (Orig ZUB X; 4742; 145)

Bisher älteste Weiacher Fundstelle von 1635

Im Gegensatz zum Flurnamen Hofwisen, der bereits 1309 belegt ist, findet man den Chrieg in mittelalterlichen Urkunden nicht. Er taucht erst in einem Berain, d.h. einer Güterbeschreibung des Krieghofs, in gebundenen Unterlagen der Stadt Kaiserstuhl auf: 

«Berein vber der Bomgartern vnd Krieghof zue Wiach im Ambt Kayserstuhl 1635; Eigentum des Pelagius Ertzlin von Kayserstuhl.»  (Vgl. Schib 1936; V. Städtische Verwaltung; A. Säckelamt; Bücher Nr. 116)

Bei diesem Pelagius könnte es sich um den Amtmann des Klosters St. Blasien zu Kaiserstuhl gehandelt haben. Er ist im gleichen Jahr (15. Mai 1635) in einer klettgauisch-sulzischen Urkunde als Käufer landwirtschaftlicher Flächen in Stetten (Gde. Hohentengen; d.h. auf Reichsboden) genannt (vgl. Aargauer Urkunden, Bd. XIII, Nr. 439).

Man sieht der Formulierung an, dass der Krieghof wohl die alte Bezeichnung darstellt. Und hätte es in Weiach nicht noch etliche weitere Baumgartner gegeben, die man voneinander unterscheiden musste, dann wäre der alte Flurname vielleicht untergegangen. So aber wurde er konserviert.

Jacob Baumgartner im Krieg, 1672   

Auch ein paar Jahrzehnte später war eine Familie der Baumgartner auf dem Krieghof ansässig, wie man einer Urkunde entnehmen kann, die ursprünglich im Gemeindearchiv Hottingen lag und mit der Eingemeindung 1893 ins Stadtarchiv Zürich gelangte.

Diese Urkunde Hottingen 23 wurde von Franz Ernst Zwyer von Evibach, fürstbischöflich-konstanzischer Obervogt von Kaiserstuhl und der Herrschaft Rötteln, auf Papier ausgestellt und ist auf den 26. Januar 1672 datiert (mutm. nach gregorianischem Kalender): 

«Schuldbrief von 83 Gulden auf Andreas Meyer, Wachtmeisters Sohn von Weiach, zu Gunsten von Jacob Baumgarter im Krieg, Weiach

Eintrag im Kirchenbuch Weiach, 1774

Der jüngste in unserer Reise durch die Jahrhunderte vorgestellte Beleg feiert heute seinen 250. Geburtstag. Es handelt sich um einen Eintrag des Weiacher Pfarrers im Tauf- und Eheregister 1753-1860, datiert auf den 10. Mai 1774:

«Baumgartner, Hans Heinrich, Weiach, getraut mit Meier, Elisabeth, Weiach» (StAZH E III 136.2, EDB 145)

Zwecks näherer Bezeichnung der familiären Herkunft dieses Hansheiri Baumgartner notierte der Pfarrer den Vermerk: «im Krieg».

In einem späteren Artikel werden wir sehen, dass der Name Baumgartner auch im 19. Jahrhundert noch eng mit dem Flurnamen Im Krieg verbunden war.

Quellen und Literatur

  • Schuldbrief über 83 Gulden d.d. 26. Januar 1672. Signatur: StArZH VI.HO.A.1.:23.
  • Eintrag im Tauf- und Eheregister Weiach, d.d. 10. Mai 1774. Signatur: StAZH E III 136.2, EDB 145.
  • Inventar des Stadtarchivs Kaiserstuhl. Im Auftrag der Aargauischen Historischen Gesellschaft bearbeitet von Dr. Karl Schib. Aarau 1936 – S. 8.
  • Hofmann-Wiggenhauser, B.: Flurnamen: Krieg in der Chälen. In: Schweizer Bauer online, 25. Dezember 2017, 18:36.
[Veröffentlicht am 11. Mai 2024 um 23:48 MESZ]

Mini-Serie «Im Chrieg. Ein Weycher Flurname»

Teil 1 (WeiachBlog Nr. 2096); Teil 2 = dieser Artikel (WeiachBlog Nr. 2097); Teil 3 (WeiachBlog Nr. 2098); Teil 4 (WeiachBlog Nr. 2099)

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