Montag, 22. August 2022

Der Weiacher «Pulverturm»? Ein unscheinbares Wohnhaus.

Wenn es um Sprengstoffe geht, dann versteht der Staat keinen Spass. Schliesslich hat man bereits mehrere Jahrhunderte Erfahrung damit, was so alles schiefgehen kann, wenn man Schwarzpulver falsch lagert oder sonst falsch damit umgeht. Das mussten 1654 beispielsweise die Einwohner der niederländischen Stadt Delft am eigenen Leib erfahren, als ein Pulverlager mitten in der Stadt explodierte, mindestens 200 Häuser dem Erdboden gleich machte, weitere 300 irreparabel beschädigte und wohl hunderte von Menschen umbrachte, vgl. Delfter Donnerschlag. Die Obrigkeiten betrachteten jedenfalls den Umgang mit Pulver als Staatsmonopol (wie beim Salzregal, etc.: alles sog. Regalia minora).

Monopol dank Art. 38 Bundesverfassung

«Fabrikation und Verkauf des Schießpulvers im Umfange [gemeint: auf dem Staatsgebiet] der Eidgenossenschaft stehen ausschließlich dem Bunde zu.» (Art. 38 BV 1848)

Auch die Bundesverwaltung setzte kurz nach der Gründung des Bundesstaates das der Eidgenossenschaft von den Kantonen zedierte Pulverregal um, und bestimmte, gestützt auf das Bundesgesetz über das Pulverregal vom 30. April 1849, diejenigen Personen, die fortan exklusiv Schwarzpulver und Munition verkaufen durften.  

Der Spezereihändler Johann Ulrich Nauer in Weiach war 1850 einer von damals 32 eidgenössisch patentierten Pulververkäufern im Kanton Zürich (vgl. WeiachBlog Nr. 181 v. 4. Mai 2006). 

Die Handlung der Nauers befand sich seit 1844 im Gebäude Chälenstrasse 6, westlich der Verzweigung Chälenstrasse/Riemlistrasse. In denselben Räumlichkeiten war später auch das Depot der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Weiach domiziliert. Bis zur Eröffnung des VOLG-Ladens an der Stadlerstrasse 4 im Jahre 1935.

Der Weiacher «Pulverturm»

Das Munitionsdepot hingegen war in einem separaten Gebäude untergebracht: dem heutigen Wohnhaus von Werner Nauer an der Riemlistrasse 3. Diese Information verdankt WeiachBlog der Schwester des Genannten, Esther Werthmüller-Nauer. 

Esther hat bei der Renovation ihres Elternhauses, der Nauer'schen Handlung, unter Bodenbelägen und Teppichen versteckt, diese beschriftete Blechtafel gefunden:


Sie habe dazu gedient, das Eindringen von Mäusen aus den Zwischenböden in die Wohnräume zu verhindern, erzählt Werthmüller. Und so ist die Tafel erhalten geblieben. 

Die Vornamensinitiale des Inhabers kann man zwar als die des Patentinhabers Johann Ulrich Nauer deuten. Gemeint sein könnte aber auch sein Sohn Jakob. Wir wissen nämlich nicht, wie alt die Tafel ist. Die Vermutung, sie sei bereits um 1850 angefertigt worden, ist jedenfalls nicht abwegig.

Pulver- und Munitionsverkaufspatent auch für Nauer junior

Johann Ulrich Nauer hat offenbar zu keinerlei Beanstandungen Anlass gegeben, sodass man ihm das Verkaufspatent über Jahrzehnte immer wieder erneuert hat. Das muss man aus einem Regierungsratsbeschluss vom 3. April 1890 schliessen:

«Betreffend ein Gesuch des Herrn Jakob Nauer, Spezereihandlung, in Weiach, um Übertragung des seinem verstorbenen Vater, Joh. Ulrich Nauer, zugestandenen Pulver- und Munitionsverkaufspatentes auf seinen Namen,

beschließt der Regierungsrath
nach Einsicht eines Antrages der Direktion des Militärs:

1. Es sei das Gesuch dem eidg. Militärdepartement mit folgendem Schreiben zu übermitteln:

„Herr Jakob Nauer, Spezereihandlung, in Weiach, ersucht mit Schreiben vom 25. März um Übertragung des seinem Vater, Joh. Ulrich Nauer, während zirka 40 Jahren zugestandenen Pulver- und Munitionsverkaufspatentes auf seinen Namen.

Der Gemeindrath Weiach ertheilt dem Gesuchsteller ein günstiges Leumundszeugniß und bezeugt, daß derselbe schon lange Jahre unter seinem Vater den Verkauf des Pulvers und der Munition mit der größten Vorsicht besorgt habe und daß ein Unfall aus diesem Verkaufe nie entstanden sei; es könne daher das Gesuch zur Entsprechung empfohlen werden.

Wir nehmen keinen Anstand Ihnen das Gesuch ebenfalls in empfehlendem Sinne zu übermitteln.“

2. Mittheilung an die Direktion des Militärs.
»

Gemeinde und Kanton hatten also keine Bedenken, dem damals rund 38-jährigen Jakob Nauer ihr Vertrauen auszusprechen. Die Antwort aus Bern kam postwendend. Auch der Bund hatte nichts zu beanstanden, sodass der Zürcher Regierungsrat bereits am 22. April 1890 den folgenden Protokolleintrag beschliessen konnte: 

«Die Mittheilung des eidg. Militärdepartements, daß es dem Jb. Nauer in Weiach ein Patent für Pulver- und Munitionsverkauf ausgestellt habe, geht an die Direktion des Militärs zu Akten.»

Quellen und Literatur
  • Text Bundesverfassung 1848 nach verfassungen.ch
  • Verzeichniß der vom eidgenössischen Finanzdepartement für die Dauer vom 1. Juli 1850 bis 1. Juli 1851 patentirten Pulververkäufer. In: Bundesblatt, Bd. 2 (1850), Heft 37, S. 410.
  • Regierungsratsbeschluss vom 3.4.1890. Signatur: StAZH MM 3.4 RRB 1890/0640
  • Regierungsratsbeschluss vom 22.4.1890. Signatur: StAZH MM 3.4 RRB 1890/0743
  • Brandenberger, U.: Der eidgenössisch patentirte Pulververkäufer. WeiachBlog Nr. 181 v. 4. Mai 2006.
  • Standort Pulverturm. Persönliche Mitteilung von Esther Werthmüller, 20. Juni 2022.
  • Bild der Tafel «Munition und Pulverhandlung von J. Nauer» von Esther Werthmüller, 24. Juni 2022.

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