«Ebenfalls bietet Nau.ch begleitend zu seinen Beiträgen in der Regel eine online-Kommentaroption. Um Hass-Kommentare einzuschränken und rassistische und sexistische Äusserungen radikal zu unterbinden, wird die Kommentarfunktion von eigens dazu beauftragten Mitarbeitern betreut.» (Quelle: Publizistisches Leitbild der online Newsplattform Nau.ch. Bern, 1. Juli 2021)
«Hass ist keine Meinung», wird in letzter Zeit in (die Meinungsäusserungsfreiheit beschränkender Bevormundungsabsicht) in Social Media herumposaunt.
Wo genau die Grenzlinie zwischen einem zulässigen Kommentar und Hass bzw. Hetze verläuft? Das wird selten bis nie mit hinreichender Präzision festgenagelt. Wenig verwunderlich. Denn in diesem Bereich will man freihändig durchgreifen können. Gerade, wenn man Journalist ist.
Kritik ist Hass?
Unerwünschtheit fängt nämlich bereits viel früher an, als an dem Punkt, wo klar justiziable Aussagen gemacht werden. Auch Blattkritik, d.h. das analytische Auseinandernehmen eines journalistischen Produkts zwecks Verbesserung künftiger Arbeiten, wird als höchst störend empfunden:
«Verunglückte Schlagzeile. Es gibt in Weiach nicht nur DIE eine Wasserleitung. Ab Herbst wird sie in diesem Strassengeviert Stockistrasse-Neurebenstrasse-Riemlistrasse-Weinbergstrasse ersetzt. Andere Sanierungsprojekte sind bereits früher gelaufen.» (Kommentar Wiachiana-Verlag am 2.8.2022, 12:20)
Das war bereits der zweite Kommentar meinerseits, der von Nau-Mitarbeitern unter einem ihrer Artikel gelöscht wurde. Gilt das schon als «Hass-Kommentar»? Scheint so.
In bester Gesellschaft mit – dem Untergang geweihten Medien
Die Kritik am Titel «Ersatz der Wasserleitung in Weiach startet» mundet offensichtlich nicht. Dabei wird da noch nicht einmal ätzender Spott über der Redaktion ausgegossen. Nur eine Meinung über eine Schlagzeile geäussert. Und diese Meinung danach mit Fakten untermauert.
Aber: Blattkritik ist bei Nau.ch offensichtlich nicht erwünscht. Nicht, wenn sie als Meinung unter einem Beitrag gepostet wird und schon gar nicht, wenn nach der Löschung besagter Meinung dazu ein Blogartikel verfasst wird. Und – horribile dictu – selbiger Kommentarschreiber sich danach auch noch erdreistet, auf Twitter und Facebook auf den Blogartikel aufmerksam zu machen (vgl. WeiachBlog Nr. 1841).
Die NAUer scheinen mit dieser Dünnhäutigkeit punkto Blattkritik von ausserhalb der eigenen Redaktionsmauern allerdings nicht allein zu stehen. Wie man in den letzten Tagen so liest, ist das querbeet auch bei der (nach Meinung eines Exponenten von Nau.ch) dem Untergang geweihten traditionellen Medienlandschaft nicht anders. Sei es bei der Weltwoche oder beim Tages-Anzeiger: Unabhängig von der politischen Ausrichtung werden blattkritische Kommentare gelöscht, zensuriert, you name it. Diesem Trend schliesst sich auch Nau an. Nun, warum auch nicht? Was alle tun, das kann ja so falsch nicht sein, oder? Und als Journalisten sehen sich die Nau-Mitarbeiter ja auch.
Noch kein Anmeldeverfahren
Wenigstens gestaltet Nau.ch das Einbringen eines Kommentars noch ziemlich hürdenfrei. Will man bei den Flaggschiffen NZZ oder TX Group (vormals TAmedia AG; Tages-Anzeiger, etc.) einen Kommentar posten, dann muss man einen Account eröffnen (z.B. bei Disqus) und sich dafür anmelden. Solche Zugangskontrollen kennen die NAUer nicht. Nun, auch damit hätte der Verfasser dieser Zeilen kein Problem. Und würde immer noch dasselbe schreiben, wofür sich dann kaum jemand interessieren würde.
Egal. Auch die kleinste Kritik an der Arbeit der eigenen Kollegen oder dem Brötchengeber ist tabu. Dafür sorgt zuverlässig der «eigens dazu beauftragte Mitarbeiter», der solche «Meinungen» zeitnah zu ihrem Auftreten in den Orkus befördert.
Wirkt Appeasement?
Versuchshalber hat der Wiachiana-Verlag dann am Sonntag einen Repost mit dem folgenden, inhaltlich präziser formulierten Text gewagt:
«Verunglückte Schlagzeile. Es gibt in Weiach nicht nur DIE eine Wasserleitung. Ab Herbst wird sie im Strassengeviert Stockistrasse-Neurebenstrasse-Riemlistrasse-Weinbergstrasse ersetzt. Andere Sanierungsprojekte (z.B. an der Büelstrasse) sind bereits früher gelaufen.» (Kommentar Wiachiana-Verlag am 7.8.2022, 18:08)
Wie lange hielt sich diese Meinung online? Antwort: Weniger als 24 Stunden. Am Montag, 8. August, um 10 Uhr war sie bereits gelöscht.
Selbigen Tages um 11:54 dann noch ein dritter Versuch beim selben Artikel. Appeasement-Massnahme: Ersten Satz weglassen. Mal sehen, ob die Nau-Zensur erneut zuschlägt.
Knapp 24 Stunden später, am 9. August gegen Mittag, war auch diese entschärfte Fassung gelöscht. Nicht nur «Verunglückte Schlagzeile» ist also «Hass-Rede». Auch sonstige Hinweise auf Fehler. Welche Wortwahl man im Angesicht der heiligen mediokratischen Inquisition zu unterlassen hat? Keine Ahnung.
Ergo: Blattkritik ist Hass ist keine Meinung. Quod erat demonstrandum.
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