Sonntag, 28. Februar 2021

Nahe Verwandte: Die Kirchen von Niederhasli und Weiach

Mit ihrem himmelwärts strebenden, achtseitigen Spitzhelm auf dem Dachreiter gilt die evangelisch-reformierte Pfarrkirche von Weiach als Wahrzeichen des Dorfes. Ganz so einzigartig wie dieses Bauwerk wirkt, ist es im Zürcher Unterland allerdings nicht.

Emil Aftergut vergleicht in seiner Dissertation aus dem Jahre 1922 die Weiacher Kirche von 1706 explizit mit der 1683 erbauten Kirche Unterdorf in Affoltern bei Höngg (seit 1934: Zürich-Affoltern).

Darauf hat der Redaktor des WeiachBlog bereits in seiner Schrift zum 300-jährigen Jubiläum des Weiacher Gotteshauses hingewiesen.


Links die Kirche Unterdorf, Zürich-Affoltern, rechts die Kirche Weiach
(Abb. 9 auf S. 18 der Monografie «ein nöüer Kirchenbauw allhier zu Weyach»)

Nun gibt es aber noch ein weiteres Bauwerk, das unserer Kirche sehr ähnlich sieht. Und dieses liegt geographisch sogar noch näher als Affoltern. Es handelt sich um die Reformierte Kirche Niederhasli.

Im Gegensatz zur Weiacher Kirche, die auf einem neuen Bauplatz errichtet wurde, steht die Niederhasler Kirche an der Nöschikonerstrasse am Platz ihrer Vorgängerinnen. Die Baugeschichte reicht nachweislich bis mindestens ins Jahr 1188 zurück, als die damalige Kapelle von der Kirche in Bülach abgelöst wurde.


Die Kirche von Niederhasli im Jahre 1943 (aus: Hauswirth, S. 145)

Der heutige Zustand datiert auf das Jahr 1703 zurück, als gemäss dem Niederhasler Chronisten Hauswirth, die 1469 fertiggestellte alte Kirche den Anforderungen nicht mehr genügte: «Die Barockzeit brachte die damals übliche Erweiterung zur Saalkirche. Anlass zum grossen Umbau gab die Baufälligkeit des Turmes.» 

Die Baupläne wurden offensichtlich nicht nur einmal verwendet

Man habe zwar eigentlich zuerst nur einen neuen Dachreiter bauen wollen, erläutert Hauswirth weiter. Als die Baukommission (bestehend aus dem Obervogt und einem weiteren Ratsherrn aus Zürich) jedoch feststellen musste, dass der Chor der Kirche aus dem 15. Jahrhundert (ein Wiederaufbau nach der Zerstörung der mittelalterlichen Kirche im Alten Zürichkrieg am 7. Juni 1443) zu alterschwach geworden war, entschloss sie sich, den heutigen polygonalen Chorabschluss erstellen und den Dachreiter darauf anbringen zu lassen.

Der genannte Obervogt war der des Neuamts, derselben Verwaltungseinheit, der auch Weiach von 1442 bis 1798 angehört hat. Es verwundert daher nicht wirklich, dass die Ähnlichkeit des Bauplans zu dem von Weiach frappant ist. Die Masse des Langhauses sind zwar nicht gleich, aber ähnlich:
  • Niederhasli: 9 m breit, ca. 19 m langer Saal (gemessen ohne Chorpolygon);
  • Weiach: 10 m breit, ca. 21 m langer Saal (ohne Chorpolygon) [geändert am 28.2. um 10 Uhr nach Fietz 1943; ursprüngliche Angabe: 12 m, aus dem Katasterplan herausgemessen].
Die Niederhasler Kirche konnte kleiner gebaut werden, weil es in den anderen Ortsteilen der damals (und noch bis 1840) Nöschikon und Niederglatt umfassenden Gemeinde weitere Gotteshäuser gab.

Als es 1705 um den Neubau der Weiacher Kirche ging, musste der Neuamts-Obervogt also nicht wieder bei Null anfangen, sondern konnte auf frische Erfahrungen aus der erfolgreichen Erweiterung in Niederhasli zurückgreifen.

Bemerkenswert ist es daher, wenn Pfr. Heinrich Brennwald im Weiacher Turmkugeldokument Nr. 2 von 1706 vermerkt, dass gleich eine ganze Reihe von Handwerkern aus Niederhasli und Nöschikon stammten, so der Maurermeister und einer seiner sieben Mitarbeiter, dann zwei der vier Steinhauer, sowie – mit einer Ausnahme – alle Zimmerleute!

Auch die Innenausstattung weist Ähnlichkeiten auf. So ist beispielsweise die Weiacher Kanzel mitsamt Schalldeckel in ähnlichem Stil gestaltet wie die von Niederhasli aus dem Jahre 1703 (vgl. Hauswirth S. 148 und Brandenberger 2006, S. 35).

Die Weiacher Kirche ist daher so etwas wie die jüngere Schwester der Kirche Niederhasli.

Quellen und Literatur
  • Brennwald, H.: Turmkugeldokument Nr. 2 vom 9. August 1706. Signatur des Originals: OM Weiach KTD 2. Volltext-Edition in Brandenberger, U.: Zeitkapsel Turmknopf. Weiacher Turmkugeldokumente Bd. 1. Wiachiana-Verlag, Trub 2017 (in Überarbeitung).
  • Aftergut, E.: Reformierte Kirchen im Kanton Zürich von der Reformation bis zur Romantik, Diss. Univ. Zürich 1922.
  • Fietz, H.: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich [Kdm]. Band II: Die Bezirke Bülach, Dielsdorf, Hinwil, Horgen und Meilen. (Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 15). Basel 1943 – S. 143-144.
  • Hauswirth, F.: Niederhasli. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. vom Gemeinderat Niederhasli. Niederhasli 1988 – S. 144-145 u. 148. [Kapitel über die Kirchen: pdf, 9.0 MB]
  • Brandenberger, U.: «ein nöüer Kirchenbauw allhier zu Weyach». 300 Jahre Kirche Weiach, 1706 – 2006. Herausgegeben von der Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Weiach und der Ortsmuseumskommission Weiach. Weiach 2006 – S. 18. [Online-Ausgabe 2007]
  • Brandenberger, U.: Pfarrer Brennwald beim Bau der Kirche zu Tode geärgert. WeiachBlog Nr. 1553 v. 25. Juli 2020.

Sonntag, 21. Februar 2021

Mehr Hunde als Rindviecher

Bekanntlich gehört Weiach zur Agglomeration Zürich. In den letzten Jahren ist die Gemeinde bevölkerungsmässig explosionsartig gewachsen. Mit Zuwachsraten wie sie sonst nur der Bevölkerungsdynamik von Drittweltstaaten entsprechen. 

Die weltweit zu beobachtende Verstädterung hat auch unser Dorf mit voller Wucht erfasst. Ablesbar ist das auch an einem statistischen Indikator: der Tierverkehrsdatenbank der Identitas AG in Bern. Diese Firma erfasst im Auftrag des Bundes alle individuell nachzuverfolgenden Heim- und Nutztiere. 

Bundesrechtliche Tierdatensammlung

Ende 2020 ist die einjährige Frist zur Meldung aller Ziegen und Schafe in der Schweiz abgelaufen. Schon länger besteht eine Meldepflicht für Rindvieh, Hunde und Equiden (letztere seit 2016). Unter die Equiden fallen Pferde, Wildpferde, Esel, Halbesel und Zebras sowie alle Kreuzungen unter den genannten Arten.

Auf der frei zugänglichen Website tierstatistik.identitas.ch findet man eine Fülle von Informationen, u.a. dazu, welche Rassen gehalten werden, oder zur Grösse der Tierhaltungen. Sogar die beliebtesten Tiernamen. 

Der jeweilige Hauptstandort der Tierhaltung bestimmt sozusagen den zivilrechtlichen Wohnsitz eines Tieres. So kann man für die Weiacher Tierhalter folgende Daten per 31. Januar 2021 herauslesen:

201 Hunde, 6 Ziegen, 81 Equiden, 115 Rindvieh, 0 Schafe

(Vgl. https://tierstatistik.identitas.ch/de/map-dogs-commune.html; Ersetze «dogs» durch goats, equids, cattle, sheep für die jeweilige Kategorie)

Städte sind auf den Hund gekommen

Es gibt also in Weiach mehr Hunde als Rindviecher. Schweine dürfte es zwar mehr geben als Hunde, sie werden vom Bund aber (noch) nicht individuell über ihren gesamten Lebensweg zurückverfolgt. Vergleicht man nun die Weiacher Identitas-Zahlen mit denen von Fisibach (56 Hunde, 45 Equiden, 299 Rindviecher), dann wird schnell klar, dass der westliche Nachbar noch etwas bäuerlicher geprägt ist.

Die Einwohner des Städtchens Kaiserstuhl (41 Hunde, aber keine Nutztiere) liegen punkto Hundedichte etwas unter Weiach. Von den Nachbargemeinden haben nur die Bachser mehr Hunde pro 100 Einwohner als die Weiacher. Weiach rangiert denn auch unter den 500 Gemeinden mit der höchsten Hundedichte pro Person von 2211 Schweizer Gemeinden.

Mit Fisibach haben die Bachser allerdings den hohen Rindviehbestand gemein: Die Weiacher zählen 6.4 Rinder pro 100 Einwohner, die Bachser mehr als das 10-fache: 83.4. Zum Vergleich: Noch 1971 hielten Weiacher Bauern insgesamt 490 Stück Rindvieh. Damals zählte Weiach rund 690 Einwohner. Also 71 Stück pro 100 Einwohner.

Was die Frage aufwirft: Seit wann ist Weiach kein Bauerndorf mehr? Schon seit den 1970ern?

Samstag, 20. Februar 2021

Heirat trotz Verbot. Wer waren die Wagemutigen?

Heinrich Näf (geboren um 1695) und Verena Matzinger (getauft 5. September 1697). Das sind mit höchster Wahrscheinlichkeit die beiden Personen, welche 1720 die Weiacher Gemeindeoberen zu einem amtlichen Eheverbot veranlasst haben (vgl. WeiachBlog Nr. 166 v. 19. April 2006). Und danach zur Ausbürgerung des Ehemannes, als sie dennoch die Frechheit hatten, im Schaffhausischen zu heiraten. Herausgefunden hat dies der Genealoge Willi Müller aus Wilchingen SH.

Die Eheschliessung fand erst am 20. Februar 1721 in der Kirche Buchberg-Rüdlingen statt (also genau heute vor 300 Jahren). Da war die Ursache für den Verheiratungswunsch bereits seit Wochen auf der Welt. Jakob wurde im Dezember 1720 geboren und war am 30. Dezember ebenfalls in dieser Kirche hoch über dem Rhein und dem Dorf Rüdlingen getauft worden. 

Es spricht für den werdenden Vater, dass er zu der von ihm Geschwängerten stand und schon während der Schwangerschaft die Ehe beantragt hat, trotz der Gegenwehr aus Weiach. Mit den erwähnten Folgen: Eheverbot und 1721 nach Bekanntwerden der Verehelichung Genehmigung des Entzugs des Weiacher Bürgerrechts und lebenslänglichem Landesverweis durch Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich.

Damit hat Weiach versucht, sich allfälliger Unterhaltsforderungen für das unehelich gezeugte Kind zu entledigen. Ob dies gelungen ist? Das Personenblatt führt als Bürgerort des Jakob Näf denselben wie für seinen Vater auf: Weiach. Haben die Schaffhauser die Ausbürgerung von Heinrich Näf ganz einfach nicht akzeptiert und als ungültig betrachtet? 

Wahrscheinlicher ist, dass - dem noch Ende 1720 geltenden Zustand folgend - Heinrich Näf im Februar 1721 zu Recht noch als Weiacher Bürger mit Zürcher Landrecht betrachtet wurde.

Hat Näf nach seiner Ausbürgerung das Schaffhauser Landrecht erworben? Hat er das Bürgerrecht von Rüdlingen erhalten (von dort stammte Verena Matzinger)? Oder ist er mit seiner jungen Familie ausgewandert? Letzteres scheint nicht ganz abwegig, denn aus der Familientafel der Herkunftsfamilie der Ehefrau Näfs geht deutlich hervor, dass nur von Verena und ihrem Bruder Hans Konrad (geb. 1706) kein Sterbedatum bekannt ist!

Wie so häufig bei Geschichtsmosaikstückchen mit Weiach-Bezug gilt: Es besteht noch erheblicher Forschungsbedarf.

Quellen und Literatur
  • Brandenberger, U.: Verbotene Heirat – Bürgerrecht weg! WeiachBlog Nr. 166 v. 19. April 2006 mit Verweis auf ders.: Heiraten verboten! Armenwesen und Finanzen vor 150 Jahren. Handout zum Vortrag anlässlich der GV 2005 der Anlegervereine Midas und Heureka. Zürich, 14. März 2005.
  • Müller, W.: Familien Geschichten Müller Meyer Rahm Schlatter. www.zurfernsicht.ch/tng
  • Brandenberger, U.: Persönliches Telefongespräch vom 31. Dezember 2020 mit Willi Müller
[Veröffentlicht am 21. Februar 2021 um 22:58; Korrektur zweitletzter Abschnitt, fehlendes Sterbedatum am 24.2.2021]

Freitag, 19. Februar 2021

Vor der Zweiten Schlacht um die Balance

Am 28. Juni letzten Jahres erlitt das von Gemeinderat und Schulpflege Weiach gemeinsam auf den Weg gebrachte Grossbauprojekt «Balance» (Investitionsvolumen: 19.7 Mio Franken) an der Urne Schiffbruch (vgl. WeiachBlog Nr. 1535).

Nun steht Weiach vor dem zweiten Schlagabtausch in diesem Themenkomplex. Dabei geht es um die Frage, ob das 2015 abgeschlossene Schulabkommen zwischen den Gemeinden Fisibach, Kaiserstuhl und Weiach auf den Ablauf der damals vereinbarten Rahmenfrist gekündigt werden soll oder nicht. Diese Kündigung wird in einer am 15. September 2020 durch alt Gemeindepräsident Werner Ebnöther und Mitunterzeichner eingereichten Einzelinitiative verlangt. Über diese Vorlage soll nun am 16. März abgestimmt werden.

Schulpflege will keine Urnenabstimmung

Gemäss Seite 11 des (unpaginierten) Beleuchtenden Berichts der Primarschulpflege lautet das Begehren wie folgt:

«Die Primarschulpflege Weiach wird beauftragt, die mit den Aargauer-Gemeinden Fisibach und Kaiserstuhl abgeschlossenen RSA-Anschlussverträge bezüglich Schulung der Kindergärtner und Primarschüler in Weiach nach der 10-jährigen Laufzeit oder auf den nächstmöglichen Kündigungstermin aufzulösen. Diese Anschlussverträge wurden am 10.06.2015 an der Versammlung der Primarschulgemeinde Weiach genehmigt und laufen bis Juli 2026. Die Primarschulpflege Weiach wird beauftragt, die Auflösung dieser Verträge den Weiacher Stimmberechtigten in Form einer Urnenabstimmung vorzulegen. Die Auflösung dieser Verträge muss bis spätestens Juni 2023 rechtskräftig bekannt gegeben wenden [sic!] (Kündigungsfrist ist 3 Jahre).»

Entgegen der Forderung der Initianten hat die Primarschulpflege entschieden, anlässlich einer ausserordentlichen Schulgemeindeversammlung über die Initiative befinden zu lassen. Es wird also erneut (wie 2015) nur eine exklusive kleine Minderheit der Weiacher Stimmberechtigten ihren Willen zum Ausdruck bringen (können).

Ausserkantonale Versammlung im Ebianum

Darüber hinaus wurde anlässlich der Informationsveranstaltung vom 9. Februar bekanntgegeben, dass die Versammlung nicht (wie üblich) in Weiach selber, sondern ausserkantonal im grossen Eventsaal des Ebianums (Baggermuseum der Firma Eberhard) in Fisibach durchgeführt werden soll. Dort stehe mehr Platz zur Verfügung. Gemäss Aussagen eines Vertreters der Schulpflege gegenüber WeiachBlog werden unter Corona-Schutzkonzept-Bedingungen 274 Plätze bereitstehen (also lediglich knapp über ein Drittel der vom Ebianum angegebenen 750 Personen Maximalkapazität).

Auch wenn diese Anordnungen den Vorschriften der Weiacher Schulgemeindeordnung und den Usanzen des Kantons Zürich nicht widersprechen und damit als legal zu beurteilen sind, stellt sich doch die Frage ob sie auch legitim seien. Und da gibt es schon einige Zweifel, wirkt sich doch die Verlegung des Versammlungsorts in Verbindung mit den seit Monaten von Bund und Kanton über alle Kanäle verbreiteten Aufforderungen an Risikogruppen (d.h. v.a. Personen über 70) möglichst keine Fremden zu treffen und zuhause zu bleiben, faktisch wie ein gruppenspezifisch installiertes Hindernis gegen die Ausübung der bürgerlichen Rechte aus.

Der Kerngehalt des Streits

Der Titel dieses Beitrags ist auch eine Anspielung auf den eigentlichen Kern, um den es bei dieser Auseinandersetzung geht, nämlich um die Frage, ob die gewählte Organisationsform des RSA-Vertrags für die vorliegende Konstellation zu einem für alle drei Partnergemeinden als ausgewogen zu beurteilenden Ergebnis führt. 

Letztlich geht es darum, ob das Weiterführen oder eben gerade die Kündigung des Vertrags dazu führen wird, dass die Gemeinde Weiach aus dem (finanziellen) Gleichgewicht gerät.

Konkret: Müssen die Weiacher Steuerzahler jedes Jahr draufzahlen, wie es die Initianten um Werner Ebnöther behaupten (vgl. WeiachBlog Nr. 1524)? Oder ist es im Gegenteil so, dass jedes Jahr ein finanzieller Gewinn herausschaut, der sich über die Jahrzehnte zu einer Millionensumme auftürme, wie es die Primarschulpflege in ihrem Beleuchtenden Bericht (auf S. 6 unten) darstellt?

Alles hängt davon ab, welche Zahlen man verwendet, ob sie für diesen Zweck geeignet sind und ob daraus die richtigen Schlüsse gezogen werden. Klar ist nur: mindestens eine der beiden Seiten liegt falsch. Die grosse Herausforderung für den Stimmberechtigten, der in diesem erbittert geführten Streit den Schiedsrichterpart übernehmen muss, ist es nun, den tatsächlichen Verhältnissen auf die Spur zu kommen.

Bekanntlich ist die Wahrheit immer das erste Opfer in jedem Krieg, denn Kriege beginnen immer auf der Propagandaebene. Ziel muss es also sein, Fakten von verführerischen Interpretationsangeboten zu unterscheiden und zu eruieren, was wirklich im besten Interesse der Gemeinde liegt.

Auf der Facebook-Gruppe «Du bisch vo Weiach, wenn...» wird von einem der IG «Eusi Schuel» nahestehenden Aktivisten behauptet, es sei «endgültig geklärt wie Positiv es Finanziell für unsere Gemeinde ausfällt wenn wir die Zusammenarbeit mit den Aargauer gemeinden weiterführen».

Von den Initianten wird diese Sicht auf die Dinge wohl heftig bestritten. Nachdem die Genannten sich mit ihren Zahlen nach wie vor bedeckt halten, gilt es aktuell, sich die bereits publizierten Zahlen der Primarschulpflege genauer anzusehen. 

Die Grundlagen müssen auf den Tisch

Aus dem Beleuchtenden Bericht (S. 6 unten) wird in keiner Art und Weise klar, mit welchen Szenarien, Annahmen und auf Basis welcher Datengrundlagen die präsentierten Zahlen im Detail erarbeitet und zum prospektiven Endergebnis von 8.2 Millionen (über einen Zeitraum von 30 Jahren) verrechnet wurden.

Noch weniger Fleisch am Knochen hat die Aussage der RPK Weiach, die auf S. 4 ohne vertiefte sachliche Erörterung zum Schluss kommt, die Initiative sei abzulehnen, zumal sonst als unmittelbare Folge der umgesetzten Kündigung eine Steuerfusserhöhung von 5-10 Prozent drohe. Interessant ist dabei der Umstand, dass die Primarschulpflege sich (auf S. 6) dahingehend äussert, die RPK habe «unabhängig eine eigene Berechnung» angestellt. Es fragt sich: inwiefern unabhängig? Mit eigenen Szenarien, eigenen Datengrundlagen?

Weiter wurde WeiachBlog zugetragen, dass Gemeindepräsident Stefan Arnold anlässlich einer der beiden Informationsveranstaltungen vom 9. Februar die Aussage gemacht habe, auch die Politische Gemeinde habe eigene Betrachtungen zum Thema angestellt und sei ebenfalls zum gleichen Schluss gekommen. Auch hier die Frage: Welche Überlegungen sind das im Detail? Wurden eigene Szenarien zugrundegelegt?

Die Präsidien der Schulpflege, der RPK und der Politischen Gemeinde werden hiermit aufgefordert, bis spätestens Ende Februar ihre jeweiligen Grundlagen in elektronischer Form so zugänglich zu machen, dass die Stimmberechtigten sich ein eigenes Bild zur Frage machen können, welche unterschiedlichen Überlegungen hinter den gleichlautenden Empfehlungen stehen (und zwar auch ohne, dass sie in Scharen in die jeweiligen Sekretariate pilgern und dort Akten wälzen gehen). 

Gerade in diesem Bereich ist der Lösungsweg das entscheidende Kriterium. Denn umstritten ist ja ebendiese Gültigkeit des Endresultats.

WeiachBlog freut sich auf eine ergebnisoffene Diskussion mit Befürwortern und Gegnern der Initiative.

Dienstag, 9. Februar 2021

Weiacher Radrennfahrerin Seraina Trachsel wird 40

Walter Baumgartner (*1953), seine Söhne Tobias und Benjamin. Und: Sereina Trachsel (*1981). Das sind die Weiacher Namen, die in den Ranglisten des Radrennsportes höchste Ränge erreicht haben. 

Sereina Trachsel, die heute 40 Jahre alt wurde, ist die mit Abstand erfolgreichste, wenn es um die Anzahl Titel geht (Quelle: Wikipedia): 

2004
  • MaillotSuiza.svg Schweizermeisterin – Strassenrennen
2005
  • MaillotSuiza.svg Schweizermeisterin – Strassenrennen
  • MaillotSuiza.svg Schweizermeisterin – Mannschaftszeitfahren
2007
  • MaillotSuiza.svg Schweizermeisterin – Strassenrennen

Der erste dieser Titel kam ziemlich überraschend, schlug die bis dahin im Radsport nicht bekannte, bereits 23-jährige Sereina doch im luzernischen Pfaffnau sämtliche Favoritinnen. 

Von da an musste die Konkurrenz mit der zähen Bergspezialistin rechnen. Und Sereina erwies sich keineswegs als Eintagsfliege, sondern verteidigte im Folgejahr den Titel und holte ihn 2007 noch ein drittes Mal. Damit gehört die Weiacherin mit Barbara Heeb, Nicole Brändli und Jennifer Hohl zu den wenigen die diesen Titel dreimal geholt haben. Nur Edith Schönenberger (6x in Folge) und Luzia ZBerg (4x) waren seit der Erstaustragung 1982 häufiger Schweizermeisterin im Strassenrennen.

2008 wurde Sereina aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen nicht für die Teilnahme an den Olympischen Spielen selektioniert.

Mit dem vorübergehenden Aus für das Schweizer Frauenradteam Bigla per Ende 2009 hat sie ihre kurze, aber überaus erfolgreiche Radkarriere an den Nagel gehängt.

Heute lebt sie mit ihrer Familie in Luzern.

Sereina auf WeiachBlog

[Veröffentlicht am 10. Februar 2021 um 00:45 MEZ]

Mittwoch, 3. Februar 2021

Nicht den ganzen Eichenwald abgeholzt!

In der jüngsten Ausgabe des hiesigen Mitteilungsblatts ist ein vom Projektteam Musical Weiach geführtes Interview mit Raimund Wiederkehr abgedruckt. Das Musical mit dem Titel «Die Tigerin von Weiach» soll (wenn es die Corona-Vorschriften des Direktoriums der Helvetischen Republik zu Bern dannzumal zulassen) im September 2021 anlässlich der 750-Jahr-Feier als Freilichtspiel zur Aufführung gelangen. 

Wiederkehr, der Komponist der dazugehörenden Musik, sagt da an einer Stelle, das Stück spiele «in einer der dramatischsten Zeiten der Schweiz und Weiachs, als hier französische Soldaten stationiert waren, die nicht nur den ganzen stattlichen Eichenwald abholzten (historisch verbürgt), sondern auch sonst die Dorfgemeinschaft gehörig aufmischten.» (Mitteilungsblatt Gemeinde Weiach, Februar 2021 – S. 30)

Ganz so schlimm war's nicht

Dass sie letzteres getan haben, da kann der Redaktor des WeiachBlog nicht widersprechen. Das dürfte schon so gewesen sein. Keineswegs «historisch verbürgt» ist allerdings, dass die Franzosen gleich den ganzen Eichwald abgeholzt hätten. So schlimm haben sie dort dann doch nicht gehaust. 

Und im Übrigen ist auch nicht gesichert, dass sie für diese Schäden allein verantwortlich waren. Es ist nämlich mit schriftlichen Quellen belegt, dass bei Weiach zur fraglichen Zeit im Jahre 1799 auch helvetische Truppen campiert haben (vgl. u.a. die Aufzeichnungen von Hans Jakob Kern sowie Amtl. Sammlg. Akten Helv. Rep.)

Die unmittelbarste gedruckte Quelle für den im Wald angerichteten Schaden ist das Neue republikanische Blatt vom 24. Nivose VIII (nach dem Revolutionskalender; also dem 14. Januar 1800), wo es wörtlich heisst «der schöne Weyacher Wald» sei «verheert» worden. So ein Bericht, in dem es primär um Schäden in der Gemeinde Glattfelden ging (vgl. WeiachBlog Nr. 1485 für den Volltext) und wo nicht näher spezifiziert wurde, um welchen Wald auf Weiacher Boden es gegangen ist. Gemeint war aber wohl der weitherum bekannte Eichenbestand im Hardwald.

Ein Viertel geschlagen?

Aus einer Distanz von nicht ganz einem halben Jahrhundert zur Helvetik hat uns der Zürcher Beamte Friedrich Vogel in seinem Standardwerk Die alten Chroniken im Artikel über Weiach folgenden Wortlaut hinterlassen:

«In dem Kriegsjahr 1799 litt Weyach vorzüglich großen Schaden durch theilweise Verheerung und Abnutzung des herrlichen Eichwaldes, wo französische Truppen lange Zeit kampirten. Ein Viertheil desselben soll geschlagen worden sein.» (Vogel 1845/57 – S. 818; Vgl. WeiachBlog Nr. 383 v. 10. Februar 2007)

Woher diese Angabe von einem Viertel stammt, ist leider nicht bekannt.

Spätere Zeiten forderten auch ihren Tribut

Im Abschnitt über den Waldbau der Ortsbeschreibung Weiach von 1850/51 hat sich der frühere Zunftgerichtspräsident Baumgartner (die Zunft Stadel war eine Untereinheit des Bezirks) zu diesen Franzosenschäden wie folgt geäussert:

«Die Hardwaldung, vor allen andern Waldbezirken der Augapfel der Gemeinde, [...] misst 296 Juchart und hat noch gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts ungeachtet der für Hochbestand nicht sehr günstigen Bodenbeschaffenheit eine der schönsten Eichwaldungen  des Cantons gegolten. [...] Zu Anfang dieses Jahrhunderts schlugen die Franzosen im obern Theil dieser Waldung ein Lager auf, wobei ein bedeutendes Revier umgehauen und theilweise verbrannt wurde, dasselbe hat daher den Namen Franzosenhau behalten. Die Zahl der übrig gebliebenen Hochstämme belief sich noch im Jahre 1820 auf ca. 4'000. Es ist aber diese Zahl seit jener Zeit durch Absterben und Wegnahme zu Bauten und sonstigem Bedarf, ferner zur Äufnung des Armengutes auf ca. 2'500 zurückgekommen.»

Der Flurname Franzosenhau (den es auf Weiacher Gebiet gleich zweimal gibt), bezeichnet in diesem Fall den Abschnitt, der heute südlich der Bahnlinie an der Grenze zum Zweidler Gebiet liegt. Er reichte zur Zeit der Helvetik und auch zur Zeit der Ortsbeschreibung noch bis an den früheren Verlauf der Hauptstrasse Nr. 7 heran (vgl. WeiachBlog Nr. 568 v. 21. November 2007).

Bei der Schätzung mit Jahrzahl 1820 dürfte sich Baumgartner auf den Wirtschaftsplan der Gemeindewaldung Weiach von 1821 bezogen haben (vgl. StAZH Z 31.1298).

Fazit: ein grosser Teil der Eichenstämme im Hardwald ist nicht nur den Franzosen, sondern ebenso der Sozialhilfe zum Opfer gefallen. Dieser Verlust wäre den Fremden also höchstens mittelbar anzulasten.

Quellen und Literatur

  • Neues republikanisches Blatt. Herausgegeben von Escher und Usteri. Band I. N. XI. Bern, 14. Januar 1800. (24. Nivose VIII) – S. 44.
  • Die alten Chroniken oder Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich von den ältesten Zeiten bis 1820 neu bearbeitet von Friedrich Vogel, Sekretär des Baudepartements. Zürich 1845 (Nachdruck 1857) – S. 818. 
  • Baumgartner, alt Zunftgerichtspräsident: Waldbau. In: Ortsbeschreibung Weiach Anno 1850/51, Handschrift aus den Turmkugeldokumenten; Signatur: OM Weiach KTD 7.
  • Hildebrandt, Walter: Bülach in den Kriegswirren der Jahre 1798-1800. Handschriftliche Aufzeichnungen von Hans Jakob Kern (1774-1840). In: Neujahrsblatt für Bülach und das Zürcher Unterland 1939 – S. 5-15.
  • Amtliche Sammlung der Acten aus der Zeit der Helvetischen Republik (1798-1803). 16 Bände. Bern 1886 bis Freiburg 1966. Bd. 4, pp. 192f, 1493f; Nr. 50 zum 17. April 1799.
  • Projektteam Musical Weiach (ed.): «Die Tigerin von Weiach» – das Musical zum Fest. Interview mit Raimund Wiederkehr. In: Mitteilungsblatt Gemeinde Weiach, Februar 2021 – S. 30-31.