Dienstag, 9. Juni 2020

Bringt «Balance» die Gemeinde Weiach aus dem Gleichgewicht?

Grosse Projekte mit weitreichenden Auswirkungen für Jahrzehnte sind geeignet, für Unruhe und heftige Diskussionen zu sorgen. Vor allem wenn sie bezüglich zentraler Entscheidkriterien im Geheimen vorbereitet, im Eilverfahren ausgerollt und schliesslich dem Stimmvolk als alternativlos verkauft werden.

Das war 2017 bei der Frage der Kirchenfusion mit Stadel und Bachs so (vgl. WeiachBlog Nr. 1338 und 1339). Und es ist offenbar auch heute nicht viel anders, wo Gemeinderat und Primarschulpflege Weiach in wenigen Tagen ein «Generationenprojekt» mit dem Namen «Balance» zur Abstimmung bringen (Zürcher Unterländer, vgl. WeiachTweet Nr. 2847 v. 30. April).

Offizielle Kommunikation mit Medienbrüchen

Der Bedeutung des Vorhabens entsprechend hat die Politische Gemeinde auf ihrer Website zwar eigens eine Kategorie «Ersatzneubau Schul- und Mehrzweckanlage Hofwies» eingerichtet. Dort sind – mit einer Ausnahme – sämtliche Unterlagen abgelegt.

Ausgerechnet der «Beleuchtende Bericht für die Urnenabstimmung vom 28. Juni 2020» aber (der auch den Bericht der RPK enthält) ist auf der Website nirgends zu finden. Er ist den Abstimmungsunterlagen beigelegt und es gibt ihn ausschliesslich in gedruckter Form, wie die Gemeindeverwaltung auf Rückfrage von WeiachBlog am 8. Juni ausdrücklich bestätigte.


Dazu kommt, dass es bedingt durch die Corona-Verordnung des Bundes bislang nicht möglich war, Informationsveranstaltungen durchzuführen, an denen die Verantwortlichen den Stimmberechtigten unmittelbar Red und Antwort stehen, wie das in unserer Gemeinde sonst üblich ist.

Die Stimme der Gegenseite als Flugblatt

Nun hat der Verfasser des WeiachBlog von einer Leserin des WeiachTweet Fotos eines farbigen Flyers zugeschickt erhalten. Mit dem Hinweis, dieser sei in den letzten Tagen in ihrem Briefkasten gelandet:

 

Im Hinblick auf die Informationsveranstaltung vom Freitag, 12. Juni und die kurz darauf anberaumte kommunale Volksabstimmung vom 28. Juni 2020 wird nachstehend der Volltext dieses von «Besorgten Stimmberechtigten von Weiach» aufgesetzten Flugblatts veröffentlicht.

Weiach: Schulhauserweiterung Hofwies für 20 Millionen
Urnenabstimmung vom 28. Juni 2020

Ein klares NEIN zu diesem Generationen-Projekt: warum?
  • Wir erweitern und finanzieren die Schulanlage, ohne dass die Gemeinden Fisibach und Kaiserstuhl sich finanziell daran beteiligen (ein Drittel der Schulkinder in Weiach kommen von diesen beiden Gemeinden)!
  • Wir bezahlen schon heute zwischen 8 und 12 Steuerprozente mehr, damit die Aargauer-Schüler seit 2016 nach Weiach kommen dürfen! Der Steuerfuss der Schulgemeinde stieg demzufolge seit 2015 von 42 auf 54 Steuerprozente!
  • Bestehende Schulinfrastrukturen in Fisibach und Kaiserstuhl werden nicht berücksichtigt oder abgebrochen! Diese «verlorenen» Kapazitäten bauen wir mit diesem Projekt wieder bei uns in Weiach!
  • Der 25-jährige Gemeindesaal in Weiach wird abgebrochen. Im Neubau befindet sich ein neuer Gemeindesaal, der aber bedeutend kleiner als der bestehende sein wird!
  • Ein Ja zu diesem Riesen-Projekt würde die Gemeinde über kurz oder lang in finanzielle Schieflage bringen!
  • Der grosse Steuerertrag aus dem Kiesabbau geht dem Ende entgegen. Zusammen mit der Corona-Krise ist zu befürchten, dass die Steuereinnahmen sinken werden und der Steuerfuss massiv erhöht werden muss.
Deshalb gehört am 28. Juni 2020 ein klares NEIN in die Urne

Besorgte Stimmberechtigte von Weiach

Auf der anderen Seite des Flyers steht:

Begründung

Die Primarschulpflege zusammen mit dem Gemeinderat Weiach beantragen den Weiacher Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, dem Kredit über 20 Millionen für die Erweiterung der Schulhausanlage Hofwies zuzustimmen. Mit diesem Projekt würde die Mehrzweckhalle und der 25 jährige Gemeindesaal abgerissen für das neue Gebäude. Dieser riesige Betrag würde aber auch unsere Gemeinde über viele Jahre arg strapazieren.

Die meisten Stimmberechtigten konnten sich nur über die zugestellten Unterlagen informieren. Für ein solch grosses «Generationenprojekt» müsste aber vor der Abstimmung zwingend die Gelegenheit geboten werden, sich eine Meinung an einer entsprechenden Informationsveranstaltung zu bilden. Nach mehreren Jahren Planung muss der Bevölkerung Zeit dafür eingeräumt werden.

Die Kosten dieser Schulhauserweiterung tragen voll die Weiacher Steuerzahler. Die mit Fisibach und Kaiserstuhl abgeschlossenen Anschlussverträge sehen nicht vor, dass zusätzliche Investitionskosten von diesen beiden Gemeinden mitgetragen werden sollten.

Zu den Fakten:

Im Juni 2015 stimmte die Gemeindeversammlung dem Antrag zu, die Schüler von Fisibach und Kaiserstuhl mittels Anschlussvertrag in Weiach zu schulen.

Gemäss dem Budget 2020 der Primarschulgemeinde betragen die Schulkosten über 4,3 Millionen für die 233 Primarschüler und Kindergärtner (72 Schüler kommen von den beiden Aargauer Gemeinden), also 18'600  pro Schüler. Von den beiden Aargauer Gemeinden erhalten wir insgesamt 912'100'000 [schön wär's: korrekt ist wohl 912'000] also 12'600 pro Schüler. Die Differenz von 5'900 pro Schüler (als Total 427'000) tragen die Weiacher Steuerzahler. 

Das heisst, wir Weiacher bezahlen bereits heute zwischen 8 und 12 Steuerprozente zusätzlich (1 Steuerprozent = 34'685), damit die Aargauer Schüler bei uns zur Schule gehen können. Dazu würde künftig auch die Amortisation und Verzinsung dieses riesigen Baukredites kommen, welcher unweigerlich zu einer grossen Steuererhöhung führen würde.

Dies ist nicht haltbar und auch nicht fair. Denn jede Gemeinde sollte für ihre gesamten Schulkosten aufkommen.

Aus diesem Grund sollten die Anschlussverträge mit Fisibach und Kaiserstuhl auf den nächstmöglichen Termin gekündigt werden. Somit wäre eine vernünftige Neuplanung der Schulhauserweiterung möglich, zugeschnitten auf die Weiacher Schüler.

Bevor all diese Probleme geklärt sind, muss dieses Projekt abgelehnt werden.

Deshalb ein klares NEIN am 28. Juni 2020

Besorgte Stimmberechtigte von Weiach

Die Frage, die sich stellt, ist also: Bringt das als ausgewogen und zukunftsweisend angepriesene Projekt die Gemeinde in Tat und Wahrheit finanziell aus dem Gleichgewicht?

Dies soll in den nächsten Tagen bis zum Abstimmungstermin auf WeiachBlog mit Pro und Kontra diskutiert werden.

Keine Kommentare: