Montag, 19. April 2021

Können Sie sich Weyach leisten?

Wer sich heutzutage in einer Gemeinde niederlassen will, der besorgt sich eine permanente Unterkunft (miet- oder kaufweise) und meldet sich dann innert 14 Tagen nach Einzug (früher 8 Tage) auf der Einwohnerkontrolle an. Dort CHF 20 hinblättern. Fertig.

Im Jahre 1835 musste man da noch wesentlich mehr hinlegen:

Niederlaßungsgebühren

Fr. 0  B. 4    dem Kirchengut
Fr. 0 B. 6     dem Schulgut
Fr. 3  B. 0    dem Gemeindgut

4 Batzen für die Kirchgemeinde, 6 Batzen für die Schulgemeinde und 3 Franken für die politische Gemeinde. Macht total 4 Franken. Je nach zugrundegelegtem Index ergibt sich in heutigen Werten ein recht hoher Betrag:

Diese Angaben wurden durch das Tool SWISTOVAL der Uni Bern berechnet.
Eine neuere Bezugsbasis als 2009 ist nicht verfügbar.

Das geht ja noch halbwegs, werden Sie sagen. Einverstanden. Jetzt möchten Sie aber Bürger von Weyach werden. Wie hoch wird die Rechnung da ausfallen?

Einbürgerung heute: Einheitstarif

Wer heutzutage das Schweizer Bürgerrecht erwerben will, der zahlt einen relativ moderaten Betrag an die Bundeskasse, der höchstens die Kosten für die ganzen Registeranpassungen etc. abdecken darf (gemäss Art. 35 Abs. 2 BüG 2014). Dasselbe gilt für den Kanton. Für die Gemeinde Weiach gilt das Kapitel 4 des Gebührentarifs von 2018 (PGW-620.11; Art. 14-17 GT):

Alles in allem kostet eine Erteilung der drei Bürgerrechte von Gemeinde, Kanton und Bund den Kandidaten in Weiach heutzutage maximal rund 2000 Franken, auch bei Ausländern ohne Anspruch auf Einbürgerung.

Einbürgerung 1835: Es kann sehr teuer werden

Was das Landrecht (Kantonsbürgerrecht) betrifft, war das in den ersten Jahren des 19. Jahrhundert noch ganz anders. Vor der Gründung des Bundesstaats 1848 war das Landrecht gleichbedeutend mit einer Staatsbürgerschaft und das Schweizerbürgerrecht so etwas wie heute das Unionsbürgerrecht der EU.

Ein Ausländer (Nicht-Schweizer) musste nach § 8 des Gesetzes über die Landrechts-Ertheilungen von 1812 dem Kanton für das Landrecht das sogenannte Schirmgeld in der Höhe von mindestens 360, maximal aber 1200 Franken hinblättern. Der genaue Betrag belief sich auf zwei Drittel der Gemeindegebühr, durfte aber die obgenannten Schranken weder unter- noch überschreiten. Einzige Ausnahme: Franzosen (das war der Mediationsverfassung geschuldet, die damals noch galt). Diese waren den Schweizern gleichgestellt und wurden nach § 7 eingestuft. Sie zahlten nur die Hälfte der Gemeindegebühr als Schirmgeld, mindestens 240, aber maximal 800 Franken.

Einkauf in die Nutzniessung an Gemeindegütern

Beim Gemeindebürgerrecht hing alles davon ab, wie gross das Gemeindevermögen war. Denn da musste sich der neu Eingebürgerte in die althergebrachte genossenschaftliche Struktur einkaufen. Wer Bürger wurde, kaufte sich sozusagen seinen Anteilschein an den werthaltigen Eigentumspositionen seiner neuen Heimat. 

Wie hoch die bewertet waren und wie viel Geld die Gemeinde verlangen durfte, das stand in dem von der Obrigkeit ausgestellten sogenannten Einzugsbrief, einem amtlichen Dokument, das der Gemeinde diese Gebühren genehmigte. 

Die Bürgerrechtsurkunde, die man nach Bezahlung der Einzugsgebühren erhielt, war damit auch so etwas wie ein Partizipationsschein mit Naturaldividende.

In Weiach sah die Rechnung im Jahre 1835 so aus:

Einzugsgebühren

Dem Armengut       Fr. 60
Dem Schulgut        Fr. 64
Dem Kirchengut    Fr. 20
Dem Gemeindgut  Fr. 500

Total Fr. 644

Original-Eintrag im Protokoll der Zürcher Kantonsregierung vom 17. Januar 1835

Sehr teuer, nicht wahr? Und in der Tat war das eine der höchsten Gebühren, die man im Norden des Kantons Zürich (Bezirke Regensberg und Andelfingen) für ein Gemeindebürgerrecht hinlegen musste. Der Grund lag v.a. in den ausgedehnten Waldungen, die bis heute im Eigentum der Gemeinde stehen.

Die Gemeinde entscheidet selber, wen sie aufnimmt

Wenn man jetzt noch die oben erwähnten Landrechtsgebühren dazurechnet, dann wird schnell klar, dass der Einkauf ins Weiacher Bürgerrecht zu dieser Zeit prohibitiv hoch war. Der würde zu heutigen Geldwerten nämlich bis zu 123'000 Franken kosten (Landrecht und Gemeindebürgerrecht). Gleichzeitig musste der Einzubürgernde nachweisen, dass ihm nach Bezahlung dieser Gebühren noch mindestens ein Vermögen in etwa derselben Höhe übrigblieb (entsprechend 1000 Franken nach damaligem Wert, vgl. § 2 des Gesetzes über die Landrechts-Ertheilungen)!

Und selbst wenn jemand über diese Mittel verfügte: die Gemeinde konnte ihn dennoch ablehnen - was durch den Kanton in jedem Fall respektiert wurde. 

Wenn man dem Protokoll des Regierungsrats folgt, dann gab es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur eine einzige Landrechtserteilung für einen in Weiach ansässigen Nicht-Zürcher. Und die erfolgte erst noch unentgeltlich, denn der junge Mann, der da aufgenommen wurde, hätte eine solche Summe nie und nimmer aufbringen können.

Was das Gemeindebürgerrecht 1835 in den übrigen Gemeinden des Bezirks kostete

Zum Vergleich seien nachstehend die übrigen damaligen Gemeinwesen in unserem Bezirk aufgeführt (ohne Affoltern, das seit 1934 zur Stadt Zürich gehört).

Bachs  352.- // Hub  340.-

Stadel  430.- // Windlach  190.- // Schüpfheim  138.- oder 98.- je nach Schulgutzugehörigkeit (Stadel oder Windlach-Raat) // Ober-Raat  98.-  // Unter-Raat  100.-

Neerach  506.-

Schleinikon/Dachslern/Wasen  270.-

Schöfflisdorf  400.-

Oberweningen  426.-.

Otelfingen  570.- // Hüttikon   98.- // Boppelsen  140.-

Obersteinmaur  198.- // Niedersteinmaur  138.- // Sünikon  298.-

Regensberg  380.-

Dielsdorf  280.-

Niederweningen  440.-

Niederhasli  272.- // Oberhasli  280.- // Nöschikon  128.- // Nassenwil  112.- // Niederglatt  290.-

Oberglatt  178.- // Hofstetten  148.-

Rümlang  300.-

Buchs  420.-

Dällikon  200.- // Dänikon  226.-

Regensdorf  150.- // Adlikon  112.- // Watt  176.-

Die Gruppierung erfolgt nach politischen Gemeinden, wobei jeweils alle Zivilgemeinden aufgeführt sind, die namengebende Zivilgemeinde vorab.

Quellen und Literatur
  • Bestimmung der Einzugs- und Niederlaßungsgebühren für die Gemeinden der Bezirke Andelfingen und Regensperg. Regierungsbeschluss vom 17. Januar 1835. Signatur: StAZH MM 2.21 RRB 1835/0110
  • SWISTOVAL. Swiss Historical Monetary Value Converter des Historischen Instituts der Universität Bern für die Abschätzungen der Wertentsprechungen.

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