Montag, 2. September 2024

Steckbrieflich gesucht: Heupresser aus dem Luzernischen

Heupresser? Heutzutage sind das von starken Traktoren gezogene, vollautomatisierte Ballenpressen, die in der Regel Rundballen produzieren und sie in feines Kunststoffnetz eingewickelt auf der abgeernteten Wiese ablegen. Von wo sie dann mit ebenso potenter Maschinerie abtransportiert und unter Dach gelagert werden müssen.

Mit einigen Modellen kann man wahlweise auch Siloballen herstellen, die das Pressgut luftdicht abschliessen und dann draussen gelagert werden können. Das wären dann diese Haufen aus weissen, grünen, etc. zylinderförmigen Gebilden, die so manchem Städterauge auf ästhetischer Ebene das Landschaftserlebnis empfindlich stören.

Wie war das vor einhundert Jahren bzw. kurz davor im 1. Weltkrieg? Einen Eindruck, wie das auch bei uns gewesen sein könnte, gibt ein Foto, das von Armeeangehörigen der Donaumonarchie Österreich-Ungarn geschossen wurde, s. unten.

Kurz gesagt, war diese Presserei noch weitgehend Handarbeit. So wie im Video des US-Amerikaners Robert Lee Garner über Traditional Hay Baling: «Slow and tedious», wie er es nennt. Ob man damit nun Heu oder Stroh presst: Es war und ist schweisstreibend. Zumal man ja nicht bei Regenwetter Heu pressen kann, es sei denn in einer grossen Scheune.

Ein Beziehungsschwindler?

Eine ähnliche Arbeit verrichtete wohl auch ein gewisser Franz Wyniger, der im Februar 1916 im Schweizerischen Polizeianzeiger (SPA) steckbrieflich gesucht wurde:

«Wyniger, Franz, ca. 36 Jahre, aus dem Kanton Luzern, gewesener Heupresser; 166 Cm., Schnurrbart dunkel, Gesicht braun; ist des Diebstahls im Betrage von ca. 400 Fr. in Banknoten, begangen Ende Dezember 1915, zum Nachteil der Witwe Elisabetha Briner in Weiach, beschuldigt und der Bezirksanwaltschaft Dielsdorf zuzuführen.»

Die Anzahlung für ein Haus mit Scheune und einer Hektare

Vier Hunderter (im Bild unten die Rückseite des 100-Franken-Note der zweiten Serie von 1911), das wären mit dem Landesindex der Konsumentenpreise umgerechnet heute etwa 4500 Franken, wobei der Warenkorb natürlich kaum mehr vergleichbar mit dem heutigen ist, man den Wert, den diese Summe dargestellt hat, also mit höchster Vorsicht betrachten muss:

Mäher von Ferdinand Hodler. Quelle: Wikipedia

Bei einer Grundpfandverwertung im Februar 1916 waren 400 Franken die zu leistende Anzahlung bei einem erwarteten Erlös von mindestens 25'000 damaligen Franken für ein Wohnhaus mit Scheune, Schopfanbau und rund einer Hektare Land dazu (vgl. Zürcher Oberländer).

Heupressen in Nordalbanien

Und jetzt noch das oben versprochene zeitgenössische Foto einer grossen Heupresse auf dem Balkan im osmanischen Einflussbereich. Hier bei der 1916 bis 1918 von Österreich besetzten Stadt Skutari (heute: Shkodër), im Norden Albaniens. Man sieht zwei Landarbeiter mit traditionellen albanischen Filzhüten und Leibbinden und vor der Presse stehend einen kaiserlichen Soldaten, erkennbar an Mützenform und Ceinturon, samt angehängter Seitenwehr:


Quellen
  • Schweizerischer Polizeianzeiger (SPA), Nr. 35, 11. Februar 1916, S. 218. Digitalisat des Exemplars im Schweizerischen Bundesarchiv. Signatur: CH-BAR E4260D-01#1000/838#8*
  • K&K Kriegsarchiv. Bildersammlung. Heupresse, Skutari, 1916-1918. Digitalisat des Exemplars im Österreichischen Staatsarchiv. Signatur: AT-OeStA/KA BS I WK Fronten Albanien, 54.

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