Donnerstag, 12. September 2024

SVP-Vizepräsident, parteilos. Ein identitätspolitischer Spagat.

Weiach hat sich jahrzehntelang dagegen gesträubt, in parteiorganisatorischer Hinsicht auf kommunaler Ebene sozusagen kolonisiert zu werden. Dass dies seit einigen Jahren mit der SVP Stadlerberg nun doch der Fall ist, steht für eine Zeitenwende.

Parteibücher haben in der hiesigen Gemeindepolitik nichts verloren

Einen solchen Vorgang hat es seit den Zwischenkriegszeiten unseligen Angedenkens nicht mehr gegeben. In den 1920er- und 30er-Jahren dürfte es nämlich auch bei uns so etwas wie politische Ortsgruppen landesweiter Parteien und Bewegungen gegeben haben, wie Walter Zollinger 1972 in seinem blauen Büchlein rekapituliert:

«Der Generalstreik vom November 1918 zeigte mit erschreckender Deutlichkeit die entstandene Kluft zwischen der vom aufkommenden Marxismus beeinflussten Arbeiterschaft und dem wohlhabenden, alteingesessenen Bürgertum. Auch in unserem Bauerndorf bildeten sich gegen Ende der zwanziger Jahre, allerdings nur vorübergehend, solche Splittergruppen (Sozialisten, Jungbauern, Fröntler). Die zu jener Zeit und am Anfang der dreissiger Jahre um sich greifende starke Arbeitslosigkeit (Stempeln gehen) bildete für diese Bewegungen natürlich einen günstigen Nährboden. Zum guten Glück aber glätteten sich, bei uns wenigstens, die zeitweise hoch gehenden Wogen allmählich wieder. Heute gibt es in der Gemeinde selber keine festorganisierten politischen Parteien mehr.» (Zollinger 1972, S. 70)

Daran haben sich Generationen von Politikern gehalten. Auch Albert Meierhofer-Nauer, Posthalter und Gemeindepräsident von 1941 bis 1966, der 1935 auf der Bäuerlichen Liste in den Kantonsrat gewählt wurde und ab 1937 faktisch der Fraktion der damals neugegründeten BGB (Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei; heutige SVP) angehörte. Ob er Parteimitglied war, spielte für die kommunale Funktion keine Rolle.

Dreimal als Parteiloser gewählt...

In Zeiten des alles durchdringenden Internet und Social Media könnte man ein ähnliches Vorgehen nun allerdings wesentlich kritischer beurteilen. 

Der seit 2014 amtierende Weiacher Gemeindepräsident Stefan Arnold ist jedes Mal als Parteiloser angetreten und gewählt worden (vgl. zuletzt WeiachBlog Nr. 1801). So präsentiert er sich auch seit acht Jahren auf seinem Twitter-Auftritt (heute X genannt, vgl. Screenshot unten).

Wer sich über die SVP Stadlerberg informieren will, stösst allerdings auf der Kontakt-Seite auf einen parteipolitisch eindeutig einsortierten Stefan Arnold. Er figuriert dort als «Vizepräsident und Ansprechperson für Interessenten» (vgl. nachstehendes Bild):

... jetzt aber parteilich eingefärbt

Ein parteipolitisch engagierter Stefan Arnold ist grundsätzlich auch nicht zu beanstanden. Allerdings sollte sich der Gemeindepolitiker Arnold dann doch überlegen, ob die Anpassung des Twitter-Profils im heutigen Umfeld nicht angemessen wäre. 

Die bisherige Parteilosigkeit wurde beim Lexikon-Eintrag Weiach in der deutschsprachigen Wikipedia bislang noch beibehalten. Zumindest dort muss der Transparenz halber die Zugehörigkeit zur SVP dokumentiert werden, denn nach Lexikon-Definition ist ein Parteiloser, «wer ein politisches Amt oder Mandat ausübt bzw. anstrebt, jedoch keiner politischen Partei angehört».


Dass Arnolds X-Account auch nach der Machtübernahme durch Elon Musk nicht etwa seit Jahren verwaist ist, beweisen übrigens gelegentliche kurz und knapp formulierte Einwürfe an die Adresse politischer Kontrahenten, wie jüngst, am 5. September 2024, als Arnold auf einen Tweet von SP-Nationalrat Fabian Molina reagiert hat.

Nachtrag vom 13. September, 21:43

Im Register der Interessenbindungen, Stand: 1. Juli 2024, legt Gemeindepräsident Arnold offen, dass er als Vorstandsmitglied der SVP Stadlerberg fungiert:


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