Montag, 4. Mai 2020

Wider die verbotene Begierde, nach Preussisch-Pommern zu ziehen

Wir schreiben das Jahr 1770. Es geht auf den Winter zu. Fremde Bettler und Landstreicher streifen im Land umher. Die Einschleppung von Krankheiten muss befürchtet werden.

Und dann sind da auch noch Begehrlichkeiten ausländischer Herrscher. Zum Beispiel die von König Friedrich II. (genannt der Grosse). Er ist seit 1740 im Amt und hat Preussen mit dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) zur militärischen Grossmacht avancieren lassen.

Und er ist es auch, der den Landesausbau und die sogenannte Peuplierung seiner neu erworbenen Gebiete im Sinne des Merkantilismus aktiv vorantreibt. Unter anderem mit dem Versprechen, Neusiedlern Freiheit der Religionsausübung und mehrere Jahre Steuererlass als Starthilfe zu gewähren.

Das betrifft vor allem das Gebiet des östlich der Oder (im heutigen Polen) liegenden Hinterpommern, das schon seit dem Westfälischen Frieden von 1648 zu Brandenburg-Preussen gehörte, aber auch die von Friedrich II. dazugewonnenen Pommerellen (Kleinpommern), eine Gegend die südlich von Danzig liegt. Nicht zu Preussisch-Pommern gehörten damals die Gegend um Stralsund und die Insel Rügen. Sie wurden Schwedisch-Pommern genannt.

Auswandern: früher gefördert, jetzt verboten

Das Auswandern von Zürchern nach Brandenburg-Preussen war ab 1685 eidgenössischerseits nicht nur toleriert, sondern von Bern und Zürich gar gefördert worden, sodass reformierte Schweizerkolonien entstanden. Und eigentlich hatte auch Friedrich II. einen guten Ruf (vgl. HLS-Artikel Preussen).

Trotzdem findet die Zürcher Regierung das Abwandern nach Preussisch-Pommern nun gar nicht toll und entwickelt Gegenstrategien. Darunter sind legislative Massnahmen wie Auswanderungsverbote, Informationskampagnen wie pfarrherrliche Propaganda ab der Kanzel gegen das Auswandern und nicht zuletzt das Verbreiten von Horrorgeschichten über schief gelaufene Emigrationsversuche.

Über diese Angelegenheit berichtet David von Moos im Dritten Theil seines Werks «Astronomisch-politisch-historisch- und kirchlicher Calender für Zürich»Auf den Seiten 673-674 findet man unter dem Jahr 1770 den nachstehenden Eintrag:

«Den 28. Winterm. [November] ward, wegen dem einerseits immer häufiger, und in allerhand Absichten, besonders wegen dem Besorgniß von allerhand aus dem Mangel herrührenden Krankheiten, gefährlicher werdenden Eindringens des Bättelvolks von aussen her, anderseits wegen der in dem Lande selbst alle Tage zunehmenden Begierde nach Preußisch-Pommern zu ziehen, vor Räth und Burger erkennt, eine Art Cordon an den Gränzen zu ziehen, und zu dem End hin zu Richtenschweil, an der Silbruek, zu Ottenbach, Altstätten, Höngg, Otelfingen, Weyach, Eglisau, Feurthalen, Trüllikon, Elgg, Wald, und Feldbach, Wachten auszustellen, und jeden dieser Posten mit 4 wakern Soldaten und einem Wachtmeister zu besezen. Es mußten auch die Hrn. Pfarrer auf der Landschaft eigene Predigten halten, um ihre Pfarrangehörige von dem Vorsaz zu emigrieren, abzuhalten.»

Vier Tage zuvor, am 24. November 1770, war die Gesetzesgrundlage, das «Mandat betreffend Auswanderungsverbot nach Preussisch-Pommern» (Signatur: StAZH III AAb 1.13, Nr. 82) erlassen worden. Dem sollten die in den Zürcher Grenzorten (u.a. in Weyach) postierten Militäraufgebote nun unmittelbar Nachachtung verschaffen.

Natürlich sollten sie auch in die umgekehrte Richtung wirken. Und die Funktion einer Grenzpolizei zwecks Abhaltung von Bettlern und anderem Gesindel wahrnehmen. Von einer Abriegelung kann bei diesem Mini-Aufgebot in Trupp-Stärke (1 je Grenzort!) selbstverständlich keine Rede sein. Nur von einer Beruhigungspille mit ein bisschen Abschreckungswirkung.

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