Sonntag, 10. Mai 2020

Der Wandspruch in der Weiacher Kirche blieb in Erinnerung

Jer 17, 12-14. Diese Bibelverse prangen seit 50 Jahren als Wandspruch im Innern der Weiacher Kirche (vgl. WeiachBlog Nr. 248 für weiterführende Informationen).

Dass das Gotteswort einen zentralen Platz in einer reformierten Kirche einnimmt und andere Schmuckelemente nur sehr zurückhaltend verwendet werden, das gehört sozusagen zum Erbgut protestantischer Glaubensgemeinschaften. «Sola scriptura» ist seit einem halben Jahrtausend eins ihrer wichtigsten Prinzipien.

Schriftliches bleibt besser hängen als Gesagtes

Anknüpfend an die Beiträge WeiachBlog Nr. 1487 bis 1499 fahren wir nun weiter mit Ausschnitten aus der Autobiographie When I was a girl in Switzerland von Louise Griesser Patteson (1853-1922), die 1867 in die USA ausgewandert war, ihr Heimatdorf aber nie vergessen hat.

Schriftliches hat schon die junge Luisa Griesser fasziniert. Sie hat nach eigenem Bekunden alles verschlungen, was ihr in die Hände kam - auch «sob-stuff» (frei übersetzt: Dienstmädchen-Literatur oder pädagogisch eingefärbt: Schundliteratur; vgl. WeiachBlog Nr. 1497).

Es ist daher kaum verwunderlich, dass sie sich zwar an den Bibelvers an der Kirchenwand erinnern kann, nicht aber an die Worte des Herrn Pfarrer in der Sonntagsschule, die offenbar noch weitgehend nach alter Väter Sitte als Kinderlehre geführt wurde. Samt Predigt von der Kanzel:

«We had what passed as a Sunday School in our church, but it was a very formal service compared with what Sunday Schools are here. Herr Pfarrer, robed in his black gown, talked to us from the chancel away up a flight of stairs. I do not remember one word that he ever said from that lofty eminence. The one remembrance that I have of my connection with our village church is a verse of Scripture that was printed in huge letters on the church wall:

The Fear of the Lord is the Beginning of Wisdom

I remembered this so vividly on the occasion of my first visit to my home village after an absence of thirty years, that I missed it. There was another verse in its place.
» (S. 123-124)

Daraus kann man nun schliessen, dass Louise Patteson erst nach 1897 erstmals wieder in Weiach zu Besuch war. Und inzwischen hatte offenbar eine Innenrenovation zu einer Veränderung des Bibelverses geführt (zu dieser Renovation ist dem Schreibenden bislang nichts bekannt).

Der noch aus den 1860er-Jahren in Luisas Erinnerung bewahrte Spruch kann aus verschiedenen Büchern der Bibel stammen.

Nimmt man die King-James-Bibel als Grundlage, dann kommt vor allem Sprüche 1,7 in Frage: «The fear of the LORD is the beginning of knowledge: but fools despise wisdom and instruction.» Die Zürcher Bibel übersetzt diesen Vers mit: «Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis, Toren verachten Weisheit und Unterweisung.»

Es könnte sich aber auch um Sprüche 9,10 gehandelt haben: «The fear of the LORD is the beginning of wisdom: and the knowledge of the holy is understanding.», in der Zürcher Bibel übersetzt mit: «Der Anfang der Weisheit ist die Furcht des HERRN, und das Erkennen des Heiligen ist Verstand.»

Die dritte Möglichkeit ist Psalm 111, Vers 10: «The fear of the LORD is the beginning of wisdom: a good understanding have all they that do his commandments : his praise endureth for ever.», wo die Zürcher Bibel die Übersetzung «Der Anfang der Weisheit ist die Furcht des HERRN, heilsame Einsicht für alle, die so handeln, sein Ruhm bleibt für immer bestehen.» gewählt hat.

Quellen und Literatur
  • Patteson, S. L.: When I Was a Girl In Switzerland. Lothrop, Lee & Shepard Co., Boston 1921 [Elektronische Fassung auf archive.org; PDF, 11 MB] – S. 123-124.

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