Donnerstag, 11. Juni 2020

Projekt «Balance». Gegenoffensive im «Zürcher Unterländer»

Am 9. Juni hat WeiachBlog den Text eines Flyers publiziert, der in allen Briefkästen der Gemeinde Weiach gelandet ist. Er nimmt die Gegenposition zur Pro-Allianz von Gemeinderat, Schulpflege und auswärtigen Amtsträgern aus Fisibach und Kaiserstuhl ein. Und wirbt für ein Nein zum Multimillionen-Bauprojekt «Balance».

Diskutiert wird die Vorlage bisher mehrheitlich ausserhalb der Öffentlichkeit, was vor allem der Corona-Verordnung des Bundes und den darauf aufbauenden rigiden Schutzkonzepten geschuldet ist. Einer der wenigen Punkte wo die Debatte sichtbar und für jedermann nachvollziehbar wird, ist die letzte verbliebene grosse Regionalzeitung «Zürcher Unterländer».

Auf Distanz geführter Meinungskrieg

In deren Leserbriefspalten erschien am 23. Mai ein Contra-Beitrag von alt Gemeindepräsident Werner Ebnöther. Ihm folgten Repliken des amtierenden Gemeindepräsidenten Stefan Arnold und des Schulpflegepräsidenten Sämi Meier am 29. Mai, sowie ihnen sekundierende Beiträge am 6. Juni: einer vom Fisibacher Gemeindepräsidenten Berglas und einer von zwei Frauen aus Alt-Weiacher Familien, Maya Bütler und Heidi Meier.

Wie das beim Meinungskrieg auf Distanz fast unvermeidlich ist, wird der Artillerieangriff Ebnöther mit einem Konterbatteriefeuer auf Bataillonsstufe in zwei Wellen erwidert.

Die einzelnen Salven werden nachstehend gesamthaft im Volltext aufgeführt. Zuerst der Leserbrief von Ebnöther, danach die vier Beiträge der Gegenseite. Die Titel in Anführungszeichen wurden jeweils von der Redaktion des Zürcher Unterländers gesetzt:

«Abstimmung in Weiach im Blindflug»

Die Weiacher Behörden beantragen den Weiacher Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, dem Kredit über 20 Millionen für die Erweiterung der Schulhausanlage Hofwies am 28. Juni an der Urne zuzustimmen. Für den Neubau würden die Mehrzweckhalle und der 25-jährige Gemeindesaal bis auf die Grundmauern abgerissen. Ohne Informationsveranstaltung müssen die Stimmberechtigten praktisch im Blindflug abstimmen. Ein Informationsaustausch während der Corona-Zeit ist nicht möglich.
Weiach finanziert dieses Projekt allein. Fisibach und Kaiserstuhl beteiligen sich nicht an diesen Investitionskosten, obwohl der Anteil dieser Schüler ein Drittel der Gesamtschule Weiach beträgt. Beim Analysieren der Finanzen aufgrund des Budgets 2020 der Primarschulgemeinde sieht es aber für Weiach sehr schlecht aus. Die Kosten für die Schule mit 233 Schülern (Kindergarten und Primarschule) belaufen sich auf 4'334'504 Franken, also 18'603 Franken pro Schüler. Die beiden Aargauer Gemeinden leisten daran einen Beitrag von 912'100, also 12'668 Franken pro Schüler. Dies ergibt pro Aargauer Schüler eine Deckungslücke von 5934, bei 72 Schülern also 427'317 Franken. Diesen Betrag bezahlen die Weiacher Steuerzahler (über 12 Steuerprozente), damit die Aargauer Schüler bei uns zur Schule gehen können! Diese für Weiach negative Kostenentwicklung stellt man auch beim Steuerfuss der Primarschulgemeinde fest. In den Jahren 2012 bis 2015 lag der Steuerfuss bei 42 Prozent. Ab Sommer 2016 kamen die Schüler aus Fisibach und Kaiserstuhl zu uns in die Schule, und siehe da, der Steuerfuss stieg um 12 Prozent auf 54 Prozent. Dies ist nicht haltbar und auch nicht fair. Denn jede Gemeinde sollte für ihre eigenen Schulkosten aufkommen.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder beteiligen sich Fisibach und Kaiserstuhl an den gesamten Schulkosten, oder die Anschlussverträge mit Fisibach und Kaiserstuhl werden auf den nächstmöglichen Termin gekündigt (durch eine Urnenabstimmung). Somit wäre eine vernünftige Replanung der Schulhauserweiterung möglich, zugeschnitten auf die Weiacher Schüler.
Bevor all diese Probleme nicht geklärt sind, muss dieses Projekt abgelehnt oder mindestens zurückgestellt werden.
Deshalb am 28. Juni ein klares Nein zum unausgereiften Bauprojekt.

-- Werner Ebnöther, Weiach


Es folgen die zwei Leserbriefe vom 29. Mai, von der Unterländer-Redaktion mit dem Hinweis  Ausgabe vom 23. Mai. «Abstimmung in Weiach im Blindflug» versehen.

«Indirekte Beteiligung der Aargauer»

Die Aussage «Abstimmung im Blindflug» ist so nicht korrekt. Die Behörden haben trotz Corona-Krise alles darangesetzt, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger möglichst detailliert über das Projekt zu informieren. So konnte eine erste Ausstellung am 2. März 2020 noch durchgeführt werden. Weiter wurden die Bürger Ende April mit einer ausführlichen Broschüre über das gesamte Bauvorhaben informiert. Zudem wurde auf der Website der Gemeinde extra eine Seite zum Projekt aufgeschaltet. Im Mai beantworteten Vertreter der Baukommission an drei Abenden während jeweils zwei Stunden telefonisch Fragen zum Projekt. Zu guter Letzt wird dank der erneuten Lockerung durch den Bundesrat am 12. Juni 2020 um 19 Uhr in der Turnhalle Weiach eine Informationsveranstaltung durchgeführt.
Laut Leserbrief würden sich die Aargauer Gemeinden nicht am Projekt beteiligen. Auch diese Aussage ist so nicht korrekt. Im Jahr 2013 gingen in Weiach nur 55 Kinder zur Schule, und die Schule stand kurz vor einer Schliessung. Dank dem Abschluss des Regionalen Anschlussvertrages (RSA) konnte die Schule Weiach als Standort gesichert und eine langfristige Planung in Angriff genommen werden. Dass die Schülerzahlen in den letzten Jahren derart stark ansteigen würden, konnte trotz der hohen Bautätigkeit nicht erahnt werden. Die Aufteilung der Kosten wird im RSA-Vertrag wie folgt geregelt: Die Aargauer Gemeinden zahlen der Gemeinde Weiach einen jährlich von der Konferenz neu festgelegten Betrag pro Schüler. In diesem Betrag sind laut RSA-Gesetz die durchschnittlichen Ausbildungskosten enthalten. Somit beteiligen sich die Aargauer Gemeinden indirekt am Bauprojekt. Weiter wurde bereits in der Broschüre erklärt, dass der Weiacher Steuerzahler praktisch denselben Beitrag pro Schüler bezahlt wie die Aargauer Gemeinden. Die Differenz wird durch den Ressourcenausgleich aufgefangen. Es ist zwar richtig, dass der Steuerfuss in den Jahren 2012 bis 2015 bei 42 Prozent lag. In den Jahren 2014 und 2015 wies die Schule jeweils einen Aufwandüberschuss von circa 500'000 Franken im Jahr 2014 und 570'000 Franken anno 2015 aus. Dieser Überschuss kam ohne die Aargauer Schüler zustande. Eine Steuererhöhung im Rahmen dieser 12 Prozent wäre also auch ohne die Aargauer Schüler unumgänglich gewesen. Deshalb stimme ich dem Bauprojekt mit einem klaren Ja zu, um die Weichen für eine nachhaltige Zukunft von Weiach zu stellen.

-- Sämi Meier, Schulpflegepräsident Weiach

«Ersatzneubau Weiach – ein zielführendes Projekt mit Weitsicht»

Leserbriefe wie der von Herrn Ebnöther entbehren jeglichen sachlichen Inhalts. Darin wird die finanzielle Beteiligung der Aargauer Gemeinden Fisibach und Kaiserstuhl gefordert, weil offenbar diese verantwortlich für die hohen Kosten des Ersatzneubaus in Weiach sein sollen. Sollten sie sich nicht finanziell beteiligen, so soll das regionale Schulabkommen (RSA), welches auf das Schuljahr 2016/2017 in Kraft getreten war, gekündigt werden. Gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit sieht anders aus!
Würde man sich informieren, so kann im Art. 7 (Festsetzung der Kantonsbeiträge) im Gesetz über den Beitritt zum regionalen Schulabkommen über die gegenseitige Aufnahme von Auszubildenden und Ausrichtung von Beiträgen entnommen werden, dass in den Kantonsbeiträgen die Betriebs- und Infrastrukturkosten bereits abgegolten sind.
Die Gründe der hohen Investitionskosten für den geplanten Ersatzneubau sind weniger bei unseren «Nachbarn» zu suchen, sondern vielmehr in Weiach selber. So hat man in den letzten Jahren kaum werterhaltende Investitionen in die bestehende Schulinfrastruktur getätigt und der Einwohnerentwicklung, welche schon seit Jahren bekannt und berechenbar war, keine Beachtung geschenkt. Man spricht hierbei von einem Investitionsstau.
Ein massiv überteuerter und wenig funktionaler neuer Kindergarten und eine notdürftige Aussensanierung des bestehenden Schulhauses mussten reichen.
Man versucht, mit Steuerprozentdiskussionen die Wähler zu beeinflussen. Ganz ausgeblendet wird dabei, dass nicht zuletzt die beiden Aargauer Gemeinden mit dem Entscheid, die Kinder nach Weiach in die Schule zu schicken, zum Zeitpunkt des Abkommens den Schulstandort Weiach gesichert haben. Für eine nachhaltige und gesunde Entwicklung einer Gemeinde wie Weiach ist es von zentraler Bedeutung, dass eine gut funktionierende Schule mit zeitgemässer Infrastruktur vorhanden ist. Profitieren von diesem Generationenprojekt würden jedoch nicht nur die Schüler, sondern auch die Vereine und die gesamte Dorfbevölkerung, da bekanntlich auch die Turnhalle, der Gemeindesaal, das Feuerwehrlokal und die Holzschnitzelheizung zwingend saniert werden müssen. Alle diese Bau-/Renovationskosten sind im Projektkredit beinhaltet und werden bei bei einem Ja am 28. Juni umgesetzt. Ich werde am 28. Juni mit grosser Überzeugung ein Ja in die Urne legen.
-- Stefan Arnold, Gemeindepräsident Weiach


Am 6. Juni schliesslich veröffentlichte der Unterländer zwei weitere Leserbriefe mit dem Hinweis Diverse Artikel und Leserbriefe zum Schulhausprojekt in Weiach:

«Eine starke Partnerschaft»

Als Fisibach und Kaiserstuhl den Kampf um den Schulerhalt im eigenen Dorf aufgeben mussten, nahmen sie Gespräche mit den Nachbarn auf. Auch Weiach hatte wenig Schüler und geriet unter Druck der Bildungsdirektion. Ob das geplante Dorfwachstum rasch genug Schüler bringen würde, war unklar. Der Vertrag mit den Aargauern brachte die Garantie. Damit war der Schulstandort Weiach gesichert. Nicht selten kam es vor, dass bis zu drei Jahrgänge in einer Klasse geführt werden mussten. Mit der Partnerschaft kamen echte Jahrgangsklassen. Doch die war nicht der einzige Vorteil. Grössere Schulen profitieren gegenüber kleineren. Sie können professioneller geführt werden und sind attraktiver für Lehr- und Schulpersonal. Der Mittagstisch entstand, weil nun genügend Kinder für einen sinnvollen Betrieb da waren. Aber auch die Gemeinde profitierte: Weiach war nun «Zentraler Schulstandort für drei Gemeinden». Wer die Kosten für auswärtige Schüler berechnen will und die Gesamtkosten durch Anzahl Schüler teilt, rechnet leider falsch. In den Gesamtkosten sind zum Beispiel Weiacher Sonderschulkosten enthalten, welche nichts mit den Aargauern zu tun haben. Der noch grössere Fehler liegt in der Annahme, dass sich Schulkosten linear verhalten. Auch dürfen Abschreibungen nicht auf Auswärtige abgewälzt werden, da Weiach alleinige Besitzerin ist und Investitionen das eigene Vermögen vergrössern. Betrachtet man bereinigt die stets vorhandenen, hohen Grund- und Personalkosten, so merkt man, dass auswärtige Schüler gar nicht mehr so viel kosten. Dies lässt sich auch an einer anderen Tatsache beweisen. Alle zwei Jahre legen die Regierungsräte der Regionalkonferenz die RSA-Beiträge fest. Sie gelten für alle Schulen in mehreren Kantonen. Die Schule Weiach erhält genau diese Beiträge. Wären die RSA-Beiträge zu niedrig, gäbe das längst einen Aufschrei in Dutzenden von Schulen. Fakt ist, dass die Schulen mit den RSA-Beiträgen mehr einnehmen, als was die Auswärtigen effektiv kosten.
Noch ein Wort zu den Machtverhältnissen. Wer zahlt, befiehlt. Nicht in diesem Fall. Obwohl die Aargauer jährlich eine anständige Summe bezahlen, ist es ihnen nicht gestattet, sich an Abstimmungen zu beteiligen oder sich in die Schulpflege wählen zu lassen. Zusammenfassend bin ich fest davon überzeugt, dass alle beteiligten Vertragspartner von der Zusammenarbeit profitiert haben und auch in Zukunft profitieren werden.

-- Roger Berglas, Gemeindeammann Fisibach

«Gut für die Zukunft gerüstet»

Den
[sic!] Vorwurf der ungenügenden Information im Zusammenhang mit dem Projekt ist haltlos. Die Behörden haben die Einwohner mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (Broschüre, Video auf der Website Gemeinde Weiach usw.) vollumfänglich über das Bauvorhaben in Kenntnis gesetzt. Die gute Zusammenarbeit der Behörden (Gemeinderat, Schulpflege, Baukommission) untereinander und mit den Nachbargemeinden sollte gewürdigt und den Stimmbürgern nicht durch widerlegte Zahlen (Broschüre S. 18) madig gemacht werden.
Der Schulstandort und die Gemeinde Weiach sind mit dem Projekt gut für die Zukunft gerüstet. Ein weiterer Punkt, der bis jetzt selten erwähnt wurde, ist die Oberstufe Stadel, die als weiterführende Schule auch vom Arrangement mit den Aargauer Nachbargemeinden profitiert.
Wir empfehlen den Stimmbürgern dringend, die in alle Haushalte verteilte Broschüre bei Zweifeln nochmals durchzulesen und am Infoanlass vom 12. Juni um 19 Uhr in der Turnhalle teilzunehmen.
-- Maya Bütler und Heidi Meier


Eine Analyse der vorstehenden Beiträge erfolgt in einem späteren Artikel des WeiachBlog.

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