Sonntag, 21. Juni 2020

«The Bridge»: Kompetenzüberschreitung bei Landkauf im Bedmen?

«The Bridge» war der Plan des Weiacher Gemeinderates für eine Mehrzweckhalle am Übergang zwischen dem alten und dem neuen Dorfteil, unter der Hochspannungsleitung am Bedmenweg gelegen (vgl. WeiachTweet Nr. 742 und Ausschnitt aus der Amtlichen Vermessung unten).


Das Projekt «The Bridge» ist mittlerweile Makulatur. Auch weil sich die Exekutiven von Politischer Gemeinde und Primarschulgemeinde (endlich) zusammengerauft und eine Lösung für das Mehrzweckhallenproblem am Standort Hofwies gefunden haben. Gewonnen hat den Architekturwettbewerb eine Eingabe mit dem Namen «Balance».

Im Verlauf der Fragerunde der Informationsveranstaltung vom 12. Juni 2020 zum Bauprojekt «Balance» ist der Vorwurf in die Runde geworfen worden, der Gemeinderat habe damals seine Kompetenz überschritten und im Umfang von weit über CHF 500'000 Land für das Projekt «The Bridge» angekauft.

Ausgelöst wurde die Frage u.a. wohl durch die folgende Passage im FAQ zum Projekt «Balance» (Stand 4.6.2020), einer Antwort, in der es um Finanzierungsmöglichkeiten für «Balance» geht:

«Die Behörden haben sich klar gegen einen voreiligen Verkauf der rund 4'500 m2 Land im Bedmen entschieden. Ein realistischer m2-Preis liegt zwischen 450.- bis 550.- was Einnahmen von bis 2.5 Mio. ergeben würde. Ein Verkauf von Finanzvermögen in dieser Grössenordnung liegt in der Kompetenz der Gemeindeversammlung.»

Antworten des Präsidenten

Auch nach der mündlichen Antwort des Gemeindepräsidenten am 12. Juni hängt der Vorwurf der Kompetenzüberschreitung im Raum.WeiachBlog stellte Stefan Arnold deshalb am 17. Juni folgende Fragen:

1. Können Sie spezifizieren, welche Parzellen am Bedmenweg bereits vor dem Landkauf der Politischen Gemeinde Weiach gehört haben und welche erst für «The Bridge» zugekauft wurden?

2. Können Sie den Wortlaut der Gemeinderatsbeschlüsse für diese Landkäufe zur Verfügung stellen?

Am einfachsten wäre es wohl, wenn Sie mir auch PDFs der Grundbuchauszüge zustellen lassen können.

Am 19. Juni 2020 nahm Gemeindepräsident Arnold wie folgt Stellung [Weblinks von WeiachBlog gesetzt]:

«Gemäss Art. 19 (Pkt. 5 Verfügungen über Grundeigentum) der Gemeindeordnung ist der Gemeinderat zu Kauf / Verkauf von Grundeigentum des Finanzvermögens bis CHF 500'000.- (im Einzelfall) befugt [Hervorhebung im Original]. Bei den Verkäufern handelt es sich in allen vier Fällen um unterschiedliche (natürliche / juristische) Personen. Aus diesem Grund kann ich die Rechtmässigkeit dieser Geschäfte bestätigen. Zum besseren buchhalterischen Verständnis möchte ich noch darauf hinweisen, dass mit diesen Transaktionen das Umlaufvermögen abgenommen (-) und dafür das Anlagevermögen (Finanzvermögen) zugenommen (+) hat.

Folgende Transaktionen wurden getätigt:

Juni 2017
Kauf 1'019 m2, Kat.Nr. 1393, CHF 417'790.-  [CHF 410/m2]

November 2017
Kauf 924 m2, Kat.Nr. 1397, CHF 207'000.-  [CHF 224/m2]
Kauf 457 m2, Kat.Nr. 1396, CHF 193'940.-  [CHF 424/m2]
Kauf 515 m2, Kat.Nr. 1392, CHF 98'000.-  [CHF 190/m2]

Hinweis: je nach Lage/Parzelle wurde bereits in der Vergangenheit eine NOK-Entschädigung für die Nutzungseinschränkung bezahlt, was entsprechend in der Kaufpreiszahlung in Abzug gebracht wurde.

Wortlaut aus den GR-Beschlüssen:

Mit dem Beschluss vom 17. März 2017 hat der Gemeinderat das Planungsbüro Frei+Saarinen Architekten, beauftragt, eine Machbarkeitsstudie auszuarbeiten, als Entscheidungsgrundlage für die Planung eines Mehrzweckgebäudes auf dem Grundstück, Kat-Nr. 1395, im Bedmen. Im Laufe der Planung hat sich gezeigt, dass auf dem gemeindeeigenen Grundstück eine Mehrzweckhalle realisiert werden kann, allerdings nicht ohne Einschränkungen. Mit dem zusätzlichen Erwerb der Nachbargrundstücke könnte die Projektierung einer Mehrzweckhalle variantenreicher und flexibler erfolgen. Den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke im Bedmen wurde deshalb der Kauf ihrer Grundstücke durch die politische Gemeinde angeboten.»

Die Parzellen 1394 und 1395 sind gemäss weiteren Angaben Arnolds bereits vor seinem Amtsantritt im Jahre 2014 ins Gemeindeeigentum übergegangen. Grundbuchauszüge wurden WeiachBlog keine zur Verfügung gestellt.

Massiver Landwertverlust unter der Hochspannungsleitung

Abgesehen davon, dass die im FAQ erwähnten rund 4500 Quadratmeter eigentlich eher 4100 sein müssten, da der Bedmenweg (Parzelle 1394) selber wohl in Gemeindeeigentum verbleiben würde, stellt sich doch die Frage:

Ist der angegebene mögliche Verkaufspreis von CHF 450 bis 550 pro m2 wirklich realistisch? Liegt er nicht eher bei CHF 200 pro m2?

Die NOK (oder eine ihrer Nachfolgeorganisationen Axpo bzw. Swissgrid) kommt auch bei einer hohen Einmalzahlung von CHF 200 / m2 noch gut weg, denn das Bauen unter einer solchen Leitung ist schon heute mit etlichen kostentreibenden Auflagen verbunden.

Ganz abgesehen davon, dass auch die Mietzinse nicht allzu hoch sein können. Es gibt ja wissenschaftlich abgesicherte Studien, die ein signifikant erhöhtes Gesundheitsrisiko festgestellt haben für Personen, die im Einflussbereich solcher Leitungen leben (müssen).

Künftig könnten je nach Entwicklung der Rechtsprechung und des wissenschaftlichen Diskurses also mit Verweis auf solche Schädigungen auch noch Mietzinsreduktionen gefordert werden.

Es besteht Grund zur Annahme, dass dieses Bauland auch heute schon nur noch für die Errichtung von Lagerhallen o.ä. genutzt werden kann, in denen sich höchstens sporadisch Menschen aufhalten dürfen (vgl. dazu die Vollzugshilfe des Bundesamtes für Umwelt zur Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV). Entwurf zur Erprobung vom Juni 2007 – S. 25-26).

Betrachtet man die Landkäufe aus dieser Warte, dann hat der Gemeinderat 2017 den privaten Landeigentümern vor allem ermöglicht, sich auf elegante Weise ihrer schlecht marktgängigen, jedoch teuer zu versteuernden Parzellen zu entledigen.

Nur der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass in nächster Nähe (auf der Parzelle 1398) überdies ein Transformatorenhäuschen steht und wenige Meter nördlich auch noch die Bahnstrom-Leitungen durchführen. Also ein verschärfendes Zusammentreffen von gleich drei Einwirkungen künstlicher elektromagnetischer Felder.

Kompetenzüberschreitung?

Art. 19 Ziff. 5 GO Weiach 2005 erlaubt dem Gemeinderat «Kauf und Verkauf von Grundeigentum des Finanzvermögens bis Fr. 500’000.- im Einzelfall».

Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: rein nach dem Wortlaut des Art. 19 der Gemeindeordnung kann man dem Gemeinderat kein unrechtmässiges Verhalten vorwerfen, weil jedes einzelne Rechtsgeschäft unter der angegebenen Schwelle liegt.

Ob allerdings der Sinn und Geist dieser Bestimmung, die sich explizit auf den «Einzelfall» bezieht, auch auf ein ganzes Bündel von praktisch zeitgleichen Transaktionen im selben Perimeter anwendbar sein soll, das ist eine Frage, die sich die Stimmberechtigten im Hinblick auf künftige Fälle solcher Art genau überlegen sollten. Eine Gemeindeordnung lässt sich ja auch revidieren.

Fazit WeiachBlog:  Fragwürdige Investition? Ja. –  Kompetenzüberschreitung? Jein.

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