Auch mit dem Architektenstand nicht allzu Vertrauten sind die Normen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) ein Begriff. In den Nummern 142 und 143 wird die gute Praxis für Wettbewerbe beschrieben.
Seit 2013 gibt es für den Raum Zürich den Verein Beobachter für Wettbewerbe und Ausschreibungen, kurz BWA genannt, der von folgenden Organisationen gegründet wurde:
- SIA Sektion Zürich, SIA Sektion Winterthur [Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein]
- BSA Ortsgruppe Zürich [Bund Schweizer Architekten]
- BSLA Regionalgruppe Zürich [Bund Schweizer Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen]
- USIC Regionalgruppe Zürich [Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen]
BWA - der Wachhund für Wettbewerbe, Studienaufträge und Ausschreibungen
Dieser somit breitmöglichst abgestützte Verein setzt sich aktiv für die Förderung von konformen Wettbewerben, Studienaufträgen und Ausschreibungen ein und beurteilt diese Verfahren nach den sia Ordnungen 142, 143 und 144 sowie geltenden Gesetzen.
«Mit der Bewertung will der BWA seine Mitglieder auf Qualitäten und Mängel von laufenden Verfahren aufmerksam machen und damit eine Unterstützung beim Entscheid zur Teilnahme an einem Verfahren bieten.» (Journal BSLA)
Stellen die Unternehmen, die an der kritisierten Ausschreibung teilgenommen haben, also schon einmal eine gewisse Negativauslese dar? Das muss man zumindest im Hinterkopf behalten...
Weiacher Ausschreibung durch die Prüfung gefallen!
Die Ausschreibung der Politischen Gemeinde und der Primarschulgemeinde Weiach im Spätherbst 2018 (Simap-ID: 169963) mit dem SIA-Mitglied Landis Ingenieure + Planer AG als Beschaffungsstelle wurde von der BWA Zürich unter die Lupe genommen (Übersicht).
Und fiel mit Pauken und Trompeten durch (vgl. das nachstehend in Bild und Text wiedergegebene Kurzgutachten) von Anfang 2019.
Objekt: Ersatzneubau MZH und Erweiterung Schulanlage Hofwies
Ort: Weiach
Art des WB: Gesamtleistungssubmission
Verfahren: selektiv, nicht anonym
Veranstalter: Politische Gemeinde und Primarschulgemeinde Weiach
Publikation: 23.11.2018
Datum / Nr.: 18/16
Mängel des Verfahrens
- Das Verfahren ist ein klarer Wettbewerb, wird jedoch bewusst und irreführend als Gesamtleistungssubmission bezeichnet und publiziert. Der verlangte architektonische Entwurf, der Leistungsumfang und die Zuschlagkriterien sind eindeutig Elemente eines nicht anonymen Gesamtleistungswettbewerbs. Dies zeigt unter anderem die 55%-tige Gewichtung des Kriteriums „Architektonisches Konzept“ gut auf.
- Der Submissionsausschuss soll die Eingabe bewerten. Die Fachjury ist so momentan ersichtlich auf 2 Personen beschränkt. Im Beurteilungsgremium fehlen qualifizierte Fachpersonen (z.B. Fachpersonen für die Umg[eb]ungsgestaltung).
- Abgesehen von der Absichtserklärung (Zuschlag), welche das weitere Vorgehen und den Umfang des Auftrags beschreibt, sind weder das Urheberrecht noch andere Ansprüche der Teilnehmer geregelt.
Der Verfasser ergänzt das Verfahren einer Generalplanersubmission mit einer Projektidee und im weiteren Verlauf des Verfahrens sogar mit einem Vorprojekt mit Gesamtpreis (Kostendach, mit offener Abrechnung). Dies für 20'000 Fr. pro Team. Die fachliche Qualifikation der Jury lässt sich nur erahnen und die Stimmrechtsverteilung ist nicht benannt. Qualifizierte Fachpersonen der Aufgabe entsprechend, so z.B. für die Landschaftsarchitektur fehlen.
Grundlegend ist eine Mischung von lösungsorientierter und leistungsorientierter Beschaffungsform nicht richtig. Die hier verlangte Aufgabe ist eindeutig eine lösungsorientierte Beschaffungsform. Das Programm und Verfahren sollte deshalb auf den vorgesehenen sia Ordnungen 142 oder 143 aufbauen.
Die Bauherrschaft hat sich entschlossen, die Planung und Realisierung einem Gesamtleistungsanbieter (GLA) zu übertragen. Unabhängig von den oben genannten Punkten stellt sich der BWA die Frage, ob sich Bauherrschaft und Nutzer der Nachteile und Risiken einer GLA – Submission bewusst sind. Der öffentliche Bauherr fordert eine komplexe Projektorganisation, welche die Möglichkeit die Kosten im Verhältnis zu Nutzen und Qualität im Projektverlauf weiter zu optimieren deutlich erschwert. [Hervorhebung: WeiachBlog]
Indem der verdeckte Wettbewerb nicht auf den dafür vorgesehenen sia Ordnungen 142 oder 143 aufbaut, vermindert die Gemeinde und Schulgemeinde Weiach die Chance für qualitativ hochwertige Projektvorschläge unnötig, weil das Verfahren in dieser Art wenig Attraktivität für kompetente Gesamtleister, Architekten und Ingenieure aufweist. Aus Sicht des BWA wäre ein Wettbewerb oder Studienauftrag, anschliessend die Ausarbeitung des Projektes und die Vergabe an einen GU/TU der faire und richtige Weg.
Der BWA lehnt dieses Programm und die gewählte Verfahrensart klar ab und empfiehlt ernsthaft zu prüfen, das Verfahren neu auszuschreiben.
Fazit
Dieses Prüfergebnis stimmt einen schon ziemlich bedenklich. Und man fragt sich, wer da falsch beraten hat oder beraten wurde. Ob der ausgesprochenen Empfehlung nachgelebt wurde ist WeiachBlog nicht bekannt.
Höchst alarmierend sind jedenfalls die beiden Aussagen, dass (a) in der Jury qualifizierte Fachpersonen fehlen würden und (b) die komplexe Projektorganisation die Möglichkeit zur Optimierung des Kosten/Nutzen/Qualitäts-Mixes deutlich erschwere.
Das heisst im Klartext nämlich: die Weiacher bekommen für den zu zahlenden hohen Preis nicht, was sie eigentlich bekommen könnten!
Quelle
- BWA (Hrsg.): Beurteilung 1816. Ersatzneubau MZH und Erweiterung Schulanlage Hofwies. Januar 2019.
Offizielle Gegendarstellung vom 27. Juni 2020
Gregor Trachsel, alt Gemeindepräsident, Architekt und Bauherrenvertreter im Projekt Balance, sowie Guido Moll, Vizepräsident der Schulpflege und Liegenschaftsverantwortlicher, haben mündliche Rückmeldungen zu diesem Artikel gegeben.
[Die nachstehende Gegendarstellung wurde von WeiachBlog verfasst und ist durch die Genannten autorisiert worden]
Die von der BWA geäusserten Kritikpunkte erachten wir als gegenstandslos. Deshalb gab es auch keine Veranlassung, vom gewählten Vorgehen der Generalplaner-Submission abzuweichen.
Zu den im Fazit genannten Punkten:
(a) Was die Fachjury anbelangt, kann man sich selber auf deren Websites davon überzeugen, dass sie über die nötige Fachkompetenz verfügen:
Mitglieder der Fachjury:
- Marc Ryf (Zürich, Architekt) [https://www.ryf-partner.ch/]
- Elias Leimbacher (Winterthur, Architekt) [https://www.el-ar.ch/]
- Brigitte Wegmüller (Zürich, Architektin) [https://www.architektur-wegmueller.ch/]
Insbesondere Elias Leimbacher hat Erfahrung im Schulhausbau.
(b) Die gewählte Form der Ausschreibung mit einer stark integrierten Organisationsstruktur unter Führung eines Generalplaners ermöglicht es, unter Abstimmung aller am Bau Beteiligten die jeweils optimale Lösung zu finden und sie unter dem vereinbarten Kostendach zu realisieren. Mit dem von der BWA favorisierten Vorgehen hätte man sich zuerst für ein Architektur-Konzept entschieden und erst viel später erfahren, was es kostet. Ein solcher Ablauf hätte Zeitverzögerungen zur Folge gehabt, die sich angesichts der drängenden Probleme (Platzbedarf, Raum in Kaiserstuhl nur noch für beschränkte Zeit verfügbar) fatal auswirken würden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen