Donnerstag, 18. Juni 2020

Die Statuten des Frauenvereins der Arbeitschule Weiach, 1908

Ende Oktober 2004 hat der Frauenverein Weiach sein 75-jähriges Bestehen gefeiert. Eigentlich ist dieser Verein aber wesentlich älter, wie man den Weiacher Geschichte(n) Nr. 59 entnehmen kann. Sein direkter Vorläufer ist ein Unterstützungsverein zugunsten der Handarbeitsschule, der «Frauenverein der Arbeitschule Weiach», wie er sich spätestens ab 1908 nannte.

Wann genau dieser Vorläuferverein gegründet wurde, ist bisher nicht bekannt. 1901 existierte er  jedenfalls, denn am 9. April dieses Jahres wurde für die «Tit. Frauenkommission der Arbeitschule Weiach» das Sparheft N° 6711 der Bezirkssparkasse Dielsdorf eröffnet.

Und wie im Beitrag WeiachBlog Nr. 1470 mitgeteilt, gibt es schriftliche Hinweise auf einen noch älteren Frauenverein in Weiach. Er soll in den 1870er-Jahren gegründet worden sein.

In der oben erwähnten Nr. 59 der Weiacher Geschichte(n) sind lediglich die ersten beiden Paragraphen der ältesten erhaltenen Statuten des Frauenvereins abgedruckt. Nachfolgend wird der vollständige Text publiziert:

Statuten des Frauenvereins der Arbeitschule Weiach – Mai 1908

§ 1
Zweck des Vereins ist, nach besten Kräften zur Hebung u. Förderung der Arbeits- u.
Fortbildungsschule Sorge zu tragen.

§ 2
Diesen Zweck sucht der Verein durch folgendes zu erreichen:
I. Durch regelmässige Schulbesuche der Vereinsmitglieder.
II. Durch tatkräftige Mithilfe der Schularbeiten.
III. Durch gelegentliche Zusammenkünfte (zu aufrichtigem Meinungsaustausch).
IV. Durch Anschaffung verschiedener Handarbeiten u. passender Schulgegenstände, namentlich als Weihnachtsgeschenke (Es wird dadurch in den Schülerinnen Lust u. Liebe zur Arbeit erweckt).

§ 3
Mitglieder, deren Rechte u. Pflichten

I. Jedes Mitglied hat das Recht, in den Vereinsversammlungen das Wort zu ergreifen, Anträge zu stellen, in die Vereinsleitung zu wählen u. gewählt zu werden.

II. Ueber Aufnahme von neuen Mitgliedern entscheidet die Abstimmung des Vereins, u. müssen dieselben von der Präsidentin persönlich eingeladen werden u. auch mit den Statuten bekannt gemacht werden. Das Eintrittsgeld eines neuen Mitgliedes beträgt 1 Fr. u. soll dieser Betrag jeweilen der Arbeitslehrerin zur speciellen Verwendung für die Schule zur Verfügung gestellt werden, ebenso die Bussen beim Fernbleiben vom Examen.

III. Jedes Mitglied verpflichtet sich, den Schulunterricht 1-2 Mal jährlich zu besuchen u. dem Examen beizuwohnen. Hiebei zirkuliert ein Rundbuch, welches nach jedem Besuch von den Mitgliedern unterschrieben dem nächstfolgenden weiterzugeben ist. Ueber die Sommermonate von Mai bis September wird dieses Rundbuch im Schullokal zurückbehalten; daselbst muss jeder Schulbesuch in einem dort aufliegenden Visitationsbuch eingetragen werden. 
Für die Fortbildungsschule sollen mindestens acht Besuche notiert sein u. ist ein separates Rundbuch weiterzuführen.
Ferner verpflichtet sich jedes Mitglied, an den Vereinsversammlungen teilzunehmen, sowie auch an allen weiteren Veranstaltungen – ganz besonders der Weihnachtsbescheerung reges Interresse [sic!] zu bezeugen

§ 4
Mitglieder, die aus dem Vereine zurücktreten, haben Ihren Austritt schriftlich der Präsidentin einzureichen.
Mitglieder, die während Jahren dem Vereine ihr Wohlwollen gewidmet haben, werden auf ihren Wunsch als Passivmitglieder aufgenommen. Sollten sie dennoch ihren Austritt erklären, sollen sie im Interresse des Vereins als Ehrenmitglieder aufgenommen werden.
Ehren- u. Passivmitglieder werden zu allen Veranstaltungen: Dem Examen, Versammlungen, gemeinsamen Ausflügen u. Unterhaltungen der Weihnachtsfeier etc. geziemend eingeladen, sind aber von jedem Beitrag u. den Bussen freigesprochen.


[Zwischen den Protokolleinträgen zu den Vereinssitzungen vom 29. März bzw. 3. Mai 1908 ist eine Ergänzung zu § 4 eingetragen: Die Ehren- u. Passivmitglieder sind verpflichtet laut Beschluss vom 22. Novb. 1908 den Jahresbeitrag von 2.40 Cts. zu bezahlen. Die Durchstreichung des Wortes Ehren- erfolgte mittels Bleistift und wohl zu späterem Zeitpunkt.]

§ 5
Die Einkünfte des Vereins:
I: Jahresbeitrag der Mitglieder beträgt 2.40 Fr.
Eintrittsgeld neuer Mitglieder beträgt 1.- Fr.
Bussen für unentschuldigtes Ausbleiben 20 Rp.
Bussen für Verspätungen 10 Rp.
Bussen für Nichterscheinen am Examen  50 Rp.
Die Jahresbeiträge werden in zwei Raten bezogen u. die allfälligen Bussen damit erhoben.
Als Entschuldigungen kommen nur in Betracht: Krankheiten der Mitglieder, oder Familienangehörigen u. besonders wichtige Familienangelegenheiten.

§ 6
Die Jahresrechnung ist von zwei Rechnungsrevisorinnen (die durch den Verein gewählt werden müssen) zu prüfen. Von denselben als richtig befunden, ist sie in der nächsten Sitzung den Mitgliedern vorgelegt zu werden [sic!].

§ 7
Die Leitung des Vereins wird geführt von drei Vorstandsmitgliedern: Der Präsidentin, der Aktuarin u. der Quästorin.

Diese Statuten von den Vereinsmitgliedern geprüft u. einstimmig angenommen, treten in Kraft mit dem neuen Schuljahr 1908.

Weiach, im Mai 1908

Emilie Schweizer, Präsidentin
Sophie Kilchsperger, Actuarin

Wie es sich für eine Organisation geziemt, deren Hauptzweck die Aufsicht über eine Schule darstellt und eingedenks des Grundsatzes, dass Ordnung das halbe Leben ist, kann einen die knallharte Bussenregelung nicht verwundern. Allerdings war das damals bei vielen (um nicht zu sagen: allen) Vereinen der Fall. Und darüber, was «besonders wichtige Familienangelegenheiten» sein sollen, kann ja auch trefflich gestritten werden.

Das Protokoll der Vereinssitzung vom 3. Mai 1908 vermerkt die Annahme der Statuten. Eingangs heisst es da: «Anwesend 20 Mitglieder, entschuldigt abwesend 11 Mitglieder.» Man darf also annehmen, dass die Anwesenheitspflicht nicht allzu streng gehandhabt wurde.

«Die Statuten wurden den Vereinsmitgliedern vorgelegt u. von denselben nach Besprechung jeden §. einstimmig angenommen u. wurden protokolliert. Den Wünschen einiger Mitglieder, Frau Willi (Gemeindeammann), Frau Baumgartner (untere Amtsr.), Frau Meierhofer (Posthalters) wurde gerne entsprochen u. dieselben einstimmig als Passivmitglieder aufgenommen. (Sie werden schriftlich davon in Kenntnis gesetzt). Als Aktuarin wurde Frl. Kilchsperger gewählt. Ein Ausflug wurde mit regem Interresse in Aussicht gestellt; – u. damit die Sitzung geschlossen

Man sieht an der Benennung der drei Passivmitglieder sehr deutlich, dass es zwingend war, den Namen durch einen Zusatz zu ergänzen. Nur so war klar, wer gemeint ist. Zu diesem Zeitpunkt zählte der Verein also 28 Aktiv- und 3 Passivmitglieder. Eine Mitgliederstärke, die etwa derjenigen des heutigen Frauenvereins entspricht.

Quelle
  • Protokoll des Frauenvereins der Arbeitschule Weiach, Weiach ab 1908 – S. 1-5, 7 u. 8 [unpaginiert]

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