Dokumentierte Inschriften und ihre Datierung
Die Datenbank von Deutsche Inschriften Online führt für die exakte Wortkombination «O Rex Glorie Criste Veni Cum Pace» (Christe ohne h, wie von Escher überliefert) 4 Treffer zwischen 1449 und 1516 auf. Für die Variante «O Rex glorie Christe veni cum pace» sind es 6 Treffer mit Datierungen zwischen der Mitte des 13. Jh und 1511.
Nimmt man die Erlöser-Nennung heraus, so resultieren für «O Rex Glorie Veni Cum Pace»
14 Treffer ab 1275 bis 1499. Für «O Rex gloriae veni cum pace» 9 Treffer zwischen 1408 und 1519.
Für die bei Maurer 1965 überlieferte Fassung für die Inschrift der bis 1843 im Dachreiter hängenden kleineren Glocke mit «nobis» («O rex gloria, veni nobis cum pace») gibt es hingegen für das Gebiet des heutigen Deutschland keinen einzigen Treffer. In der Schweiz schon:
Die «Witticher Glocke» in der Kirche von Rein (Gemeinde Rüfenach AG, Bezirk Brugg) trägt mit Gussjahr 1439 die Umschrift «o rex gloriae christe veni nobis cum pace» («O König der Herrlichkeit, Christus, komm zu uns mit Frieden»; vgl. Website der Reformierten Kirche des Kantons Aargau). Benannt ist sie nach der Stifterin, dem Kloster Wittichen im Schwarzwald, welches bis 1544 das Kollaturrecht in Rein ausübte.
Interessant ist, dass alle genannten Glocken klar in der vorreformatorischen Zeit gegossen wurden. Man kann also davon ausgehen, dass auch die Weiacher Glocke mit dieser Inschrift aus dem 15. Jahrhundert stammte oder gar noch älteren Ursprungs ist.
Die Datierung auf das 15. Jahrhundert passt zur zeitlichen Einordnung, die Paul Kläui für die Weiacher Kapelle angibt (die schon 1594 nur noch ein altes Gemäuer war), vgl. WeiachBlog Nr. 1390 vom 21. März 2019. Es ist durchaus möglich, dass die Weiacher die Glocke von der Kapelle (die im Bedmen gestanden hat) in die nach der Reformation im Oberdorf errichtete Kirche übernommen haben.
+ O REX . GLORIE . VENI . CVM . PACE . AM(EN).
Wie alt die Weiacher Glocke tatsächlich war, kann man nur erahnen. Denn dieses Glockengebet war im Mittelalter sehr weit verbreitet und das in ganz Mitteleuropa. Besonders aufschlussreich ist die folgende Erläuterung:
«Der Text O rex glorie veni cum pace – zunächst noch ohne das Wort Christe – ist bereits auf einer im Jahr 1200 gegossenen Glocke in St. Martin am Ybbsfeld (Niederösterreich) verwendet worden. Das Gebet leitet sich, wie Jörg Poettgen gezeigt hat, aus dem liturgischen Formular der Kirchweihe her, die der Glockensegnung nahe steht, da beide liturgische Handlungen dem Bischof vorbehalten waren. Rex glorie ist in Ps. 23 als Ehrentitel Gottes gebraucht und zusammen mit anderen Elementen dieses Psalms in eine Wechselrede zwischen Bischof und Diakon eingegangen, die beim Einzug des Bischofs während der Kirchweihe gesungen wurde.[Fn-5] Diese Wechselrede endet mit dem bischöflichen Friedenswunsch nach Lc. 10,5 Pax huic domui ‚Friede sei diesem Haus‘. Das Gebet O rex gloriae leitet auch den mittelalterlichen Wettersegen gegen Blitze ein (Benedictio contra fulgura).»
Auszug Fn-5: «Jörg Poettgen, Zur Theologie früher Glockeninschriften am Beispiel deutscher Glocken des 12. und 13. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für Glockenkunde 11/12 (1999/2000), S. 69–80.»
(Quelle: DI 88, Landkreis Hildesheim, Nr. 6† (Christine Wulf); In: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di088g016k0000601.)
In den Gefilden, die später zum Königreich Württemberg gehörten (also in Süddeutschland) ist der Friedensruf jedenfalls seit dem späten 13. Jahrhundert überliefert (DI 25, Lkr. Ludwigsburg, Nr. 15† (Anneliese Seeliger-Zeiss und Hans Ulrich Schäfer), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di025h009k0001508.).
Dass solche Glocken gerade in dieser Zeit so beliebt waren, verwundert wenig, denn nach dem Tod des Stauferkönigs Friedrich II. versuchten verschiedene kleinere Adelige in Warlord-Manier ihre Macht auszuweiten, was unweigerlich in kleinkriegerischen Auseinandersetzungen mündete, unter denen die Bevölkerung stark zu leiden hatte. Auch das Städtchen Kaiserstuhl verdankt seine Entstehung diesen unsicheren Zeiten.
Friedensruf datiert auf die Zeit vor den ersten Kreuzzügen
Wie Friedrich Winfried Schubart (1847-1918) in einem 16 Seiten umfassenden Aufsatz schreibt, habe dieser Spruch seines Wissens «niemals und nirgends auf anderen Kirchengeräten als eben gerade nur auf Glocken als Inschrift Verwendung gefunden.» (S. 7)
Rex gloriae, der Ehrenname des Herrn, sei «zweifellos hergenommen aus Psalm 24, der einzigen Stelle heiliger Schrift, welche sich dieses Ausdrucks bedient». Am Palmsonntag, an dem Jesus in Jerusalem Einzug hielt, sei im Tempel der 24. Psalm gesungen worden, wo es heisst: «et introibit rex gloriae» (Vulgata). Der Spruch sei «den Glocken der christlichen Kirchen aufgegossen, damit sie, so oft sie läuten, seinen königlichen Einzug erbitten und verkünden». (Schubart, S. 8)
Papst Nikolaus III. habe 1279 in der Bulle Pro pace selbst das Gebet um Frieden unter den christlichen Fürsten angeordnet, das bei jeder Messe zu halten sei. In diese Zeit fällt auch die Entstehung des Pro pace-Läutens, bei dem man mit dem Klöppel dreimal an die Glocke schlug.
Der Ursprung des Friedensrufs liegt aber noch weiter zurück. Schon Innozenz III. (1198-1216) habe zum Ausdruck bringen wollen, so Schubart, «der Ruf nach Frieden, das «clamare ad Dominum: dona nobis pacem», sei so sehr der Notschrei, die vox populi oder ecclesiae jener Zeit gewesen, daß er sogar zum Gebet in der allerheiligsten Stunde des Meßopfers geworden sei.» Also bereits viele Jahre vor seinem Pontifikat.
Pax Dei. Das kirchliche Gebot des Gottesfriedens
Nach Schubart passt diese Schilderung sehr gut auf die Zeit, als der sogenannte «Gottesfrieden» (pax Dei) die Gemüter im elften und zwölften Jahrhundert beseelt habe, beginnend um 1041 in Aquitanien (im heutigen Südfrankreich), nach einigen Jahren in ganz Europa. (Schubart, S. 12)
Der Gottesfrieden sollte darin bestehen, «daß von Mittwoch Abend nach Sonnenuntergang bis Montag früh nach Sonnenaufgang alle Fehde u.s.w. ruhen solle». (Schubart, S. 13) Oder, wie sich der Bischof Ivo von Chartres ausdrückte: «Daher beschwören und bitten wir euch und gebieten kraft göttlicher Autorität, daß ihr wenigstens die vier Tage, an welchen der Herr ganz besonders für das Heil eurer Seelen gearbeitet hat, in unverbrüchlichem Frieden hinbringt». (zit. n. Schubart, S. 14)
«Der Gottesfrieden war nicht eine auf ein Land sich erstreckende Einrichtung, sondern eine von der ganzen Kirche damaliger Zeiten eingeführte und befohlene Ordnung, so daß aus seiner Allgemeinheit sich am besten auch die oben betonte Allgemeinheit des Friedensgebets auf den Glocken erklären läßt.» (Schubart, S. 14)
So wurde für jene Glocken, welche die Pax Dei, den Gottesfrieden, einzuläuten bestimmt waren, O rex gloriae, Christe, veni cum pace zur allgemein üblichen Inschrift.
«Darum schwindet auch der Spruch als Glockeninschrift wieder nach und nach, als die kirchliche Einrichtung des Gottesfriedens ihre ursprüngliche Bedeutung verlor, und der Landfriede als staatliche Ordnung an seine Stelle trat.» (Schubart, S. 15) Im Gebiet von Weiach wurde der Zürcher Stadtstaat zum Garanten des Landfriedens.
Schubart nennt das Glockengebet eine «Friedensurkunde ferner Vergangenheit». Schöner kann man es kaum ausdrücken. So wie dieser Wunsch aus fast 1000 Jahren Entfernung zu uns herüberklingt, so ist letztlich auch die älteste bekannte Weiacher Glocke noch heute täglich gegenwärtig.
Denn wie wir den Glockenbüchern entnehmen können, wurde sie zusammen mit der grossen Glocke von 1682 eingeschmolzen und zu den heutigen Glocken umgegossen (vgl. z.B. ZBZ Ms. J 432, S. 295). Das schon im Mittelalter klingende Metall vermittelt so den Friedensruf Tag für Tag auch uns Heutigen.
Quellen und LiteraturRex gloriae, der Ehrenname des Herrn, sei «zweifellos hergenommen aus Psalm 24, der einzigen Stelle heiliger Schrift, welche sich dieses Ausdrucks bedient». Am Palmsonntag, an dem Jesus in Jerusalem Einzug hielt, sei im Tempel der 24. Psalm gesungen worden, wo es heisst: «et introibit rex gloriae» (Vulgata). Der Spruch sei «den Glocken der christlichen Kirchen aufgegossen, damit sie, so oft sie läuten, seinen königlichen Einzug erbitten und verkünden». (Schubart, S. 8)
Papst Nikolaus III. habe 1279 in der Bulle Pro pace selbst das Gebet um Frieden unter den christlichen Fürsten angeordnet, das bei jeder Messe zu halten sei. In diese Zeit fällt auch die Entstehung des Pro pace-Läutens, bei dem man mit dem Klöppel dreimal an die Glocke schlug.
Der Ursprung des Friedensrufs liegt aber noch weiter zurück. Schon Innozenz III. (1198-1216) habe zum Ausdruck bringen wollen, so Schubart, «der Ruf nach Frieden, das «clamare ad Dominum: dona nobis pacem», sei so sehr der Notschrei, die vox populi oder ecclesiae jener Zeit gewesen, daß er sogar zum Gebet in der allerheiligsten Stunde des Meßopfers geworden sei.» Also bereits viele Jahre vor seinem Pontifikat.
Pax Dei. Das kirchliche Gebot des Gottesfriedens
Nach Schubart passt diese Schilderung sehr gut auf die Zeit, als der sogenannte «Gottesfrieden» (pax Dei) die Gemüter im elften und zwölften Jahrhundert beseelt habe, beginnend um 1041 in Aquitanien (im heutigen Südfrankreich), nach einigen Jahren in ganz Europa. (Schubart, S. 12)
Der Gottesfrieden sollte darin bestehen, «daß von Mittwoch Abend nach Sonnenuntergang bis Montag früh nach Sonnenaufgang alle Fehde u.s.w. ruhen solle». (Schubart, S. 13) Oder, wie sich der Bischof Ivo von Chartres ausdrückte: «Daher beschwören und bitten wir euch und gebieten kraft göttlicher Autorität, daß ihr wenigstens die vier Tage, an welchen der Herr ganz besonders für das Heil eurer Seelen gearbeitet hat, in unverbrüchlichem Frieden hinbringt». (zit. n. Schubart, S. 14)
«Der Gottesfrieden war nicht eine auf ein Land sich erstreckende Einrichtung, sondern eine von der ganzen Kirche damaliger Zeiten eingeführte und befohlene Ordnung, so daß aus seiner Allgemeinheit sich am besten auch die oben betonte Allgemeinheit des Friedensgebets auf den Glocken erklären läßt.» (Schubart, S. 14)
So wurde für jene Glocken, welche die Pax Dei, den Gottesfrieden, einzuläuten bestimmt waren, O rex gloriae, Christe, veni cum pace zur allgemein üblichen Inschrift.
«Darum schwindet auch der Spruch als Glockeninschrift wieder nach und nach, als die kirchliche Einrichtung des Gottesfriedens ihre ursprüngliche Bedeutung verlor, und der Landfriede als staatliche Ordnung an seine Stelle trat.» (Schubart, S. 15) Im Gebiet von Weiach wurde der Zürcher Stadtstaat zum Garanten des Landfriedens.
Schubart nennt das Glockengebet eine «Friedensurkunde ferner Vergangenheit». Schöner kann man es kaum ausdrücken. So wie dieser Wunsch aus fast 1000 Jahren Entfernung zu uns herüberklingt, so ist letztlich auch die älteste bekannte Weiacher Glocke noch heute täglich gegenwärtig.
Denn wie wir den Glockenbüchern entnehmen können, wurde sie zusammen mit der grossen Glocke von 1682 eingeschmolzen und zu den heutigen Glocken umgegossen (vgl. z.B. ZBZ Ms. J 432, S. 295). Das schon im Mittelalter klingende Metall vermittelt so den Friedensruf Tag für Tag auch uns Heutigen.
- Schubart, F. W.: O rex gloriae, Christe, veni cum pace. Amen. Ein uraltes Glockengebet. Ein Beitrag zur Glockeninschriftenkunde. Dessau 1896 (e-rara-83197; https://www.e-rara.ch/bau_1/content/titleinfo/23512523)
- Maurer, E.: Die Kirche zu Weiach. Weiach 1965 (OCR-Fassung m. Anmerkungen, Stand: August 2020, PDF 1168 KB, unveröffentlicht)
- Deutsche Inschriften Online; www.inschriften.net (Fundstellen im Text erwähnt)
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