Montag, 14. September 2020

Wie die Weiacher Glocken in den Dachreiter kamen

Bekanntlich hat die Weiacher Dorfkirche im Bühl im Jahre 1843 ein neues Geläute erhalten (vgl. u.a. WeiachBlog Nr. 179). Man hätte auch einfach die während des Läutens am 22. Januar 1843 gesprungene grössere der beiden Glocken einschmelzen und zu einer wiederum brauchbaren Glocke umarbeiten lassen können.

Das wollten die Weiacher aber nicht. Sie liessen sich von Glockengiesser Jakob Keller (1793–1867) davon überzeugen, gleich ein komplett neues Geläute herstellen zu lassen (Stillstandsprotokoll, Sitzung v. 8. Februar 1843, pag. 51).

Schwerere Glocken verlangen bessere Befestigung

Dieses neu aus drei statt zwei Glocken bestehende Geläute war wesentlich schwerer als das bisherige. So war bereits in der Sitzung vom 4. März 1843 klar, dass die Statik des Dachreiters und die Befestigung der Glocken in demselben sorgfältig geprüft werden mussten.

Danach liess man noch wertvolle Zeit verstreichen und musste dann – kurz vor dem eigentlichen Glockenaufzug – die Zimmerleute im Schnellzugstempo arbeiten lassen.

Sehen wir uns diese Endspurtphase genauer an (pag. 54):

«Siebente Sitzung den 24. April 1843.» (Laufende Traktandennummer 15)

«Die Mitglieder besammelten sich sammt dem Glockengießer, Hr. Keller v. Unterstraß auf dem obern Kirchboden um die weitern» Vorkehrungen zur «zweckmäßigen Befestigung des Thurmes zu treffen, es hatte sich [..] gezeigt daß ein Theil des Balkenwerks sehr morsch ist (!) und daher eine sorgfältigere Befestigung der 4 Tragpfosten des Thurmes erfordert. Die Zimmerleute erhielten sodann die Anweisung, die Befestigung nach dem von Mühlemacher Meyerhofer angelegten Bilde ins Werk zu setzen.»

Davon, dass diese morschen Balken ersetzt worden wären, steht im weiteren Verlauf des Protokolls erstaunlicherweise nichts. Vielleicht war das auch selbstverständlich. Nach dem Namen zu schliessen kann der erwähnte Mühlenhersteller tatsächlich Weiacher Wurzeln haben, sodass Maurer mit seiner Angabe «Joche und Glockenstuhl aus Eichenholz durch Weiacher Handwerker erstellt» in Die Kirche zu Weiach von 1965 (S. 15) recht hätte.

Glocken abholen, aufziehen und einweihen

Danach ging es Schlag auf Schlag. Schon die «Achte Sitzung den 2. Mai 1843» brachte die Mitteilung, dass der grosse Tag des Aufzugs nahte (Laufende Traktandennummer 16):

«Die neuen Glocken sind fertig u. sollen noch vor nächsten Sonntag aufgehängt werden. Die Abholung derselben ward auf den 4. Mai festgesetzt und die Hrn. Friedensr. Meyerhofer, Gemeindammann Bgtr [Baumgartner] u. Gemeindr. Meyerhofer beauftragt theils beim Wägen derselben theils beim Transporte gegenwärtig zu seyn. Herr Schenkel im Sternen hatte sich verpflichtet sie um 3 fl. 20 ß. abzuholen. Da bey dem Heraufziehen der Glocken u. den damit verbundenen Arbeiten viele Männer in Anspruch genommen werden müssen und nach dem Wunsche des Hrn. Keller auch die Schulkinder dabey behilflich seyn sollen, so wird Hr. Friedensr. Meyerh. beauftragt, für ein erforderliches Quantum Wein u. Brot besorgt zu seyn, damit man den Schulkindern u. den betreffenden Bürgern einen Trunk reichen könne. Nach dem die Glocken gehängt sind soll im Wirthshause für den Stillstand ein bescheidenes Nachtessen auf Kosten der Kirchengüter angeordnet werden; der Arbeiter den Hr. Keller bereits geschickt hat wird im Wirthshause auf Kosten der Kirchengüter logiert. - Die Glockenweihe soll nächsten Sonntag den 7. May statt finden, es wird an diesem Tage nur ein Gottesdienst gehalten, der morgens um 10 Uhr beginnt, die nähere Anordnung wird dem Hrn. Pfr. überlassen.»

Interessant ist, dass Pfarrer und Stillstand nicht von selber auf die Idee kamen, die Schulkinder bei diesem einmaligen Anlass einzubeziehen. Der Vorschlag dazu kam von Glockengiesser Keller. Da der Pfarrer nicht namentlich genannt wird, könnte es sich um den noch amtierenden (am 17. April 1843 nach Mönchaltorf berufenen) Pfarrer Joh. Heinrich Keller handeln. Möglich wäre aber auch sein Nachfolger Konrad Hirzel, wenn dieser bereits als Verweser in Weiach tätig war.

Der Glockengiesser erhält seinen Lohn

Aufzug und Weihegottesdienst dürften nach Plan verlaufen sein, jedenfalls findet sich im Protokoll kein Vermerk dazu. Unter der Traktandennummer 17 folgt die nun fällige Bezahlung des Giessers:

«Montags den 8. May hielt der Stillstand mit Hrn. Keller Abrechnung. Die 3 Glocken wiegen: die Mittagsglocke 1380 Lb, die Betglocke 680 Lb u. die Todtenglocke 390 Lb, - also zusammen 24 1/2 Ctr; die Gesammtkosten mit dem von Hrn. Keller gelieferten Eisenwerk belaufen sich auf 1898 fl. 30 ß. davon wurden ihm 800 fl. in baar bezahlt; dem Arbeiter wurden für 3 Taglöhne u. Trinkgeld 8 fl. (!) bestimmt, rücksichtlich des Trinkgeldes für Herr Keller beschloß man die Ansichten u. den Willen der Gemeinde zu vernehmen. Weil das Wetter regnerisch war, so ließ man auch Herrn Keller u. s. Arbeiter in einer Chaise nach Zürich führen.»

Eine Chaise ist eine leichte Kutsche mit halbem Verdeck. So kamen Jakob Keller und sein Mitarbeiter nicht völlig durchnässt in Unterstrass an (zu Fuss hätte die Reise mehrere Stunden gedauert).

Quelle
  • Protocoll der Kirchenpflege Weÿach, 1838-1884, pag. 51-54. Signatur: ERKGA Weiach, IV.B.6.2

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