Sonntag, 8. August 2021

Seit 1528 wollte der Obervogt die Kirchengutsrechnung sehen

Seit wann Weiach über ein eigenes Kirchengut verfügt hat? Das liegt zurzeit noch im Dunkeln (und wird es vielleicht für immer tun). Wir können jedenfalls nur Vermutungen anstellen. In der alten Ordnung, als Weiach noch zur Marienkirche von Hohentengen gehörte (und damit zur Pfarrei Kaiserstuhl), da werden allfällige Kapellendotationen nicht von ihnen selber verwaltet worden sein.

Pater Siegfried Wind nahm 1940 in seiner Abhandlung über die Pfarrei Kaiserstuhl an, Weiach habe noch im November 1532 zur Pfarrei gehört (vgl. WeiachBlog Nr. 958). Ob das nun zutrifft oder nicht, für einen Weiacher Separatfonds in Kirchenbelangen wäre eine Abspaltung keine zwingende Voraussetzung für eine Zuständigkeit des zürcherischen Obervogts.

Nach der 1528 novellierten Offnung des Zwinghofs zu Neerach war es nämlich die Aufgabe des jeweiligen Neuamts-Obervogt, die Kirchengutsrechnung in den ihm unterstellten Gemeinden zu kontrollieren. Jedes Jahr, oder nur alle zwei Jahre. So sah das der Artikel 60 mit dem Titel «Das die kilchennpflëger umb der kilchenn guot rechnung geben söllent» explizit vor:

«Es soellennt ouch die kilchennpfleger jm Nüwen Ambt unsern herren von Zürich oder der selben ober vögten, welliche die je zuo ziten sind, an jrer statt umb der kilchen gutere zuo einem oder zweyen jaren, wie das an sy geforderot wirt, erber, guot rechnüng geben.» (RQNA Nr. 4B, S. 18)

Ordentliche Rechnungslegung war also fürs Kirchengut Pflicht. Spätestens ab 1591, als die Gemeinde offiziell zur Kirchgemeinde mit vor Ort wohnendem Pfarrer befördert wurde, musste Weiach die Rechnung vorlegen. So weit alles klar. 

Zwinghof Neerach?

Wenn Sie sich nun wundern, was der Neeracher Zwinghof mit dem Neuamt zu tun hat: Er diente als Anknüpfungspunkt für die Legitimation aller hochgerichtlichen Rechte, welche Zürich in dieser Gegend geltend machte. Die leiteten die Zürcher von ihren Rechtsvorgängern, den Habsburgern ab, die ihnen 1409 die Herrschaften Regensberg und Bülach und 1424 die Grafschaft Kyburg pfandweise überlassen hatten und von denen sie 1442 die Obervogtei Neuamt auf ewig zu Eigentum zugesprochen erhielten.

Der Zwinghof Neerach hatte von alters her eine Gesetzgebung, auf die man sich stützen konnte und es auch gewohnheitsmässig tat. Die Richter im Neuamt verlangten jedenfalls 1530, «das sy des amptz recht, namlichen den rodel, den unnser herrenn jnen geben habend, weltind hoeren» (StAZH A 135.1 Nr. 46). Sie wollten also die neue Fassung der alten Offnung von 1528 vorgelesen erhalten, die sie offensichtlich als Rechtsgrundlage für ihre Entscheide angesehen haben. Der Zürcher Rat bekräftigte 1531, «das es bi des Núwenn Ampts gerechtigkeit und offnung rodel núwlicher jaren uffgericht blibenn» (StAZH A 135.1 Nr. 49). Offenbar hatte da jemand die Gültigkeit der erneuerten Offnung von 1528 infrage gestellt. (Bemerkung 1 Geltungsbereich zu RQNA Nr. 4B, S. 19)

Quellen

  • Schauberg, J. (Hrsg.): XXVIII. Offnung und Rechtung des Twinghofes zu Neerach. In: Beiträge zur Kunde und Fortbildung der Zürcherischen Rechtspflege, Bd. 3 (1842) – S. 399-427; In dieser Edition ist der Kirchengutsrechnungs-Artikel die Nummer 61, vgl. S. 418. In der Fussnote zu Art. LXI wird zudem vermerkt, dass die Bestimmung dem Art. 90 des Regensberger Herrschaftsrechts entspricht. Man sieht daran, dass die Zürcher bereits damals angefangen haben, die Gesetzgebungen ihrer Gebiete mit einheitlichen Regeln zu versehen, ein deutlicher Hinweis auf die Tendenz zur Territorialstaatsbildung.
  • Weibel, Th. (Bearb.): Offnung des Zwinghofs zu Neerach und der Vogtei Neuamt. RQNA Nr. 4. In: Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen. Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft; Erster Band: Das Neuamt. Aarau 1996 – S. 18 u. 19.

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