In der Präambel der zum Schutz der Weiacher Gemeindewälder erlassenen Holzordnung von 1567 werden unter anderen Zürcher Ratsherren auch ein Jacob Stampfer und ein Ludwig Meyer erwähnt (vgl. WeiachBlog Nr. 1667). Diese beiden Zürcher Stadtbürger hatten zum fraglichen Zeitpunkt ein für Weiach besonders wichtiges Amt. Sie waren nämlich die Obervögte des Neuamts. Also sozusagen Regierungsstatthalter mit den Vollmachten eines Gouverneurs.
Stampfer war von Beruf eigentlich Goldschmied, Medailleur und Stempelschneider, ein Handwerksmeister; heute würden wir ihn wohl als Kleingewerbler bezeichnen. Lassner (e-HLS, 2013, vgl. Quellen) sieht ihn als den künstlerisch bedeutendsten Zürcher Goldschmied seiner Zeit. Jakobs Vater war 1502 aus Konstanz eingewandert (Lehmann 1908). Die Stampfer gehörten somit nicht zu der mit Reichtümern gesegneten obersten Führungsschicht der Stadt Zürich. Erst mit knapp über 60 Jahren wurde Jakob zum Obervogt gewählt.
Die Grundlast eines Neuamts-Obervogts
Über sein Leben und Wirken berichtet Emil Hahn in einem 1915 in den Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft erschienenen Aufsatz. Im Abschnitt «Als Vogt» liest man über Jakob Stampfers späten Jahre:
«Die zürcherischen Vogteien teilten sich hauptsächlich in die innern von kleinerer Ausdehnung, welche von der Stadt als Wohnsitz des Vogtes aus bedient werden konnten, die äussern mit Schlössern oder festen Häusern als Amtssitzen, ferner diejenigen, welche als gemein eidgenössisches Untertanenland nur abwechslungsweise von Zürich besetzt werden konnten. Die innern wurden jeweils von zwei Ratsherren versehen, deren jeder ein Jahr lang regierte, ohne dass die Amtsdauer beschränkt gewesen wäre. Dem Inhaber kamen als Einnahmen bloss die Fasnachthühner, Vogtgarben, Bussenanteile und einzelne Verehrungen zu. Als Verwalter einer solchen innern Vogtei und zwar des Neuamtes diente Stampfer in den Jahren 1566 — 1569 zusammen mit Ludwig Meier. Die Pflichten bestanden in der Abnahme der Huldigung, der Führung des Mai- und Herbstgerichtes, im Neuamt zu Niederglatt gehalten, im Einzug der Steuern und Gefälle (Pfundschilling etc.) und in der Beaufsichtigung der Gemeindeverwaltung.»
Reich wurden die Neuamts-Obervögte bei diesem Amt jedenfalls nicht, wenn man sich die oben aufgeführten Abgaben ansieht. Es handelte sich eher um eine Art Milizamt, das nebenamtlich bekleidet wurde. Die Obervögte wohnten auch während ihrer Amtszeit in der Stadt Zürich, wo sich auch die Neuamtskanzlei befand.
Weiach gab besonders viel Arbeit
An den Mai- und Herbstgerichtstagen in Niederglatt mussten die Weiacher übrigens nicht teilnehmen, denn sie hatten ihr eigenes Dorfgericht, das im Auftrag des Fürstbischofs von Konstanz von Kaiserstuhler Stadtbürgern präsidiert wurde.
Diese Nähe zu Kaiserstuhl war es nun, die den Punkt Beaufsichtigung der Gemeindeverwaltung gerade im Fall von Weiach besonders aufwändig machte. Stampfer nahm sein Amt ernst und hat 1566 – wie wir aufgrund der Angaben von Hahn annehmen müssen – bezüglich Holzschlägen die Notbremse gezogen (vgl. WeiachBlog Nr. 1665). Mit einem Totalverbot bei hoher Bussandrohung. Dass es wohl erst diese Massnahme war, welche die Protagonisten auf der katholischen Seite an den Verhandlungstisch zwang, davon schreibt Hahn zwar in der Folge nichts, aber es wird der Eindruck vermittelt, dass Stampfer der Initiator war:
«Unter den Gemeinden des Neuamtes litt damals Weiach, das, wie auch einzelne dortige Einwohner, gegenüber Privatpersonen in Schaffhausen stark verschuldet war, unter vernachlässigter Verwaltung. Eine der ersten Amtshandlungen Stampfers war, hier Ordnung zu schaffen, indem er, unterstützt von seinem Amtskollegen, mit dem bischöflich-konstanzischen Vogt Magnus Besler zu Kaiserstuhl Verhandlungen pflog, um den verwilderten Forstbetrieb und Weidgang zu verbessern, „damit der Gmeind nachkommen, Kind und Kindeskind, dess hernach gfreut und etwan ein wenig schulden abbezahlt werden möchten"»
In der zu diesem Abschnitt gehörenden Fussnote 79 wird auf «St.A.Z. Vogteiakten A 135.2» verwiesen. Das sind die Akten der Obervogtei Neuamt für die Jahre 1552 bis 1572, eines von vier Dossier für den Zeitraum von 1367 bis 1798. In diesen wenigen Jahren ist also einiges gelaufen, sonst würden die Akten nicht ein ganzes Dossier füllen.
In StAZH A 135.2 (v.a. in Dokumenten aus dem Jahre 1566) könnte sich auch die Antwort auf die offene Frage finden, welcher Anteil an dieser ganzen Arbeit, die zur Holzordnung führte, dem Obervogt-Kollegen Ludwig Meyer zuzuschreiben ist.
Offensichtlich hat Stampfer seine Arbeit im Neuamt aus Sicht seiner Vorgesetzten (Bürgermeister und Kleiner Rat) nicht schlecht erledigt, denn bereits Ende 1569 wurde er zum Landvogt der Herrschaft Wädenswil gewählt, eine wesentlich verantwortungsvollere Stellung, die er von 1570 bis 1577 bekleidete. Diese wohlhabende Gegend, zu der auch das an der Goldküste gelegene Uetikon am See gehörte, hatte sich Zürich erst 1550 durch Kauf gesichert (vgl. Wikipedia-Artikel).
Quellen und Literatur
- Weiacher Holzordnung. Pergamenturkunde StAZH C I, Nr. 2979 vom 15. Juli 1567. [Regest: Karl Merk Sittich, Bischof von Konstanz und Herr der Reichenau, Bürgermeister und Rat von Zürich sowie Johanns Melchior Hegentzer von Wasserstelz heissen die von den Verordneten: Mangnus Bässler, konstanzischem Vogt in Kaiserstuhl, Bürgermeister Bernhard von Cham sowie den Ratsherren Jacob Stampfer, Jacob Röüst und Ludwig Meyer vereinbarte Holzordnung betreffend Fronwälder und gemeinen Hölzer in Weiach gut. Es siegeln Kardinal Sittich, die Stadt Zürich und Johanns Melchior Heggentzer.] Druck: SSRQ ZH NF II/1, Nr. 180.
- Lehmann, H.: Hans Jakob Stampfer: Ein Zürcher Medailleur und Goldschmied der Reformationszeit. In: Zwingliana, 2/8 (1908) – S. 225–236.
- Hahn, E.: Jakob Stampfer, Goldschmied, Medailleur und Stempelschneider von Zürich 1505-1579. In: Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band 28 (1915-1920), Heft 1, Seite 1-90. Zürich 1915 – S. 29.
- Lassner, M.: Jakob Stampfer. In: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.01.2013.
- Dbachmann: Jakob Stampfer. Artikel in der englischsprachigen Wikipedia, March-July 2020.
- Brandenberger, U.: Artikelserie zur Holzordnung von 1567, vgl. Quellen bzw. Inhaltsübersicht zu WeiachBlog Nr. 1670 v. 11. Juni 2021.
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