Es sei «noch nicht einmal klar, ob die Abstimmung überhaupt stattfinden kann», schreibt der Zürcher Unterländer am 5. Juni (vgl. WeiachBlog Nr. 1935 vom letzten Donnerstag). Spätestens seit dem 7. Juni ist dem Gemeinderat und der Gemeindeverwaltung nun klar, dass sie stattfindet. Aber eben mit speziellen Rahmenbedingungen.
Da der Gemeinderat im Vorfeld dieser Abstimmung punkto Kommunikation mit dem Souverän sozusagen die Zugbrücke hochgezogen hat und sich offiziell sogar über deren blosse Durchführung ausschweigt, erfahren die Stimmberechtigten es jetzt halt auf WeiachBlog.
Würfel gefallen und doch noch nicht gefallen
«Alea iacta est!» Mit diesem Ausspruch soll Gaius Julius Cäsar am 10. Januar des Jahres 49 v. Chr. den Rubicon überschritten haben. Der Rubicon war damals die Grenze zwischen der römischen Provinz Gallia cisalpina und dem eigentlichen italischen Kernland. Wer den Rubikon mit einer Armee unter Waffen überschreitet, der stellt offen die Machtfrage. Mit allen Konsequenzen.
Gemeinhin wird dieses lateinische geflügelte Wort mit «Die Würfel sind gefallen!» übersetzt, anknüpfend an den Umstand, dass soeben die nicht rückgängig zu machende Entscheidung getroffen wurde, den Rubikon zu queren. Wörtlich übersetzt bedeutet er aber «Der Würfel ist geworfen worden». Und um diesen Aspekt ging es den damaligen Römern auch: Der Konflikt war ja zu diesem Rubikon-Zeitpunkt noch nicht entschieden.
Genausowenig, wie das Ergebnis beim Würfeln sofort bekannt ist. Zwischen dem Zeitpunkt, wo der Würfel in die Luft geworfen wird und dem, wo er in Endlage stillsteht und die gewürfelte Zahl ablesbar ist, vergeht zwar nur ein kurzer Augenblick. Die Zeitdifferenz und der damit verbundene Spannungsbogen sind aber für jeden Zuschauer erkennbar.
Nimmt man die Szene als Film auf und drückt dann beim Abspielen auf die Stopptaste, dann wird eine bestimmte Aufnahme als Standbild herausgepflückt. Zum Beispiel eine, auf der der Würfel sozusagen in der Luft hängen bleibt.
Ein solches Standbild über den Weiacher Urnengang vom 18. Juni, ca. um die Mittagszeit herum, wird nun - qua bezirksrätlicher Weisung - für Wochen eingefroren werden. Und in dieser doch recht langen Zeit wissen nur eine Handvoll Leute, wie das Resultat in der Frage «Zukunft 8187, quo vadis?» aussieht.
Das Machtwort des Bezirksrates
Die Stopptaste hat in unserem Fall der Bezirksratspräsident Widmer gedrückt. Er hat zusammen mit dem Ratsschreiber entschieden und teilte seinen Entscheid dem Beschwerdeführer und dem Gemeinderat Weiach mittels Präsidialverfügung vom 6. Juni 2023 mit:
«Der Präsident verfügt:
I. Vom Eingang der Vernehmlassung vom 2. Juni 2023 [durch den Gemeinderat] wird Vormerk genommen.
II. Die Vernehmlassung geht samt Beilagen an den Rekurrenten zur Einreichung einer Replik (dreifach) bis 10. Juli 2023. Bei Säumnis/Verzicht auf eine Stellungnahme wird der Bezirksrat Dielsdorf vorbehältlich anderer Anordnungen zur Beurteilung des Falles übergehen.
III. Das Wahlbüro der politischen Gemeinde Weiach wird angewiesen, die Urnenabstimmung vom 18. Juni 2023 über den Kredit von Fr. 28.3 Mio. Franken [sic!] für das Gemeindeinfrastruktur-Bauprojekt «Zukunft8187» und den Zusatzkredit von 3.2 Mio. Franken für den Bau einer Tiefgarage durchzuführen und in der Folge die Stimmen auszuzählen. Das Abstimmungsresultat wird einstweilen nur dem Bezirksrat Dielsdorf mitgeteilt und nicht publiziert. Die Stimmzettel und das unterschriebene Abstimmungsprotokoll sind ordnungsgemäss zu versiegeln.»
Und wie jeder richtige Krimi hat natürlich auch dieser ein Aktenzeichen, nämlich «GE.2023.75/2.02.04».
Was will der Bezirksrat damit erreichen?
Beim Bezirksrat war bis zum Redaktionsschluss keine Auskunft zu bekommen, was Sinn und Zweck der Disposition III seiner Verfügung ist. Dafür bei der Abteilung Gemeinderecht des Kantons. Die ist zwar nicht das Aufsichtsorgan über die Bezirksräte, das wären offenbar die Gerichte, aber MLaw Laura Hübscher, Juristische Sekretärin mbA, konnte WeiachBlog trotzdem einen Hinweis geben.
Der Grund für die Siegelung und das Verbot, das Resultat bekannt zu geben ist möglicherweise der: sollte der Bezirksrat zum Schluss kommen, dass die Abstimmung wiederholt werden muss, dann darf nicht der Fall eintreten, dass die Stimmberechtigten bereits wissen, wie es herausgekommen ist. Denn das Wissen um dieses Resultat könnte eine spätere Wiederholung der Abstimmung beeinflussen. Zum Beispiel dadurch, dass die Stimmberechtigten der «Siegerseite» dann (im Vergleich zum 18. Juni) unterproportional an der Wiederholung teilnehmen. So könnte das Resultat der Wiederholungsabstimmung auf die andere Seite kippen und in der Folge die nun Unterlegenen deswegen Klage einreichen, usw., ad infinitum.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen