Montag, 26. Juni 2023

Welchen Datierungsstil verwendete man 1596 in Weiach?

Bekanntlich hat ja Papst Gregor XIII. im Jahre 1582 mit einer eigentlich simplen Kalenderanpassung zusätzlich zur Spaltung zwischen Reformierten und Katholiken auch noch ein wahres Kalenderschisma verursacht (vgl. ausführlich dazu Weiacher Geschichte(n) Nr. 105). 

Für Weiach und Kaiserstuhl bedeutete dies bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, dass man mit zwei Datierungssystemen leben musste. Wer sich heute mit Dokumenten aus dieser Zeit im ausgehenden 16. und zum gesamten 17. Jahrhundert befasst, kommt nicht um die Frage herum: Welchen Kalender hat die schreibende Person verwendet? Denn die Doppeldatierung greg./jul. (oder umgekehrt) auf einem Dokument war damals keineswegs Standard.

Stilus novus vs. Stilus vetus

War es wie bei den Katholiken der Gregorianische Kalender, dann nennt man die Datierung «stilus novus» (St. n.). Und war es der herkömmliche Julianische Kalender, an dem die Reformierten festhielten, dann ist es der «stilus vetus» (St. v.), der althergebrachte Stil.

Weiach war reformiert. Also nur alter Stil? Im Pfarrhaus sicher, ja. Wenn ein Erlass aus der Neuamtskanzlei in der Stadt Zürich kam, dann auch. Aber so einfach ist es eben nicht. Dafür sorgte die Teilung der Herrschaftsrechte in Hochgericht (bei einem reformierten Landesherrn) und Niedergericht (bei katholischen Landesfürsten, bzw. ihren Lehensnehmern). 

Die erste juristische Instanz, die für Weiach zuständig war, unser Dorfgericht, wurde von einem Kaiserstuhler geleitet und der Gerichtsschreiber war ein Angestellter des Fürstbischofs von Konstanz. Und diese Kanzlei auf dem Schloss Rötteln am nördlichen Brückenkopf bei Kaiserstuhl datierte ihre Akten, Urkunden, etc. selbstverständlich primär im neuen Stil.

Das Staatsarchiv sieht einen Fehler

Die Gemeindeordnung von 1596, der ältesten, die für Weiach überliefert ist (vgl. WeiachBlog Nr. 884 v. 19. Juli 2010) wird datiert «uff sontag, den vierzechenden tag wintermonats» (Transkription nach Weibel 1996).

An diesem Tag seien die Bestimmungen der neuen Dorfordnung «einer gantzen gmeind Wyach jnn der kilchen daselbs von einem articel zum anndern offentlich vorgeläßen, unnd von jnen gmeinlich mitt danck zů gefallen uf- unnd angenommen worden [..]».

Das Staatsarchiv des Kantons Zürich (StAZH) sieht da nun aber einen Fehler bzw. eine Fallmasche, vgl. den Katalogeintrag zu StAZH A 97.7, Nr. 11:

«Entstehungszeitraum, Anm.: Uff sontag den vierzechenden tag wintermonats im jar ... fünfzechenhundert nüntzig unnd sechse (Der 14. November 1596 fiel allerdings auf einen Donnerstag und nicht auf einen Sonntag.)»

Donnerstag oder Sonntag? Auch noch ein Wochentag-Schisma?

Haben sich die Verfasser der Offnung geirrt? Oder doch das StAZH?

Um das zu klären, müssen wir zuerst die Frage beantworten: Hat man bei der Kalenderumstellung tatsächlich auch die Wochentage verschoben? 

Eine solche Verschiebung hätte dann dazu geführt, dass der Sonntag bei Katholiken und Protestanten für die Dauer des Kalenderschismas nicht mehr auf den gleichen Tag gefallen wäre. Das war aber glücklicherweise nicht der Fall. Sonntag war bei beiden Konfessionen nach wie vor am selben Tag, was dadurch zustande gekommen ist, dass gemäss den Weisungen des Papstes auf den Donnerstag, 4. Oktober 1582 (letzter Tag der Verwendung des alten Stils in römisch-katholischen Gegenden) der Freitag, 15. Oktober 1582 (erster Tag nach neuem Stil) folgte.

Laut http://www.ewigerkalender.de/ bzw. https://www.timeanddate.com (vom Korrektur-PlugIn LanguageTool verwendet), die beide den gregorianischen Kalender abbilden (den sog. Stilus novus), ist der 14. November 1596 tatsächlich ein Donnerstag, wie vom StAZH angemerkt. Nach altem Kalender (Stilus vetus) war das aber der 4. November.

Geht man nun von diesem Donnerstag, 14. November, diejenigen zehn Tage vorwärts, die mit der gregorianischen Kalenderreform ausgelassen wurden, dann landet man in der Tat bei einem Sonntag. Nach gregorianischer Zählung: dem 24. November. Dieser Tag aber ist nach julianischer Zählweise natürlich der 14. November. Der Irrtum liegt also bei den Bearbeitern des StAZH-Onlinekatalogs. 

[Nachtrag vom 28. Juni 2023: Gemäss e-mail von Christian Sieber, Abteilungsleiter Nacherschliessung und Digitalisierung NED, ist der Fehler in der Archivdatenbank korrigiert. Über das Internet ist die korrigierte Version ab Mitte Juli abrufbar.]

Der Entstehungszusammenhang deutet auch in Richtung alter Stil

Dass die Datierung der ersten Weiacher Gemeindeordnung auf Sonntag, 14. November 1596 erfolgte, ist von der Zählweise her völlig korrekt, wenn man davon ausgeht, dass im Stilus vetus datiert wurde.

Und das muss man bei diesem Dokument StAZH A 97.7, Nr. 11 nur schon aufgrund seines Entstehungszusammenhangs, wie er im Rechtsquellenband Neuamt von Thomas Weibel aufgezeigt wird. Denn just diesen alten Stil hatten die Zürcher ja auch nach dem 4. Oktober 1582 beibehalten, weil sie sich vom Papst eben nichts vorschreiben lassen wollten. 

Zusammen mit einer im Dokument offenbar nicht vorhandenen Doppeldatierung ist diese julianische Datierung wiederum ein weiterer Hinweis darauf, dass diese Offnung einseitig von der hohen Zürcher Obrigkeit aufgesetzt und erlassen worden ist. Ohne Zutun der beiden anderen Gerichtsherren, die damals die niedere Gerichtsbarkeit je hälftig innehatten.

Wollte man das Erlassdatum nach heute gültigem Kalender angeben, dann müsste es das Datum 24. November tragen. 

Test unserer These: Datierungen in den Dorfgerichts-Protokollen prüfen

Das bedeutet nun, wie eingangs erläutert, keineswegs, dass in Weiach 1596 nicht auch anders (d.h. gregorianisch) datiert wurde. 

Wenn im Gasthof zum Sternen mitten im Dorf (und somit eindeutig auf Zürcher Staatsgebiet) das Dorfgericht tagte, dann war der Vorsitzende ein Kaiserstuhler (also ein Katholik), der sein Amt im Auftrag des fürstbischöflich-konstanzischen Obervogts ausübte (ebenfalls ein Katholik). 

Was dazu führt, dass man hier bei fehlender Doppeldatierung zwischen 1582 und 1700 eher von einer gregorianischen Zählung ausgehen muss. Ob dies allerdings auch durchgehend so durchgezogen wurde, das muss erst noch anhand der Gerichtsprotokolle geprüft werden.

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