Samstag, 3. Juni 2023

Vor einem halben Jahrhundert begann das Weiacher Buszeitalter

«Am 3. Juni 1973 [...] wurde die auf den 1. Dezember 1969 eingeführte neue Kursstrecke Bülach–Hochfelden–Neerach–Stadel, die 1970 nach Windlach verlängert worden war, nun bis zur Station Weiach-Kaiserstuhl weitergeführt.»   (Brandenberger, U.: Weiach – Aus der Geschichte eines Unterländer Dorfes, 6. Aufl. – S. 73).

So beschreibt es das Neue Bülacher Tagblatt (s. Quellen und Literatur ganz unten). Der Ausbau der heute als fast alleinige Anbindung der Gemeinde ans öV-Netz fungierenden Busverbindung bis an den Weiacher Bahnhof war keineswegs selbstverständlich. Wie es dennoch dazu gekommen ist, beschreibt die Ankündigung des Fahrplanwechsels in der Zeitung «Die Tat» (1935 von Migros-Gründer Duttweiler iniitiert; 1978 eingestellt) vom 31. Mai 1973:

PTT-Linien 691 d und 697

«Mit dem neuen SBB-Fahrplan treten am 3. Juni auch einige namhafte Verbesserungen im Busnetz der PTT und VBZ in Kraft. Die Zunahme des Personenverkehrs von und nach dem Zürcher Unterland hat die Gemeinden schon vor Jahren veranlasst, die Planung des öffentlichen Buslinien-Netzes an die Hand zu nehmen. Die Verkehrsvereinigung Zürcher Unterland erstellte aufgrund von Gutachten, die ihrerseits auf Umfragen und Erhebungen basieren, eine Dringlichkeitsordnung für den Ausbau und die Neuschaffung zusätzlicher Buslinien. Diese Bestrebungen führten nun zu den folgenden erfreulichen Verbesserungen im Busnetz, die alle vom kommenden Sonntag, den 3. Juni, an in Kraft treten: 

  • Verlängerung der PTT-Linie 691 d (Bülach—Hochfelden—Neerach—Stadel—Windlach bis zur SBB-Station Weiach-Kaiserstuhl). 
  • Verlängerung der Buslinie Bülach—Höri über Niederglatt—Niederhasli nach Dielsdorf (neue PTT-Linie 691 e). 
  • Verlängerung der Buslinie Niederglatt—Neerach—Windlach bis zur SBB-Station Weiach-Kaiserstuhl (bisher konzessionierte Buslinie, neu PTT-Linie 697 mit Anschluss in Niederglatt an die neue Postautolinie Bülach—Dielsdorf). 
  • Neue Buslinie Dielsdorf—Regensdorf (Nr. 56 der Verkehrsbetriebe Zürich). 
  • Dielsdorf—Regensberg : Die bisherige PTT-Linie wird Teil der neuen VBZ-Verbindung Nr. 56 (Dielsdorf—Regensdorf). [Also: Regensdorf—Regensberg]

Diese Fahrplan-Verbesserungen werden noch ergänzt durch eine weitere positive Neuerung: VBZ und PTT haben gemeinsam ein kombiniertes Monatsabonnement geschaffen, das sowohl auf einer der Postautostrecken bis Dielsdorf als auch auf dem angrenzenden Furttal-Netz der VBZ gültig ist. Einzelheiten sind den nächstens erscheinenden neuen Fahrplänen zu entnehmen. Die besonderen Regionalfahrpläne der PTT, in welchen auch die neuen Verbindungen der VBZ enthalten sind, können bei den Poststellen an den Postautobuslinien sowie bei den Wagenführern kostenlos bezogen werden. Die Fahrpläne geben auch Aufschluss über weitere Fahrplan-Verbesserungen auf den bestehenden Linien im Postautonetz des Zürcher Unterlandes. [...]»

So gross dieser Schritt für Weiach auch gewesen ist, der Kommentar in derselben Nummer der «Tat» befindet, es sei für den öV im Unterland noch lange nicht genug getan damit. Der Text zeigt, dass die Frage, ob man zuerst das Angebot erhöhen muss und damit die gewünschte Nachfrage erzeugt, oder es umgekehrt zu sein hat, schon damals eine heftige diskutierte war:

Besser, aber nicht befriedigend 

( -f . ) Da also haben die PTT nun gemeldet, dass das Unterländer Busnetz erweitert worden sei! Ein Busnetz, mit dem bisher eigentlich bis auf wenige Ausnahmen weder die PTT selber noch die Verkehrsvereinigung Zürcher Unterland, noch der Benutzer richtig glücklich gewesen sind. Kann man es in Zukunft sein? Sicher ist, dass bei der neuen Fahrplangestaltung vor allem und ganz bewusst auf die Mittelschule Zürcher Unterland in Bülach Rücksicht genommen wurde. Ans allen Teilen des Unterlandes, von Weiach ebenso wie von Dielsdorf und Niederglatt, können jetzt die Schüler die öffentlichen Buslinien benutzen. Und dort, wo der erste Bus nicht auf den Schulanfang ankommt (morgens sieben Uhr), wird ein Schülerkurs geführt. Und selbst die Klotemer Schüler — das betrifft vor allem die «Lehramts-Kandidaten»  — haben gute Verbindung in den Bezirkshauptort, obwohl ihr Bus immer noch «Sammelbus» quer durchs Land ist. Denn eines gibt es auch im neuen Fahrplan nicht: den Schnellbus Bülach—Kloten—Bülach. Eine einzige Linie wird direkt geführt, und zwar schon morgens um 6.18 Uhr ab Bülach — und das auch nur, weil hier der Personenverkehr aus Richtung Schaffhausen nach Kloten übernommen wird. Aber damit ist es bereits fertig. Es gibt keinen analogen Abendkurs! Und solange die Unterländer offenbar immer noch ihr Auto — vielleicht auch ihr Moped oder das Velo — bevorzugen, wird es keine direkte Verbindung zum Flughafen geben. Ebenso wenig wie man bei den Abendkursen auf Bülacher Veranstaltungen Rücksicht nehmen konnte. Noch immer sind, so wurde uns von der PTT gesagt, die Unterländer Busbetriebe defizitär. Noch immer, trotz wesentlich dichterem Fahrplan, wird die Möglichkeit, das öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, zu wenig benützt. Und das Defizit, so die PTT, würde noch grösser, baute man am Abend die Buslinien so aus, dass man die Besucher der Veranstaltungen in Bülach sowohl hin als auch zurücktransportieren könnte. Schon jetzt seien bei den wenigen Spätlinien nach 22 Uhr die Mitfahrer zu zählen.

Und da ist man zum Schluss wieder bei der Frage, die man sich immer stellt: Wird die Fahrplangestaltung erst dann befriedigend, wenn der Unterländer beweist, dass er bereit ist, seine Autos zuhause zu lassen? Wie allerdings soll er es beweisen, wenn er keine Alternativlösung hat? Den Embrachern scheint die Beweisführung irgendwie gelungen zu sein: Von Teufen bis Seebach kann man nach dem neuen Fahrplan schnell und zu vernünftigen Zeiten gelangen. Das gleiche gilt für die Dielsdorfer, die sicher noch so gern nach Regensdorf nicht nur zum Arbeiten, sondern im neuen Einkaufszentrum zum «Shopping» fahren werden. Alles in allem kann man ganz sicher sagen: Den Mittelschülern, den Bewohnern von Furt- und Embrachertal wird ganz sicher ein weitaus besserer Busdienst angeboten als bisher. Das Zürcher Unterland um Bülach herum leidet nach wie vor darunter, dass es sowohl dem Buslinien-Netz wie auch den SBB angeschlossen ist. Und hier wird es wohl erst dann ganz wesentlich besser, wenn ... siehe oben, der Autofahrer sein Auto zuhause lässt und am Bus Schlange steht.»

Quellen und Literatur

  • Bemerkenswerte Verbesserungen der Buslinien ins Unterland. Am 3. Juni ändern die Fahrpläne der SBB , PTT und VBZ. In: Die Tat, 31. Mai 1973 – S. 4. Mit Kommentar auf derselben Seite.
  • 50 Jahre Postauto-Betrieb Bülach–Kloten und Bülach–Höri. In: Neues Bülacher Tagblatt, 4. Oktober 2000.

Keine Kommentare: