Für uns Heutige ist die Nachricht, Steuerbescheide kämen nun aus dem Rechenzentrum, bar jeden Neuigkeitswertes. Etwa so wie der kalte Kaffeesatz von vorgestern.
Vor einem halben Jahrhundert aber waren Begriffe wie «Rechenzentrum» oder gar «Programmpakete» für den durchschnittlichen Leser fast so exotisch wie Berichte über eine Mondlandung. Das waren Nachrichten über Vorgänge aus einer anderen Dimension. Und Hand auf's Herz: Wer von uns versteht wirklich, wie sein Computer im Detail funktioniert? Ein Artikel über den Zauber und die Magie der Effizienzsteigerung:
«Erstmals übergaben elf Zürcher Gemeinden die Ausrechnung und das Ausdrucken ihrer Steuerzettel und Steuerregister einem Rechenzentrum. Kurzfristig und termingerecht erstellte Hauenstein Data-Service, Bachenbülach, die versandbereiten Steuerzettel für über 8000 Steuerzahler von Bachenbülach, Freienstein-Teufen, Hochfelden, Höri, Neftenbach, Niederglatt, Nürensdorf[,] Rafz, Seuzach, Weiach und Wil. Damit konnten die ohnedies überlasteten Gemeindeverwaltungen auf rationelle und wirtschaftliche Art eine Aufgabe bewältigen, die sonst ausserordentlich zeit- und personalintensiv ist.
Mit weiteren, im Rechenzentrum zur Verfügung stehenden Programmpaketen werden für die erwähnten und weitere Gemeinden auch folgende Arbeitsgebiete über das Rechenzentrum bewältigt: Einwegstimmausweise mit Stimmregister, Abrechnungen von Gebäudeversicherung, Liegenschaftensteuern, Kehrrichtabfuhr, Wasser- und Kanalzins, Nutzholzt [sic!], Adressierungen und Statistiken für Schul- und Kirchbehärden [sic!], allgemeine Verwaltung usw. Will beispielsweise eine Schulplege [sic!] feststellen, wie gross ein bestimmter Jahrgang von Kindern ist, um die Planung von Kindergärten und Schulhäusern in die richtigen Bahnen zu leiten, gibt das Rechenzentrum in kürzester Zeit Auskunft. Dem Rechenzentrum sind auch Gemeinden angeschlossen, die selber einen Kleincomputer benützen, für grössere Massenarbeiten aber nicht genügend freie Kapazität haben.»
Hans Meier, alt Gemeindeschreiber und zu dieser Zeit im Gemeindehaus nicht nur im Amt, sondern auch wohnhaft, erinnert sich jedenfalls noch gut an diese Zeit. Auch die Daten zum Nutzholz-Verkauf hätten sie an die Firma Hauenstein geschickt, die daraus dann die Rechnungen erstellt habe, erläutert er dieser Tage auf telefonische Anfrage von WeiachBlog.
Die vom Tat-Redaktor explizit erwähnte Anwendung der Schulraumplanung hingegen, die mussten die Weiacher für ihre Schulanlage Hofwies noch selber aus den Registern ziehen. Und von Hand rechnen. Denn zu diesem Zeitpunkt waren die Planungsarbeiten schon weit fortgeschritten und das Projekt war bereit für die Gemeindeversammlung.
Tatsächlich einmal Vorreiter
Wir wissen zwar nicht, ob die Redaktion der Migros-Zeitung «Die Tat» der Einfachheit halber einem Bachenbülacher IT-Unternehmen geglaubt hat. Oder ob sie die beschriebene Premiere tatsächlich per Recherche verifiziert hat.
Bemerkenswert wäre es jedenfalls. Denn dann ist Weiach in diesem Punkt tatsächlich einmal Vorreiter gewesen. Und nicht, wie sonst üblicher, eine der letzten Gemeinden, die schliesslich auch noch umsetzen, was alle anderen schon länger machen.
Quellen
- Steuern aus dem Computer. Vereinfachung der Verwaltungsarbeiten in elf Zürcher Gemeinden. In: Die Tat, 28. Juni 1973, S. 4.
- Telefongespräch mit Hans Meier-Forster, alt Gemeindeschreiber, im Amt 1961-1996, vom 24. Juni 2023.
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