«Dass steigende Schülerzahlen mehr Schulraum notwendig machen können, liegt aber auf der Hand, weshalb die Schulbehörden gehalten sind, die notwendigen Massnahmen rechtzeitig einzuleiten. Tun sie dies nicht, können sie sich nachher nicht auf die zeitliche Dringlichkeit berufen, weil andernfalls die demokratische Mitwirkung mit derartigem Vorgehen regelmässig ausgehebelt werden könnte.» -- Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, VB.2020.00538, E.2.3
Angesichts der Art und Weise, wie der Gemeinderat Weiach mit dem im zitierten Fall strittigen Finanzinstrument «Gebundene Ausgabe» umgeht, stellt sich die Frage: Wurden die Bestimmungen unserer Gemeindeverfassung (GO 2022) bei der Beschaffung der Schulcontainer zu Recht umschifft? Eine Replik.
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Vorgestern hat sich der Gemeinderat Weiach eine triumphalistisch-larmoyante Medienmitteilung geleistet. Inhalt: Triumph über die gerichtliche Erledigung der Stimmrechtsbeschwerde gegen den Gemeinderatsbeschluss vom 4. März 2024, mit dem sich die Exekutive unter Umgehung der Gemeindeversammlung einen Beschaffungskredit über 900'000 Franken selber genehmigt, den Beschluss jedoch erst am 2. Mai publiziert hat (vgl. WeiachBlog Nr. 2094). Und Larmoyanz über die Zeitverzögerung, die der selbstverschuldete Gang des Gemeinderates nach Lausanne mit sich bringt.
Das liest sich dann so:
«Nebst dem Gemeindeinfrastruktur-Bauprojekt wurde auch dieses Vorhaben von einem Einwohner versucht, mittels Rekurs zu verhindern. Der Rekurrent beantragte die Aufhebung des Gemeinderatsbeschlusses, da er der Meinung war, dass es sich beim Kauf der Container nicht um eine gebundene Ausgabe handle, sondern dass für diese Ausgabe die Gemeindeversammlung zuständig sei. Ausgaben gelten laut Gesetz und gemäss Rechtsprechung dann als gebunden, wenn sie aufgrund eines Gesetzes erforderlich sind oder der zuständigen Behörde aus sachlichen und zeitlichen Gründen kein Entscheidungsspielraum bleibt. Der Rekurs wurde sowohl vom Bezirksrat Dielsdorf als auch in Zweitinstanz – durch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich – abgewiesen.»
Mit dieser Formulierung werden die wahren Verhältnisse gleich in mehrerer Hinsicht vernebelt.
Fake News per gemeinderätlicher Medienmitteilung
Erstens datiert die Verfügung des Einzelrichters am Verwaltungsgericht auf 1. Juli 2024, versandt am 2. Juli. Das bedeutet: die Frist von 30 Tagen für eine Beschwerde beim Bundesgericht ist noch nicht abgelaufen. Der Gemeinderat erweckt jedoch implizit den Eindruck, das Verfahren sei bereits rechtskräftig abgeschlossen.
Zweitens unterstellt der Gemeinderat dem Rekurrenten, seine primäre Absicht sei gewesen, den Bau der Container mittels Stimmrechtsrekurs zu verhindern. Dem ist nicht so. Hätte der Rekurrent das tun wollen, dann wäre bspw. auch ein Antrag auf Baustopp mittels superprovisorischer Verfügung gestellt worden. Verlangt wurde im Rekurs vom 6. Mai vielmehr, das Geschäft sei «umgehend» der Gemeindeversammlung vorzulegen. Dies wurde jedoch durch das nach Schema F durchexerzierte Schriftenwechselprozedere des Bezirksrats vereitelt.
Der Bezirksrat hat die Dringlichkeit ignoriert und dann anderthalb Monate später argumentiert, es sei für den Schulbetrieb «Gefahr im Verzug», da die zusätzlichen Räumlichkeiten bereits Mitte August zur Verfügung stehen müssen (vgl. WeiachBlog Nr. 2120). Zu diesem Entscheid ist der Bezirksrat trotz offensichtlich fadenscheiniger Aktenlage punkto Nachweis sowohl zeitlicher, sachlicher wie örtlicher Ausweglosigkeit gekommen.
Im gesamten Verfahren ging es dem Rekurrenten um die Frage, ob der Gemeinderat alle Voraussetzungen dafür erfüllt hat, eine gebundene Ausgabe anzunehmen. Denn einzig dies würde die Gemeindeexekutive dazu berechtigen, den Entscheid an der Gemeindeversammlung vorbeizulotsen. Planungsfehler und andere Versäumnisse allein rechtfertigen dies nicht (vgl. das einleitende Zitat des ZH-VGer).
Dass die Rechnungsprüfungskommission erst mit der offiziellen Publikation Kenntnis erhielt und entgegen dem Dispositiv des Entscheids am 18. März nicht per E-mail benachrichtigt wurde, ist lediglich ein weiterer höchst bedenklicher Aspekt in dieser Affäre.
Drittens wird mit der Medienmitteilung der Eindruck erweckt, auch die zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts habe sich der Auffassung des Bezirksrats angeschlossen, wonach eine gebundene Ausgabe vorliege. Fakt ist jedoch, dass sich das Verwaltungsgericht in keiner Weise zur Sachlage äussert. Die Verfügung des Einzelrichters ist nämlich ein Nichteintretens-Entscheid, keine Abweisung aus materiellen Erwägungen in der Frage «Gebundene Ausgabe oder nicht?»
Verwaltungsgericht konnte sich um Sachentscheid drücken
Um die Beantwortung der Frage, ob es sich in der Causa Schulcontainer tatsächlich zu Recht um eine gebundene Ausgabe gehandelt hat und insbesondere, ob der Gemeinderat sämtliche Voraussetzungen erfüllt hat, um diesen Weg gehen zu können, wie vom Bezirksrat angenommen, hat sich das Verwaltungsgericht mit formaljuristischen Kniffen gedrückt. Das geht aus der Erwägung 2 des Entscheids VB.2024.00381 deutlich hervor:
«2.1 Der Beschwerdeführer beantragt vor Verwaltungsgericht nur noch, es sei festzustellen, dass der Beschwerdegegner mit dem Beschluss vom 4. März 2024 betreffend die Bewilligung eines Kredits über Fr. 900'000.- für die Beschaffung von 22 Containern zu Schulzwecken seine Kompetenzen überschritten und rechtswidrig gehandelt habe; am Antrag auf Aufhebung des streitgegenständlichen Beschlusses und Durchführung einer Abstimmung hält er nicht mehr fest.
2.2 Feststellungsbegehren setzen ein spezifisches schutzwürdiges Interesse voraus. Ein solches ist gegeben, wenn der Bestand, Nichtbestand oder Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte und Pflichten unklar ist. Kein schutzwürdiges Feststellungsinteresse besteht jedoch, wenn die gesuchstellende Person das mit dem Feststellungsbegehren bezweckte Ziel auch mit einem Leistungs- oder Gestaltungsbegehren erreichen könnte; insofern sind Feststellungsbegehren subsidiär (vgl. zum Ganzen VGr, 12. Mai 2022, VB.2022.00007 E. 4.2 mit Hinweis).
Vorliegend hätte der Beschwerdeführer ohne Weiteres – wie noch vor Vorinstanz – die Aufhebung des genannten beschwerdegegnerischen Beschlusses vom 4. März 2024 beantragen können, welche seiner Meinung nach in Verletzung seiner politischen Rechte zustande kam. Hiervon sah er indes ausdrücklich ab (act. 2 S. 1: "Im Stimmrechtsrekurs vom 6. Mai 2024 hat der Rekurrent noch verlangt, dass dieser Gemeinderatsbeschluss vom 4. März 2024 aufgehoben werden müsse"). Damit fehlt es ihm bezüglich seines Hauptantrags an einem schutzwürdigen Feststellungsinteresse. Auf den Antrag ist deshalb nicht einzutreten.»
Woher der Sinneswandel beim Rekurrenten?
Das Verwaltungsgericht lässt den Grossteil der Begründung für diesen widersinnig erscheinenden Kurswechsel unter den Tisch fallen. Hier der volle Wortlaut aus der Eingabe des Rekurrenten ans Verwaltungsgericht vom 25. Juni 2024 (Begründung 1):
«Im Stimmrechtsrekurs vom 6. Mai 2024 hat der Rekurrent noch verlangt, dass dieser Gemeinderatsbeschluss vom 4. März 2024 aufgehoben werden müsse.
Obwohl der Rekursgegner (d.h. der Gemeinderat) um den zusätzlichen Schulraumbedarf gewusst hat (bzw. hätte haben können), hat er Monate ins Land gehen lassen, bis er einen Beschluss in Sachen Containerbeschaffung gefasst hat. Dann hat er auch noch Wochen zugewartet, bis er diesen Beschluss am 2. Mai 2024 rechtskräftig publiziert hat.
Der Bezirksrat Dielsdorf seinerseits hat sich bis zu seinem Entscheid am 20. Juni 2024 zu[m] Rekurs weitere rund sechs Wochen Zeit gelassen. Es versteht sich von selbst, dass dadurch «Gefahr im Verzug» (O-Ton Bezirksrat) bestanden hat, dass der zu beschaffende Schulraum nicht mehr rechtzeitig auf den Schuljahresbeginn 2024/25 zur Verfügung gestellt werden kann, was dem Bezirksrat eigentlich auch schon im Mai hätte auffallen müssen.
Damit ist der eigentlich intendierte Zweck des ursprünglichen Eilbegehrens (Antrag 1 vom 6. Mai) erfolgreich vereitelt worden, u.a. dass die Gemeindeversammlung über die Frage befinden konnte, ob man die Container lieber kaufen oder doch nur mieten wolle (vgl. WeiachBlog vom 19. Mai 2024 zur kreativen Rechenweise des Gemeinderats).
Es geht daher nur noch um die Frage, ob der Gemeinderat zu Recht von einer gebundenen Ausgabe ausgegangen ist oder eben nicht.»
Überspitzter Formalismus
Man kann sich schon fragen, ob hier das Verwaltungsgericht nicht einen zu strengen Massstab angelegt hat, denn immerhin war der Rekurrent ja im Gegensatz zur Gemeinde nicht anwaltlich vertreten.
Der Rekurrent hätte also laut einzelrichterlicher Verfügung unbeirrt dasselbe fordern müssen, wie er es schon vor dem Bezirksrat getan hatte. Als Zwangsmassnahme hätte er dann auch einen sofortigen Baustopp fordern können. An diesem Beispiel zeigt sich sehr eindrücklich, wie entscheidend ein geeignetes Design der im Verfahren gestellten Forderungen ist.
Schutz der demokratischen Mitwirkung verweigert
«Wenn man zulässt, dass der Rekursgegner – anstatt vorausschauend zu planen und sich rechtzeitig mit zeitlichen, örtlichen und sachlichen Sicherheitsreserven auszustatten – künftig standardmässig zuwartet, bis er absolut sicher weiss, wie viele Zimmer zugebaut werden müssen, dann kann er künftig regelmässig jede Entscheidung (nicht nur über provisorischen Schulraum) mit dem Argument zeitlicher Dringlichkeit an Gemeindeversammlung bzw. Urnenabstimmung vorbei schmuggeln!» (Begründung 5 der Eingabe des Rekurrenten vom 25. Juni 2024)
Es wäre wünschenswert gewesen, wenn sich das Verwaltungsgericht in der Sache geäussert hätte. Denn es besteht immerhin der begründete Verdacht, der Beschwerdegegner (d.h. hier der Gemeinderat) habe sich selber ein zeitliches Problem kreiert, um sich den Stimmberechtigten nicht offen stellen zu müssen. Denn mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 4. März 2024 war weder ein Beleuchtender Bericht verbunden (wie es ihn für die Abstimmung vom 11. Juni zu den Asylcontainern gab), noch erfuhr die Rechnungsprüfungskommission vor der Publikation auch nur das Geringste. Entsprechend wurde das Geschäft auch nicht vor einer Gemeindeversammlung verteidigt, wie es die Gemeindeordnung vorsieht.
Kommentar WeiachBlog: Baldige Neuauflage?
WeiachBlog weiss: Der aktuelle Stand des Verfahrens ist den völlig unzureichenden juristischen Fähigkeiten des Rechtsberaters des Beschwerdeführers zuzuschreiben. Diesem Versager verdanken wir es, dass nun möglicherweise nicht mehr geklärt wird, ob das Vorgehen des Gemeinderates rechtens war oder nicht.
Wenn der Entscheid des Einzelrichters nicht vor dem Bundesgericht angefochten wird und keine Aufsichtsbeschwerde o.ä. an zuständiger Stelle eingereicht wird, dürfte der nächste gemeinderätliche Versuch, mittels § 103 Gemeindegesetz – dem Argument «Gebundene Ausgabe!» – am Souverän vorbeizuregieren, nicht lange auf sich warten lassen. Beispielsweise in der Angelegenheit Asylantencontainer (vgl. WeiachBlog 2090).
Dass der Gemeinderat auch gegen den Entscheid der Gemeindeversammlung vom 11. Juni 2024 beschliessen wird, diese Modulbauten irgendwo in die Landschaft zu stellen (und sei es exakt auf der abgelehnten Parzelle 62 in der Landwirtschaftszone nahe dem Dammweg), ist bei der aktuellen Politik des Bundesrates so gut wie sicher. Denn der migrantische Druck wird nicht abnehmen und im Gemeindehaus hat man gelernt: Frächheit gwünnt!
Quellen und Literatur
- VB.2020.00538. Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Urteil der 4. Kammer vom 24. September 2020.
- Brandenberger, U.: Ermächtigungserlass, präpariert mit Verzögerungszünder? WeiachBlog Nr. 2094, 6. Mai 2024.
- Brandenberger, U.: Aufschiebende Wirkung? Unwürdiges Geschacher hinter Kulissen. WeiachBlog Nr. 2120, 24. Juni 2024.
- VB.2024.00381 (unpubliziert). Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung. Verfügung des Einzelrichters vom 1. Juli 2024.
- Abweisung Stimmrechtsrekurs gegen Beschluss des Gemeinderats Weiach bezüglich neue Schulhauscontaineranlage. Medienmitteilung des Gemeinderats Weiach vom 11. Juli 2024.
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