Dieser Stein ist dem Pfarrherrn mit der längsten Amtszeit in der Gemeinde gewidmet: Johann Rudolf Wolf (1672-1747), vgl. dazu WeiachBlog Nr. 193. Er war auch der erste Pfarrer, der über seine gesamte Amtszeit hinweg in der 1705/06 erbauten Kirche im Bühl tätig war.
Gemäss dem Weiacher Tauf-, Ehe- und Totenregister, das von den hiesigen Pfarrern zwischen 1609 und 1753 geführt wurde (StAZH E III 136.1, S. 1) ist Wolf am 14. November 1747 gestorben, eine Angabe, die mit der auf dem Grabstein übereinstimmt. Was nicht weiter verwundert, hat doch ein Amtsnachfolger dieses Datum von Hand im Register nachgetragen.
De Quervains Karteikarte
Zur Frage, wo das Material für den Stein herkommt, hat sich Francis de Quervain (1902–1984), Schweizer Geologe, Mineraloge und Petrograph, in seinem mehrbändigen nachgelassenen Typoskript indirekt geäussert, vgl. die Abbildung:
Die Information ist kurz und etwas irreführend: «Weiach ZH – Kirche – Grabplatten von Pfarrherren (Wolf), 18. Jh. – Plattensandstein der marinen Molasse und Bergstein». Dazu die Jahresangabe «1982».
Irreführend einerseits, weil auf der beigefügten Fotographie nicht nur der eigentliche Grabstein von Pfr. Wolf zu sehen ist (links), sondern auch derjenige seiner Schwester (rechts), wie die Umschrift verrät: «Jungfrauw Elsbetha Wolf: | Herren Johann Růdolf Wolfen sel. des Regiments und gewesenen | LandVogts der Herrschafft | Grüeningen, Ehelich nachgelasne Jungfrauw Tochter». Pfr. Wolf stammte also aus einem regimentsfähigen Geschlecht (vgl. dazu den e-HLS-Artikel zur Familie Wolf). Sein Vater gleichen Namens war (ausweislich der Umschrift) Landvogt der Herrschaft Grüningen gewesen, einer Landvogtei die im Südwesten des Zürcher Staates, im Gebiet des heutigen Bezirks Hinwil lag.
Irreführend andererseits, weil auch weitere Grabsteine in der Friedhofmauer an Pfarrer und deren Angehörige erinnern, jedoch sämtliche Steine (ausser den oben abgebildeten) aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammen. Die Steine von Wolf und seiner Schwester sind die einzigen, die aus dem 18. Jahrhundert erhalten geblieben sind.
Nun soll es allerdings um die im Titel gestellte Frage gehen. Woher stammen die Steine?
In einem Meeresbecken entstanden
Mit den Begriffen «Plattensandstein», «marine Molasse» und «Bergstein» hat de Quervain drei wesentliche Stichworte gegeben.
«Als Plattensandstein werden umgangssprachlich und in bestimmten Berufen mehrere Arten von Sandstein zusammengefasst, die in zahlreichen Steinbrüchen im mittleren und südlichen Baden-Württemberg am Schwarzwaldrand abgebaut werden. Sie entstanden im Oberen Buntsandstein. Die Bezeichnung Plattensandstein rührt davon, dass aus diesem Material mehr oder weniger ebene Platten von etwa 6 cm Dicke und mehr gewonnen werden können.» (Wikipedia-Artikel Plattensandstein; abgerufen 14.7.2020)
Die Formation, um die es hier geht, wurde vor 243 bis 244.5 Millionen Jahren abgelagert. Sie lag vor der Nordwestküste der Vindelizischen Schwelle, die Teil des sog. Vindelizisch-Böhmischen Festlandes war. Die marine Molasse oder Meeresmolasse ist in einem Sedimentbecken entstanden, das Verwitterungsschutt von diesem Festland aufgenommen hat.
Geht man dem Begriff «Bergstein» nach, dann findet man im Werk von Prof. Max Otto Herrmann aus dem Jahre 1914 die folgende Passage: «Kalksandst. (sog. Bergsteine) der Gegend v. Engen, die man in den Ruinen des Hegaus, z.B. auf dem Hohenstoffeln, verwendet sieht.»
Das alles würde auf eine Herkunft des Sandsteins aus der näheren Umgebung hindeuten, allenfalls aus Süddeutschland, vielleicht gar aus dem Raum Engen im Hegau.
Rorschach oder doch Bäch?
Nun gibt es aber auch noch eine Publikation de Quervains aus dem Jahre 1962, wo er (passend zu anderen Angaben in seinen Karteikarten zu Weiacher Objekten) schreibt:
«Im nördlichen Kantonsteil wurde der Plattensandstein im 17./18. Jahrhundert ebenfalls viel verwendet, hier aber wiederum von Rorschach stammend.» (de Quervain, S. 15)
Damit grenzt er den am Rhein (wohl aufgrund der einfacheren Transportierbarkeit per Schiff) häufiger verwendeten Rorschacher Plattensandstein von dem ab, der in der Stadt Zürich verwendet wurde und aus dem am Zürichsee gelegenen Bäch (Gemeinde Freienbach SZ) stammt. Den muschelhaltigen groben Sandstein von Zweidlen, der v.a. für Mühlsteine verwendet wurde (vgl. de Quervain, S. 3) kann man wohl ausschliessen.
Woher nun Pfr. Wolfs Grabstein stammt, bleibt daher weiterhin offen. Beantworten könnte man die Frage wohl nur, wenn aufgrund von Materialeigenschaften eine Zuordnung zu einem bestimmten Steinbruch gelingt. Oder über einen Hinweis, der sich in einem Wolf'schen Familienarchiv noch auffinden lässt.
Quellen und Literatur
- Herrmann, O.: Gesteine für Architektur und Skulptur. Zweite, umgearbeitete und vermehrte Auflage des Anhanges aus dem Werke des Verfassers "Steinbruchindustrie und Steinbruchgeologie". Berlin 1914 – S. 82 u. 105.
- de Quervain, F.: Der Stein in der Baugeschichte Zürichs. In: Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, Hundertundsiebenter Jahrgang. Zürich 1962 – S. 3 u. 15.
- de Quervain, F.: Gesteinsarten an historischen Bau- und Bildwerken der Schweiz. Aufzeichnungen 1954-1983. (Hrsg.: Institut für Denkmalpflege, Eidg. Techn. Hochschule Zürich). Zürich 1984 – Band 6, S. 231.
- Brandenberger, U.: Der Grabstein in der Kirchenmauer. WeiachBlog Nr. 193 v. 16. Mai 2006.
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