Sonntag, 26. Juli 2020

Weyach und Weiach auf demselben Brief

Vorgestern Freitag hat sich WeiachBlog auf die Ablösung der Schreibweise «Weyach» durch «Weiach» eingelassen und erklärt, wie daraus heute ein Chuchichäschtli-Test wurde (vgl. WeiachBlog Nr. 1552).

Zufälligerweise ist in den letzten Wochen ein Nachnahmebrief des Gemeindammannamts Weiach vom 6. Mai 1884 auf der Online-Plattform Ricardo angeboten worden, fand aber für den verlangten Preis (140 Franken) keinen Abnehmer. Dass diese Ganzsache so teuer ist, hat seinen Grund wohl in der Briefmarke (Nr. 57 nach dem Schweizer Briefmarken-Katalog), die offenbar einen Katalogwert von bis zu 475 Franken hat, wenn sie ungelaufen ist. Zwischen 25 und 100 Franken muss aktuell hinblättern, wer eine solche Marke (und nur diese) auf Ricardo erwerben will.

Aus Weiacher Sicht interessant: hier sieht man auf ein und demselben Dokument sowohl die progressive Form «Weiach» (verwendet von der Zürcher Gerichtsbarkeit, zu deren Aufsichtsbereich die Betreibungsämter gehören), wie «Weyach» (verwendet von der Eidg. Postverwaltung, die sich neue Stempel bis 1904 gespart hat).


Der Brief ging an das Tit. Notariat Niederglatt (Tit. steht für Titulatur, ein Kürzel, das stellvertretend für alle sonst anzuführenden Ehrenbezeugungen verwendet wurde, manchmal noch mit Ausrufezeichen versehen). Das Notariat musste dem Pöstler 4 Franken und 15 Rappen hinblättern. Nicht gerade wenig, wie mit dem Swiss Historical Monetary Value Converter (www.swistoval) zu ermitteln ist. Der Historische Lohnindex ergibt einen heutigen Wert von rund 225 Franken für Nachnahme und Porto.

Schwierige Lage, enorm viele Betreibungen

Zu diesem Brief von Amtsstelle zu Amtsstelle gibt es noch eine Hintergrundgeschichte (die sich ausführlich in Weiacher Geschichte(n) Nr. 36 nachlesen lässt). Wir kennen den Namen des Absenders: Heinrich Meier. Und den des Empfängers: Notar Alexander Schmid (seit 1868 im Amt).

Es war damals schwierig, einen Gemeindeammann zu finden, der einerseits den ihm übertragenen Aufgaben gewachsen und andererseits (und vor allem) gewillt war, diese auch auszuführen. Denn immerhin musste der Betreibungsbeamte ja gegen die eigenen Dorfgenossen vorgehen.

Und Betreibungen gab es zu dieser Zeit in Weiach «abnorm viele», obwohl die Gemeinde nicht zu den ärmsten im Kanton zähle, wie die Aufsichtsbehörde befand (damals wie heute das Obergericht des Kantons Zürich). Es waren nach dem Rechenschaftsbericht 1884 «im Jahr ungefähr doppelt so viele als Einwohner».

Wenn man in die Statistik schaut, findet man für 1880 einen Höchststand von 743 Einwohnern, 1888 einen von nur noch 643. Mithin dürften es somit rund 1400 Betreibungen jährlich gewesen sein, die der Weiacher Gemeindammann zu bearbeiten hatte. Also fünf Stück an jedem Werktag! Dass die schlechte Zahlungsmoral der Weiacher etwas mit ihrer wirtschaftlichen Lage zu tun gehabt haben dürfte, darf angenommen werden. Es waren harte Jahre, die manchen dazu bewogen haben, wegzuziehen oder gar auszuwandern.

Weiacher Gemeindeammänner bestraft

Sowohl der am Anfang des Jahres 1884 zurückgetretene Gemeindeammann (ein Meierhofer), wie auch Heinrich Meier, der den oben abgebildeten Nachnahme-Brief abgeschickt hat, wurden von den Aufsichtsbehörden wegen fahrlässiger Amtspflichtverletzung bestraft. Der eben erwähnte Heinrich Meier sogar zweimal im selben Jahr 1885. Und zwar mit einer auch aus heutiger Sicht saftigen Busse von 60 Fr. im einen und 80 Fr. im anderen Fall. Umgerechnet mit dem Historischen Lohnindex HLI von Swistoval (www.swistoval.ch) ergäbe dies total 7600 CHF nach heutigen Geldwerten! Die musste er auch tatsächlich zahlen, denn bedingte Geldstrafen gab es damals noch nicht.

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