Nach einem Vermerk im ältesten Tauf-, Ehe- und Totenregister der Kirchgemeinde Weiach (eingetragen mutmasslich durch den damaligen Pfarrer Tobias Widmer) erfolgte im Jahre 1623 die Anschaffung eines neuen «Taufkessels».
Was ist das, ein Taufkessel? In der Wikipedia schaut man diesen Begriff besser nicht nach. Dort werden nämlich Taufstein, Taufbecken und Taufkessel sozusagen synonym verwendet. Und das hat seinen Grund darin, dass im Mittelalter in Norddeutschland bronzene Taufbecken, sogenannte Fünten, aufkamen, die an die Stelle von Taufsteinen traten. Diese Fünten werden ihrerseits als Taufkessel bezeichnet, sind jedoch derart gross und (da gegossen) schwer, dass sie wie ein Taufstein ihren fixen Platz im Kirchenraum haben.
Taufkessel sind mobil
In der Schweiz hingegen (und möglicherweise auch im süddeutschen Raum) ist ein Taufkessel eine viel mobilere Einrichtung, was man aus verschiedenen Zeitzeugnissen ableiten kann.
So gibt es für die paritätische Kirche in Würenlos (damals Grafschaft Baden, heute Kanton Aargau) einen Vertrag von 1639, in dem Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich und der Abt von Wettingen (Kollator der Kirche Würenlos) u.a. vereinbaren, dass die evangelischen Kirchgenossen in der Kirche ein Behältnis bekommen, worin sie den Taufkessel und andere zum Gottesdienst gehörende Sachen verstauen können (StAZH C I, Nr. 424).
Solche Taufkessel wurden also nicht gegossen, sondern aus Kupfer bzw. Messing (Kupfer-Zink-Legierung) getrieben. In einigen Fällen ist das Becken oder der Kessel innen verzinnt, damit kein Grünspan ansetzt.
Dem Priester den Taufkessel entrissen
Im Thurgau, seit 1460 ein gemeinsames Untertanengebiet der Sieben Alten Orte (achtörtige Eidgenossenschaft ohne Bern), ist bedingt durch die unterschiedlichen Konfessionen der Herrschenden auch ein konfessionell gemischtes Gebiet entstanden. Und weil der Bau von Kirchen kostspielig ist, findet man dort viele von beiden Konfessionen gemeinsam genutzte Gotteshäuser. Da muss man dann aber auch so miteinander umgehen, dass man niemanden vor den Kopf stösst.
In Wuppenau gab es nur sehr wenige Reformierte. Daher durfte der für sie zuständige reformierte Pfarrer in der dortigen Kirche nur die Predigt halten, aber sonst keine Amtshandlungen ausüben.
«Trotzdem taufte Pfarrer Wirz von Bussnang an Pfingsten 1657 ein Kind, wie es sein Vorgänger hin und wieder getan hatte. Während der Zeremonie betrat der Priester «in grosser Furi und Ungestüm» die Kirche, kam durch die Reihen der Gläubigen nach vorne und rief, hier sei er Pfarrer und ausser ihm habe niemand zu taufen. Dann packte er den Taufkessel und verliess die Kirche, gefolgt von den erzürnten Evangelischen. Auf dem Friedhof entwand ihm der Kindsvater das Gefäss, und der Prädikant führte die Taufe zu Ende.» (Bühler 1986, S. 78)
Diese Angelegenheit eskalierte auf die politische Ebene, wobei man sich nach einigen juristischen Manövern und lokalen Drohgebärden nach 1658 eines besseren besann. Jedenfalls liessen die reformierten Wuppenauer ihre Kinder fortan in umliegenden Gemeinden taufen.
Auch in Pfyn brüskierten die Reformierten ihre katholischen Dorfgenossen. Im Eintrag zu deren Pfarrer Hans Kaspar Maurer heisst es: «Als er in Pfyn war, kauften die dortigen Evangelischen, die bisher nur einen Taufkessel von Kupfer gehabt, ohne Wissen der Katholiken einen Taufstein und ließen ihn in aller Stille in der Kirche aufstellen (November 1634)» (Sulzberger 1863, S. 98)
Zur Reaktion der katholischen Pfyner (und ihrer Innerschweizer Schutzmächte) schreibt Sulzberger nichts. Aber erfreut sind sie garantiert nicht gewesen.
Inventarisation alter Kirchengeräte
Diese Probleme hatten die Weyacher nicht. Sie verfügten spätestens seit Mitte des 16. Jahrhunderts über ein eigenes Gotteshaus (vgl. WeiachBlog Nr. 1555 v. 2. August 2020) und mussten dort nicht auf katholische Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, konnten also (sofern der Platz und das Geld dafür reichten) auch einen Taufstein aufstellen.
In den 1970ern wurden unter Leitung von Pfarrer Karl Stokar, Zürich-Höngg, die alten Liturgiegeräte der Zürcher Kirchgemeinden inventarisiert. Unter dem 5. Mai 1973 schrieb er an die evang.-ref. Kirchgemeinde Weiach:
«Am 25. Mai 1972 wurden uns von Ihrer Gemeinde alte Kirchengeräte zwecks Inventarisation und wissenschaftlicher Begleitung zur Verfügung gestellt. Die Untersuchung durch die Experten des Schweizerischen Landesmuseums hat folgende Resultate ergeben: [...]
1 halbkugeliges, grosses Taufbecken aus Kupfer, im Taufstein. [...]» (ERKGA)
Leider wird hier keine Angabe darüber gemacht, aus welchem Jahrhundert dieses Taufbecken stammen könnte. Wir wissen also nicht, ob es, wie das von Bachs (vgl. Bild oben) aus dem 17. bzw. 18. Jahrhundert stammt.
Altes Taufbecken in die neue Kirche gezügelt?
Für Weiach können wir also die Frage, ob das sich im Taufstein befindliche Becken heuer bereits 400 Jahre alt ist, nicht beantworten. Wir können höchstens hoffen, dem sei so.
Wenn dem so ist, dann müsste 1706 entweder der Taufstein samt Taufbecken aus der alten Kirche im Oberdorf an den neuen Standort gezügelt worden sein.
Oder der Taufstein wurde eigens für die neue Kirche angeschafft. Dann müsste er jedoch auf die Dimensionen des Taufbeckens ausgelegt worden sein (vgl. zum Alter des Taufsteins: WeiachBlog Nr. 846 v. 1. Juni 2010).
Es ist nämlich schwer vorstellbar, dass die sparsamen Weyacher ihr erst 1623 angeschafftes Taufbecken nach knapp über 80 Jahren bereits wieder ersetzt haben. Zumal 1706 die Stimmung im Dorf des teuren Kirchenbauprojekts wegen ohnehin schon geladen war (vgl. WeiachBlog Nr. 1395 v. 30. April 2019).
Allenfalls sind im Nachlass von Pfr. Stokar (StAZH X 299) oder den Unterlagen des Landesmuseums noch Aufzeichnungen zu diesen Inventarisationen erhalten geblieben, die uns einer Antwort näherbringen könnten. Bis dahin bleibt uns auch das Alter des heutigen Taufbeckens unbekannt.
Es gab auch Sparversionen
Aus Karl Stokars Werk über liturgisches Gerät der Zürcher Kirche kann man schliessen, dass der primäre Zweck des Taufbeckens der ist, das über den Nacken des Täuflings gegossene Wasser aufzufangen (Stokar 1981, S. 11). Es muss also danach nicht aus der Höhlung des Taufsteins herausgeschöpft werden. Das Becken erleichtert nicht nur dem Sigristen die Arbeit, der so das Wasser einfach wieder aus der Kirche tragen kann. Es schützt auch den Taufstein. Das ist besonders im Winter wichtig, denn bekanntlich wurden die Kirchen früher überhaupt nicht oder nur spärlich beheizt, sodass Wasser im Taufstein gefrieren und diesen hätte sprengen können.
Laut Stokar gab es neben taufsteingrossen Becken auch kleinere Geräte: «In einzelnen Gemeinden haben sich Taufschüsseln, -kesselchen und -becken kleineren Formates erhalten. Sie bestehen aus Kupfer oder Messing und weisen oft einen flachen Boden auf. Offensichtlich wurden sie auf den geschlossenen Taufsteindeckel gestellt. Der Pfarrer schöpfte daraus das Taufwasser mit der hohlen Hand. Sie weisen sehr unterschiedliche Formen auf, mit oder ohne Traghenkel.» (Stokar 1981, S. 13)
Quellen und weiterführende Literatur
- Tauf-, Ehe- und Totenregister der Kirchgemeinde Weiach (ab 1609); Signatur: StAZH E III 136.1
- Vertrag zwischen Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich und dem Abt von Wettingen als Kollator der Kirche in Würenlos. 2. März 1639. Signatur: StAZH C I, Nr. 424.
- Sulzberger, H.G.: Biographisches Verzeichniß der Geistlichen aller evangelischer Gemeinden des Kantons Thurgau von der frühesten Zeit bis auf die Gegenwart. Frauenfeld 1863 [Hrsg.: Historischer Verein des Kantons Thurgau]. In: Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Band 4-5 (1863) – S. 98 (Steckborner Kapitel. Pfarre Pfyn-Weiningen).
- Stokar, K.: Inventarisation alter Kirchengeräte. Schreiben vom 5. Mai 1973 an die Evang.-ref. Kirchgemeinde Weiach. ERKGA Weiach II.B.5.06.9
- Stokar, K.: Liturgisches Gerät der Zürcher Kirche vom 16. bis ins 19. Jahrhundert. Typologie und Katalog. Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich, Band 50, Heft 2 (145. Neujahrsblatt). Zürich 1981 – S. 11, 13 & 32 (Bild des Bachser Taufbeckens).
- Bühler, H.: Geschichte der Johanniterkomturei Tobel. Kapitel 2. Die Komturei Tobel im Ringen um den Glauben. In: Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Heft 122 für das Jahr 1985. Frauenfeld 1986 – S. 78.
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