Dienstag, 14. Januar 2020

Der Goldene Bund. Ursache der Weiacher Pfarrhausbefestigung?

Im WeiachBlog-Artikel vom 11. Januar ging es um die Frage, ob das Weiacher Pfarrhaus 1591 erbaut wurde. Diese kann man gleich zweifach verneinen. Es hat sich bei beiden Gebäuden, dem heute noch stehenden, wie dem 1658 abgebrannten, höchstens um Renovationen gehandelt.

Nun ist es aber so, dass in etlichen Publikationen das angebliche Baujahr 1591 nicht nur mit einer Befestigungsmauer, sondern explizit auch mit Konfessionskriegen (insbesondere den Kappelerkriegen 1529 und 1531) in Verbindung gebracht wird. Und das hat Gründe.

Was der Heimatkunde-Papst sagt, das gilt

In der Einleitung des Beitrags vom 11. Januar wird die kurz vor dem Ersten Weltkrieg (1908-1912) herausgegebene Geschichte der Stadt und des Kantons Zürich von Karl Dändliker erwähnt. Sie besteht aus drei Bänden: 1908, 1910 und 1912 erschienen; der dritte Band wurde postum fertiggestellt durch Walter Wettstein.

Dändliker (1849-1910) war zu seiner Zeit eine Autorität, ab 1887 ausserordentlicher Professor für schweizerische Verfassungsgeschichte und Zürcher Geschichte an der Universität Zürich. Als solcher verfasste er Anleitungen wie diese: «Andeutungen und Materialien zur Historischen Heimatkunde im Schulunterricht und zur Abfassung von Ortsgeschichten, mit besonderer Berücksichtigung des Kantons Zürich» (Zürich 1893).

Für die Heimatkunde im Kanton Zürich war dieser Hochschullehrer wegweisend, wie alt Staatsarchivar Otto Sigg im Historischen Lexikon der Schweiz schreibt: «Mit belehrendem Unterton öffnete er die Geschichtsschreibung für ein breites Publikum, ohne dabei die Basis solider Quellenarbeit zu verlassen.»

Auch unser Ortschronist Walter Zollinger wurde durch Dändliker beeinflusst. Es verwundert daher nicht, dass sein Wort Gewicht hatte und die Zusammenhänge, die er präsentierte, im Wesentlichen unhinterfragt übernommen wurden. Es sei denn, sie würden durch Belege widerlegt.

Hugenottenkriege und Gegenreformation

Im Zweiten Band seiner Geschichte der Stadt und des Kantons Zürich über die Zeit von 1400 bis 1712, erschienen in Zürich in seinem Todesjahr, schreibt Dändliker über die letzten anderthalb Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts.

Damals unterschrieben die katholischen Orte der Eidgenossenschaft (Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern, Zug, Solothurn und Fribourg) eine gegenseitige Schutzverpflichtung, die nach den auf der Urkunde vergoldeten Anfangsbuchstaben der «Goldene Bund» genannt wurde.

Diesem Separatbund vorangegangen waren Verfolgungen von Protestanten in Frankreich (besonders markant: die Bartholomäusnacht am 24. August 1572) aber auch in der Habsburgermonarchie, wo ab 1576 gegenreformatorische Säuberungen unter Einsatz von Gewalt durchgeführt wurden.

Auch die protestantischen Orte der Eidgenossenschaft schlossen sich zusammen, wie man der nachstehenden Passage im Abschnitt 2.3.3 aus dem Artikel zum Kanton Zürich im Historischen Lexikon der Schweiz entnehmen kann:

«Die von den katholischen Orten eingeschlagene Politik der konfessionellen Bündnisse beantwortete Zürich 1572 durch das Schutzbündnis mit Bern, Basel und Schaffhausen, dem 1584 ein solches mit Genf und 1588 mit Strassburg folgte. Versuche von Zürich und den anderen reformierten Städten, mit den katholischen Orten einen Ausgleich zu finden, blieben ohne Erfolg. 1587 liess der Rat einen Auszug von 3000 Mann nach Frankreich zur Unterstützung der Hugenotten zu, der aber in einer blutigen Niederlage endete (Tampiskrieg)» (Autor: Meinrad Suter, 24.8.2017)

Ein konstruierter Kausalzusammenhang?

Kriegerische Zeiten also, welche Dändliker zur folgenden Einschätzung führten:

«Jener katholische Sonderbund (Goldener oder Borromäischer Bund) wurde zur Wirklichkeit 1586, und ein Riss ging durch die ganze Eidgenossenschaft. Da waren denn häufige kritische Spannungen das Ergebnis, so dass man fast bis zum Ende des Jahrhunderts von Zeit zu Zeit die Wiederholung der Kappelerkriege befürchten musste**» (II, 384)

So weit nachvollziehbar. Dass Dändliker aber eben auch einen direkten Kausalzusammenhang zwischen dem Goldenen Bund und dem Bau eines befestigten Pfarrhauses durch die Zürcher sah, zeigt die Fussnote ** unten auf derselben Seite:

«Daher wurde z.B. 1591 das neu erbaute Pfarrhaus in Weiach befestigt, weil es als ein militärischer Stützpunkt (gegen die Grafschaft Baden und Kaiserstuhl) angesehen wurde.» (II, 384)

Dändliker ist also der Urheber dieser «Kappelerkriege-Hypothese». So muss sie genannt werden, weil uns der Herr Professor die Quellenbelege dafür nicht mitgeliefert hat.

Offene Fragen

1. Handelt es sich wirklich um einen passend gemachten, d.h. konstruierten Kausalzusammenhang oder gibt es schriftliche Belege aus dieser Zeit, die Dändliker bekannt waren, von ihm jedoch nicht erwähnt wurden?

2. Hat bereits das erste Pfarrhaus (mutmasslich in der Chälen; 1658 abgebrannt) nach dem Ankauf durch den Staat 1591 eine Umfassungsmauer erhalten?

3. Hat das heutige Pfarrhaus eine solche feste Ummauerung erhalten - und zwar bereits vor dem Bau der Kirche 1706, allenfalls schon Mitte des 16. Jahrhunderts?

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